Sonntag, 28. November 2010

2010-11-28 | Rainer Sauer zum zweiten Todestag von Charly Davidson

Veröffentlicht auf LICHTSTADT.NETZ:

»Früher - nicht in grauer Vorzeit, sondern als er anfing, sich mit der Kleinkunst und ein wenig mit literarischem Kabarett zu beschäftigen, nämlich in den Jahren 1976, 77 und 78 -, da war Karl David Korff (oder besser: Charly Davidson, wie er sich selbst nannte) noch ein richtiger Liedermacher. Damals sagte man Folk-Rock-Sänger. Und da erst fing Charly an, neben seinen Songs auch reine Texte zu schreiben, Gedichte und rhythmische Prosa, literarische Collagen, politische Satiren. Aber es entstanden auch immer wieder Song-Geschichten über Kleinigkeiten, Allerweltsprobleme und Alltagsereignisse. "Menschengeschichten", wie er sie nannte, eigentlich Banalitäten, Nebensächliches, Unbedeutendes. Aber fast jeder Musikfan fühlte sich von ihm angesprochen, manchmal sogar ertappt und dachte ein klein wenig über sich selbst nach. Das war Charlys Stärke, das machte ihn auchzur Legende in dem Jahr, als die Mauer fiel und er mit seinem Song "Bis die Tage" das Ende der DDR ein wenig beschleunigte.

Selbstbewusst wie er stets war, ein Egomane besten Blutes - und ich denke, ohne diese EIgenschaft ist kein einziger Superstar im Rockmusik- und Pop-Business denkbar - sagte er einmal in einer TV-Talkshow, ich denke, das war bei "B.trifft" mit Bettina Böttiger "Natürlich bin und war ich immer von mir selbst überzeugt. Ich war in meinem Leben stets das Beste, das ich kannte." - Literarisch-musikalisch betrachtet hat Davidson zwischen seinem ersten Album "Kontaktaufnahme", das war 1982, und dem letzten, 2008 nur wenige Wochen nach seinem Tode erschienen Werk "Tor", die Musikszene im Osten wie im Westen Deutschlands entscheident geprägt. Literarischer war in dieser Zeit niemand und es wird bestimmt auch noch einige Zeit dauern, bis andere Künstler dieser Qualität der Poesie, der Lyrik werden erreichen können.

Die Leichtgkeit, mit der Davidson seine Geschichten musikalisch erzählte, von sich selbst, seinem Gegenüber, von der Welt und ihrem Schmerz, von uns allen, den Alten wie den Jungen, den Verlierern und Gewinnern, von den Vorurteilen und den Nachwirkungen, fehlt einem. Hanns Dieter Hüsch, der Volksphilosoph und eines der großen Vorbilder Davidsons, sagte einmal "Wir sind alle Säugetiere und mit Haut und Haaren, Leib und Seele verwandt. Davon zu erzählen, kann zu einer Lieblingsbeschäftigung werden, wenn man es kann und die Menschen einem zuhören".

Danke an Charly Davidson für das, was er geschaffen hat und ein Extradank, dass er mehr als anderthalb Jahrzehnte seines Lebens in Jena verbracht hat.«

Montag, 25. Oktober 2010

2006-09-18 | RIVERBOAT SHUFFLE: Charly Davidson als Karl David Korff zu Gast beim MDR "Riverboat" (Teil 2)

Fortsetzung von:
CHARLY DAVIDSON als KARL DAVID KOFF im September 2006 zu Gast in der MDR TV-Talkshow „Riverboat“


Jan Hofer: (...) Aber die STURM-Truppen, die STURM-Philharmonie, das 'Ständige Thüringer Unterhaltung- und RundfunkMusikorchester', haben fast alleine Sie ins Leben gerufen. Und heute findet es bundesweit Beachtung.

Karl David Korff: Ja, aber das war eine Notwendigkeit. Es gibt so viele hervorragende Musiker in Thüringen und kein Geld für ein orchester. Weder das Land hatte etwas übrig, noch der MDR - ich haoffe, ich darf das hier mal sagen. Also haben wir, also Thomas Hübner und ich...

...Thomas Hübner, das darf ich hier ja einmal verraten, ist...

...lassen Sie mich das verraten, dann kriegen Sie keinen Ärger mit ihm. Thomas Hübner ist Clueso. Also, wir haben die STURM-Truppen ins Leben gerufen und das ist ein hervorragendes Orchester mit einem hervorragenden Dirigenten, Martin Lenz, denn manchmal muss ein Mensch eben tun, was ein Mensch tun muss. Letztlich ist das dann doch auch nur eine Geldfrage.

Jörg Kachelmann: Welche Rolle spielt Geld in Ihrem Leben? Macht es Sie unabhängig oder glücklich?

Auf jeden Fall macht es erst einmal Spaß, welches zu haben. Und es öffnet Türen, noch mehr davon geliehen zu bekommen. Was wiederum dazu führt, Dinge machen zu können, die noch sehr Spaß machen. Aber es ist selbst erarbeitetes Mittel zum Zweck. Und es ist eine adäquate Gegenleistung für Arbeit. Ich arbeite viel, also im Schnitt so zwölf Stunden am Tag. Das klingt viel und ist es auch, aber alles, was nach außen einfach und leicht aussieht hat immer auch etwas mit harter Arbeit zu tun, jedenalls wenn es keine Zufälligkeit oder Eintagsfliege ist.

Wie muss man sich diese zwölf Stunden Arbeit vorstellen? Am Stück oder über Phasen verteilt, im Tonstudio oder im stillen Kämmerlein?

Es ist ein Split zwischen Notwendigkeiten und Passion. Ich kontrolliere gerne Dinge und eine gewisse Führungsqualität kann man mir ja auch nicht absprechen. Ob das im Tonstudio ist, wo ich oft nächtelang an Liedern und Ideen feile oder feilen lasse, ob das in Besprechungen ist, über Bühnenshows oder Konzepte, das kann auch in meinem Zimmer sein, wenn ich an Büchern oder Theaterstücken arbeite oder im Internet recherchiere. Da ist alles möglich und das kostet eben Zeit, ist aber auch nötig um die Ergebnisse zu bekommen, die man anstrebt.

Jan Hofer:
Sie haben da eben eine schöne Wortwahl benutzt: „Im Internet recherchieren“. Viele benutzen heute dafür das Wort „googeln“.

Schrecklich. Was aus unserer Sprache geworden ist. Wobei ja schon meine Wortwahl nicht mal ursprünglich Deutsch ist.

Wie wichtig ist diese Internetrecherche für Sie?


Das ist oft das A und O einer Sache. Angefangen bei der Frage: gab es die Idee, die ich gerade habe, schon mal vorher - da kann einem das Internet sehr helfen. Bis hin zu Informationen, die man sich früher mühsam besorgen musste und die heute schnell und frei verfügbar sind.

Ist das nicht schon wieder ein Zwiespalt? Einerseits hängen Sie alten DIngen nach, den Sechziger Jahren, der vergessenen Worten, andererseits sind Sie immer auf dem neuesten Stand, was Elektronik angeht oder das Internet?

Das sehen Sie schon richtiig. Ich teile das übrigens mit Erich von Däniken. Der ist auch so einer, der immer die neuesten Sachen macht, obwohl man von ihm denkt, dass der nur in Altertümern rumwühlt. Der ist nun schon über Siebzig und trotzdem ein Elektronikfreak. Sendet seine Botschaften und Nachrichten über Twitter in die Welt. (lacht) Ich habe nicht gesagt, dass er „twittert“... aber das macht doch das Leben aus: dieser ewige Gegensatz zwischen dem Alten und dem Neuen, Rock 'n' Roll und Elektromusik, Shakespeare und Wondratschek. Daraus schöpfe ich.

Und wir hoffen, dass Sie da noch lange weiter schöpfen. Wann duellieren Sie sich mit Heinz Rudolf Kunze?

Am 14. Oktober in der Universität Jena. Am 200. Jahrestag der Schlacht von Jena und Auerstedt.

Jan Hofer: Dann wünschen wir Ihnen beiden viel Glück und dass sie beide das überleben.

Naja, zumindest ich. (lacht) Danke schön!

Sonntag, 24. Oktober 2010

2006-09-18 | RIVERBOAT SHUFFLE: Charly Davidson als Karl David Korff zu Gast beim MDR "Riverboat" (Teil 1)

CHARLY DAVIDSON als KARL DAVID KOFF im September 2006 zu Gast in der MDR TV-Talkshow „Riverboat“

Jan Hofer: (...) Nun lassen sie uns mal zu unserem nächsten Gast kommen, einem Sänger, Musiker und Produzenten, der seit bald anderthalb Jahrzehnten in Thüringen lebt und arbeitet: Karl David Korff, vielen Musikfans natürlich unter seinem Künstlernamen Charly Davidson bekannt. Seit bald drei Jahrzehnten aktiv und inzwischen eine Rocklegende. Guten Abend.

KDK: Guten Abend. (Der Einspieler ist zu sehen, u. a. mit Charly Davidson & Begleitung bei seinen DDR-Konzerten 1988 in Dresden und Magdeburg, aktuell in seinem Studio in Jena, beim Querflötenspiel mit der STURM-Philharmonie und während eines Rundgangs mit seiner zweiten Ehefrau Ursula bei den Dornburger Schlössern. Beide stehen am Schloßbalkon und sehen in die Ferne.)

Herr Korff, sie betreiben ihre Karriere ja seit langen Jahren zweigleisig. Einmal sind sie seit 1982 der Deutschrockstar Charly Davidson mit inzwischen acht Alben in den Top 10. Zum anderen machen Sie unter Ihrem richtigen Namen Elektromusik, wie Sie es nennen, und hin und wieder auch literarisch-musikalische Programme, zum Beispiel fordern Sie im nächsten Monat in der Jenaer Universität Ihren Deutschrock-Kollegen Heinz Rudolf Kunze zum Duell. Ist das nicht schwierig, für Sie, für Ihre Fans, die Dinge auseinander zu halten?

Nein. Ganz und gar nicht. Bei einem Charly Davidson-Programm oder -Album, wissen alle, was auf sie zukommt, und bei einem Abend mit Karl David Korff ebenso. Wenn Marius Müller-Westernhagen oder Herbert Grönemeyer schauspielern, geht ja auch niemand in Kino und erwartet ein Musik- oder Gesangsprogramm.

Wie entstand diese Zweigleisigkeit, die ja ungewöhnlich im Musikgeschäft ist. Von anderen Künstlern mit Künstlernamen, wie zum Beispiel Campino, kennen die Fans eher selten den wahren Namen. Sie haben es aber von Anfang an darauf angelegt. Schon Ende der Siebziger Jahre begann diese Zweigleisigkeit.

Das stimmt. Es hat etwas damit zu tun…ich hoffe meine Frau verzeiht mir diesen Ausdruck - sie sagt nämlich immer, ich solle das Wort „tun“ tunlichst vermeiden (Kamera schwenkt auf Charlys Ehefrau Uschi)…also, es begründet sich in der Zweigleisigkeit der Musik, die ich liebe und mache. Als Kind baute ich mir einen Synthesizer und machte so schon 1976 elektronische Klangexperimente, wenig später entdeckte ich Folkrockmusik für mich und machte das dann auch und ich spürte, dass dies zwei Welten sind, die man nur schwer unter einen Hut bekommen kann und so gibt es seit damals Charly Davidson, den Folkrockmusiker, der heute Deutschrock macht, und Karl David Korff, den anderen Teil meiner musikalischen Persönlichkeit.

Ach, jetzt verstehe ich auch die Namenswahl, weil Charly Davidson kann man zwar von Karl David ableiten, aber zu Folkmusik passt das schon eher als zu Deutschrock. Herr Korff, Sie wuchsen in Wales auf und kamen erst 1964 nach Deutschland. Wie war Ihre Kindheit? Vorhin, als Herr Siggelkow von seiner Kindheit in eher bescheidenen Verhältnissen erzählt hat, da haben sie genickt. Hatten Sie ähnliche Erlebnisse?

In vielem, was erzählt wurde, habe ich mich wiedererkennen können. Ich wurde ja, wie Sie schon sagten, in Wales geboren, 1957, und wuchs dort auf. Meine Eltern waren arm und es fehlte fast an allem, aber, für mich war das normal. Ich habe das als normal empfunden, weil ich in Wales damals nichts anderes gesehen habe, bei meinen Freunden, bei den Bekannten meiner Eltern, die bei einem Bauern auf einer Farm arbeiteten. Das war eben so. Erst als ich in Deutschland lebte und zur Schule ging, besserten sich die finanziellen Verhältnisse meiner Familie und dann sah ich zum ersten Mal, was eine Jugend auch ausmachen kann.

Sie sprachen ja schon gut Englisch, als sie nach Deutschland kamen. In wie weit hat Ihnen dies später weiter geholfen.

Englisch ist eine so wunderbare Sprache. Wir Deutschen sind da ein wenig überheblich und denken, als Nation von Dichtern und Denkern seien wir Sprachkünstler und ich sage Ihnen: der durchschnittliche Deutsche ist wahrlich kein Sprachkünstler. Erst, als ich mich wieder intensiver mit der englischen Sprache befasst habe, zunächst musste ich ja in Deutschland erst einmal richtig Deutsch sprechen lernen, konnte ich feststellen, dass es in ihr an die 700.000 Worte gibt, ich meine unterschiedliche Worte, und in der deutschen Sprache nur an die 60.000. Wir setzten viel zusammen, bilden aus zwei Worten ein neues. Im Englischen gibt es aber oft ein spezielles Wort für so eine deutsche Wortkombination. Als ich Shakespeare oder Dylan Thomas übersetzt habe, davor waren es Marc Bolan und Bob Dylan, habe ich gemerkt, dass man auch im Deutschen kreativ sein kann und einfach neue Wortschöpfungen erfunden, wenn es da nichts Besseres, Treffenderes gab.

Ihr letztes Album „Reizwolf“ ist ein Bespiel dafür…

…auch meine Wortkombinationen bei den Albentiteln: „Kontakt Aufnahme“, „InkarNation“, „Schlangen Beschwerer“, „ÜberFlieger“, „Massen Kampf“, „ElektroMusik“ - das zieht sich in der Tat durch mein Schaffen, wie ein roter Faden.

Und immer wenn dann bei Ihnen andere Albumtitel kommen, wie „Odysseus“ oder „Die letzte Ölung“, ahnt man automatisch schon: jetzt aber aufgepasst, jetzt kommt mal etwas anderes, als gewohnt.

Genau.

Jörg Kachelmann: Sehen Sie sich nun als Deutschen oder Waliser oder als Europäer? Was trifft da mehr zu?

Als Europäer, so wie es Alfred Grosser sieht. Ich traf ihn vor einigen Jahren und er hat mir Dinge erzählt, in denen ich mich wiederfand. Grosser ist ja überzeugter Europäer, obwohl er in Frankfurt am Main geboren wurde und bis heute ein Wanderer zwischen Deutschland und Frankreich ist

Jan Hofer:
Wie hat Alfred Grosser Sie beeinflusst?

Das würde zu weit führen, das hier umfassend zu erzählen Aber ein Beispiel kann ich ja sagen. Wir haben uns damals fast eine Stunden lang über Goethes „Erlkönig“ unterhalten. Eine Ballade. Und er hat mir erklärt, dass es im Deutschen wie im Französischen den Begriff der Ballade gibt und ich wusste da schon, dass es sich vom lateinischen „balare“ ableitet, dem Umherlaufen. Aber es gibt, sagte mir Alfred Grosser, im Französischen auch noch den Begriff „balade“ mit nur einem „l“ und der heißt immer noch umherlaufen. Also ist aus französischer Sicht eine Ballade sowohl eine Balladengeschichte an sich, als auch eine Geschichte, die sozusagen „umherläuft“ von einem Ort, von einem Menschen zum anderen und es ist ja anknüpfend an das, was ich gerade über die englische Sprache gesagt hatte. Und deshalb muss man sich immer vergegenwärtigen, dass wir als Europäer nicht in Deutschland oder Großbritannien oder Frankreich leben, sondern in Europa sozusagen umherlaufen. Ich für meinen Teil bin gerne in Deutschland oder in Polen oder in Italien oder in Wales oder in Frankreich, wo ich gerade wieder Urlaub gemacht habe oder in Skandinavien oder in Spanien, auf La Gomera, wo ich ein Haus habe. Also bin ich ein Europäer, der allerdings überwiegend im Osten Deutschlands anzutreffen ist.

Jörg Kachelmann: Jetzt verbindet Sie mehr mit dem Osten Deutschlands, als man allgemein annimmt. Ende der Achtziger Jahre eine erste Tour durch die DDR, u. a. weil Sie ein Lied über Siegmund Jähn, den ersten Deutschen im Weltall gemacht hatten, dann 1992 die Übersiedelung nach Jena. Es heißt, Sie hätten mit Ihrem Lied „Bis die Tage“ 1989 die Wende mit angeschubst. Und es geht noch weiter, bis ins Private hinein.

Ich vermute, ich weiß, was Sie meinen. Meine Frau, die ja in Sachsen-Anhalt geboren ist…

…und für die Sie, ich sage das jetzt einmal, ohne es zu werten, Ihre erste Frau verlassen haben.

Ja.

Seit einem halben Jahr sind Sie beide verheiratet. Wie kam es dazu? War es Liebe auf den ersten Blick?

Da müssen Sie meine Frau fragen (lacht), aber ich denke nicht. Es war eher eine Vernunft-Ehe, oder, mein Schatz? (die Ehefrau winkt ab)

Da müssen Sie jetzt selber durch, ich hatte ja Sie gefragt.


Nein. Wir trafen uns zufällig, 2000, in Suhl bei einer Lesung und es war keine Liebe auf den ersten Blick. Meine Frau wurde bald meine Beraterin und das hat sich dann eben so entwickelt…


…also auf den zweiten Blick…

…oder den dritten, vierten. Aber nun sind wir seit diesem Jahr verheiratet und gut ist. Um Ihre Frage damit zu beantworten: Ja, auch meine Frau verbindet mich mit dem Osten Deutschlands. Haben Sie noch andere Fragen?

Jan Hofer: Wie war das mit ihrer Musik. Wie kamen Sie darauf. Was kann man als Ihre musikalischen Wurzeln bezeichnen?

Also, ich bin, wenn ich das einmal so sagen darf, froh, dass ich in den Sechziger Jahren aufgewachsen bin. Diese Viefalt, die es damals in der Musik gab, bei der Musik, bei den BEATLES, meinen Helden, die ich bedingungslos verehre, und vielen anderen, gibt es heute nicht mehr. Heute gibt es keine Vielfalt mehr sondern nur noch Masse. Masse ist nicht Vielfalt. Ich habe da ja schon mal ein ganzes Album zu dem Thema gemacht und bin wegen des Logos gescholten worden, das dem der FDJ ähnelte, Aber darum ging es. Ein Massenkampf ist niemals ein Kampf der Vielfalt. Also denke ich, dass es vor allem die Sechziger Jahre waren, die mich prägten, die meine Wurzeln sind.

Vor einigen Jahren haben Sie in Jena einen Rundfunksender etabliert...

...nicht allein sondern mit vielen Anderen zusammen.

Aber die STURM-Truppen, die STURM-Philharmonie, das 'Ständige Thüringer Unterhaltung- und RundfunkMusikorchester', haben fast alleine Sie ins Leben gerufen. Und heute findet es bundesweit Beachtung.

(FORTSETZUNG FOLGT IM ZWEITEN TEIL)

Freitag, 22. Oktober 2010

2007-10-22 | Charly Davidson feiert 30. Bühnenjubiläum: "Mich kotzt heute noch diese Wichtigtuerei der NDW an"

Anlässlich von Charly Davidsons 30-jährigem Bühnenjubiläum und seines bevorstehenden 50. Geburtstages gab es am 22. Oktober 2007 ein großes Interview im GEMA-Musikmagazin SONO mit der Rocklegende, welches wir hier noch einmal wiedergeben. Das Interview führte Ramona Stark:

SONO: Herr Davidson, Ihr Comeback-Album "Reizwolf" sei der schwerste Teil ihrer Karriere gewesen, das sagten Sie vor kurzem. War Ihr Karrierebeginn einfacher?

Davidson: Nein, bei meinen ersten Alben, die seinerzeit ja noch auf Cassette erschienen sind, war es ähnlich. Damals, vor bald dreißig Jahren, galt es ja, die deutsche Sprache für den Sound der Musik neu zu erfinden. Es gab wenig Vorgaben und an jeder Ecke hörte man: Das geht nicht, denn die Sprache des Rock ist Englisch. Aber ich wusste: Es muss irgendwie gehen. Und ich dachte: Wortwitz, Slang und Sprüche, das muss in deutsche Texte rein. Also habe ich damals, ich wr da 14, 15, 16 Jahre alt, fleißig übersetzt. Dylan, CSN&Y, Marc Bolan. das war schwer, aber es hat mir danach sehr geholfen.

SONO: Was war das Problem bei Ihrem letzten Album "Reizwolf", mit dem Sie sich Ende 2005 nach mehreren, eher weniger erfolgreichen Alben, zurückmeldeten?

Davidson: Es fehlten erst mal neue Motive, neue Themen. Ich hatte bis dahin in meiner Karriere viele Songs gemacht, ein paar hunder. Und danach wurde es ein bisschen knapp mit wirklich neuen Storys. Vor dreißig Jahren konnte ich noch aus dem Vollen schöpfen: meine Kindheitserlebnisse, Jugendlieben, Schulstorys, das Ablösen vom Elternhaus, die ersten Banderlebnisse, nach Frankfurt zu gehen, es allen zu zeigen, et cetera. Dazu kam Politisches dazu, die Studentenunruhen, die Anti-Strauß-Bewegung und so. Ich hab' dann viel mit weitläufigen Freunden und Bekannten wie Annette Humpe, Lukas Linde, Ulla Meinecke waren darunter, debattiert und diskutiert, wie denn eine neue Platte von mir auszusehen hat, also zu klingen hat, besser noch: was ich der Welt zu sagen habe.

SONO: Was kam dabei raus?

Davidson: Franz Wasa, der Produzent des Albums, sagte mir, er wolle die Platte wie eine Art Fan angehen. Nach dem Motto: Was interessiert mich jetzt an Charly? Wie steht mein Charly jetzt so in der Welt und wie sieht Charly das echte Leben? Und musikalisch: Wie kann man den lässigen Esprit meiner frühen Platten aus den Achtzigern wieder hinkriegen? Ich musste Storys und Feelings finden, die mit meinen Leben jetzt wirklich richtig was zu tun haben. Vor allem: "keine Besserwisserei", das hat Ulla mir eingebleut. Dann habe ich hineingehorcht, in meinen Schädel, tief runter in meine Seele.

SONO: Entsprach das Bild, das Produzent Franz Wasa von Ihnen hatte, Ihrem eigenen Verständnis von sich?

Davidson: Mit der Zeit immer mehr. Es ist ja so: ich habe alle Platten, mit Ausnahme der beiden von Ronny Punk produzierten Scheiben - Gott habe ihn selig- produktionstechnisch nur entweder selbst oder mit meinen beiden langjährigen Partnern Lukas Linde oder Helmut Prosa gemacht. Also wollteich mal eine Außenmeing dazu holen, was leider meinen letzten Partner Helmut Prosa vergrämt hat. Aber frisches Blut tu jedem gut - davon bin ich überzeugt. Wasa sagte dann, dass mein nächstes Album eine Platte werden sollte, direkt über mich; Lieder, die direkt und prall aus meinem Herzen und meinem Kopf sprechen. So kam es dann auch zu dem Titel "Reizwolf".

SONO: Wie haben Ihnen denn Kollegen wie Ulla Meinecke konkret geholfen?

Davidson: Ich hatte manchmal einfach Schwierigkeiten, die richtigen, neuen Themen und Formulierungen zu finden. So wie bei dem Lied "Die Elenden und die Könige" das so gestaltet werden musste, dass kein Besserwisser-Song draus wird, sondern der eines Erkenntnis- beziehungsweise Erleuchtungs-Menschen. Also stieg ich mit meinem Fahrer in mein Auto, damals war das gerade ein Phaeton, den wir gelest hatten; einen echten kann mich mir selbst heute noch nicht leisten (lacht!). Wir produzierten ja in den Memento-Studios in Berlin und so ich abends, um kurz nach acht, Ulla an, ob sie 'nen Moment Zeit hat. Die stand dann an der Tanke bei ihrer Autowaschanlage und stieg ein. Wir rauchten viel und fuhren fünf Stunden im Kreis, hielten ab und an an der Tanke an und dann stieg ich aus und holte was zu trinken oder zum Knabbern oder zu rauchen und der Typ hinter der Kasse wollte nicht mehr, dachte wahrscheinlich das wäre ein Fake, dass ich es gar nicht bin, hat dann aber am Ende ein Handyfoto als Beweis gemacht. Ulla lachte sich die ganze Zeit halb schlapp über die Situation und, das war ja Deine Frage, ja: sie hat mir sehr geholfen bei dem Album. Nachher, so um halb zwei Uhr nachts, waren wir beide zwar alkoholtechnisch gut drauf, aber es war ein sehr fruchtbares Gespräch.

SONO: Mit Alkohol kennen Sie sich aus.

Davidson: Ja, ich habe meine Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Ich bin kein Hasch-Freak oder Kokser. Davor habe ich Angst. Mein Kopf ist sowieso schon genug Circus Maximus und ich hab' Angst, dadurch meine Gehirn-Salat-Chirurgie noch mehr durcheinander zu bringen, als sie es bereits ist. Kleine Experimente ausgenommen, mal plötzlich und unvorhersehbar bei einer Talkshow unterm Tisch landen, ein anderes Mal waartet der Notarzt um die Ecke, sowas gab es schon mal. Also ganz der Künstler, der sich dahin vorwagt, wo sich sonst keiner hintraut. Wo jeder Mensch Angst kriegt, das muss man doch schon mal erlebt haben. Ausnahmezustände, auf der Suche nach noch weiteren, bisher nicht gekannten Kicks. Aber zum Glück bin ich da ja nicht alleine. Das geht ja von "Faust" bis "Freund". Der alte Geheimrat wäre ja nüchtern auf vieles nicht gekommen. Alkohol funktioniert manchmal als Retter in der Not, wie es Mr. G je einst besungen hat, leuchtet gelegentlich als zusätzliche Lampe durch das Leben. Aber ich kenne auch die Schattenseiten, habe Leute wie Schulze und Lindenberg im Vollrausch erlebt und da waren fürwahr keine Glanzleistungen möglich. Ist aber alles lange her.

SONO: Hat sich Ihr Vokabular in den dreißig Jahren ihrer Karriere sehr geändert?

Davidson: Ja, ich denke schon. Wenn man die Zeit nimmt von 1977 bis 1986, bei meinen ersten deutschsprachigen Album, da hatte ich noch eine Art Supermensch im Kopf, so einen Klon, einen Wechselbalg zwischen Bob Dylan, Marc Bolan, Reinhard Mey und natürlich Konstantin Wecker, den Übervater. Die Aussprache, die Artikulation hatte ich von denen. Ich hab das Herrn Wecker auch mal gesagt: "Konstantin, ich hab mir viel bei dir abgeguckt von deinem Wortwitz", hab ich gesagt. Er konnte das gar nicht verstehen. Erst als ich ihm sagte, dass ich auch noch Hanns Dieter Hüsch verehre, dann hat er's geglaubt, hat mich an sich gedrückt und hat mir einen Kuß gegeben.

SONO: Wie radikal fühlte es sich Mitte der Siebziger an, als alle hierzulande Englisch sangen, auf Deutsch zu singen?

Davidson: Ich sag ja zuerst auch nur in Englisch, aber es war mir einfach eine Notwendigkeit, weil ich auf Englisch viele Sachen, die ich sagen wollte, nicht so rüberkriegte, wie ich sie ausdrücken wollte. Mein Englisch war dafür, obwohl ich ja in Wales geboren wurde und dort aufgewachsen bin, zu limitiert. Außerdem liebte ich die deutsche Sprache. Ich las Tucholsky, Goethe und Wondratschek. Alle sangen Englisch, ich schrieb auf Deutsch. Ich hatte nur Angst, dass mir bei meinen Liedthemen jemand zuvorkommt. Aber dann ging das ab über Nacht, so schnell, dass mich das auch gewundert hat. Ich sei intellektuell, machte man mir weiß. Und ich glaubte es: Hallelujah.

SONO: 1982 kam ihr erstes Schallplattenalbum auf den Mark, davor gabes nur Ihre Cassetten.

Davidson: Ach, die PRELUDE-Cassetten: ein wirtschaftlicher Flop, siebenhundert verkaufte Dinger. Mit denen wollte ich ja gleich Weltstar werden, was für'n Quatsch. Denn Weltstars singen Englisch, klare Sache, dachte ich. Klappte nicht. Aber auch die "Kontaktaufnahme" schwächelte ja, ebenso wie das zweite Vinylalbum "Das kleine Mal". Viele Exemplare mussten zurück in die hintersten Regale bei meiner Plattenfirma. Also war's das mit dem intellektuellen Anspruch. Die Firma wollte mehr Erfolg und ich trennte mich von einem guten Freund, Lukas Linde. Das war hart und schwer entmutigend.

SONO: Was unterschied Sie danach von den weiter ambitionierten Liedermachern, die offen gegen den Mainstream musizierten?

Davidson: Meine kessen Sprüche, denn ein paar Wortwitze müssen immer sein. Das unterschied mich ja von den NDW-Nasen, von den ganzen lustigen Vögeln, die im Tretboot in Seenot gerieten, während dem ich Odyseuss Flotte befehligte. Mich kotzt heute noch diese Wichtigtuerei der NDW an, dieser langweilige Spaß, dieses ganze Missionarstum "Die Welt ist eine große Party". Für mich musste Musik locker rocken und rollen und elektronisch sein. Das konnte man sich nicht abgucken, das konnte man nur selbst erfinden

SONO: Wann kam bei Ihnen das Politische in die Texte?

Davidson: Die politische Dimension kam Ende der siebziger Jahren hinzu. In diese Richtung brachten mich auch einige gute, höchst politambitionierte Freunde. Ich wurde Sänger einer Frankurter Politrockband, wir traten bei "Rock gegen Rechts" auf, ich sang zu Themen wie AKWs, Besetzerszene oder Chile. War alles gut und prima so - und dürften auch einiges bewirkt haben, diese Songs. Ich bin mir immer noch unsicher bezüglich dem Ende der DDR und meiner Rolle dabei, aber manche Leute meinen, habes das sogar wissenschaft zu ergünden versucht, der Song "Bis die Tage" habe seinen Anteil daranb gehabt. Ja, und dass ich heut ein der ehemaligen DDR lebe, ist schon 'n Flash. Ich wache jeden Morgen mit einem Lächeln auf. (lacht!)

SONO: Gibt es beim Schreiben von Liedern eine Routine oder ist das immer wieder ein Kampf?

Davidson: Kampf und ein Roulette-Spiel. Routine gibt es für mich nicht. Ich bin immer auf der Suche, bin ein Gedanken-Abenteurer, ein Entdecker auf dem Sprung, der neue Bilder finden muss. Aber, wie gesagt, das ist schon schwer nach so vielen Texten. Wenn ich schreibe waren es früher zischen Monate und Tagen, die ein text dauerte. Daraus sind heute Jahre gworden und manchmal geht's in drei Minuten, alles ist möglich.

SONO: Im Refrain Ihres Songs "Wach auf" heißt es: "Wir schlafen mit weit offenen Augen, mit unsren Träumen und mit dem Partner sowieso". Kann man behaupten, dass das eine typische Charly-Davidson-Zeile ist?

Davidson: Kann man. Die musste in diesem Lied aber auch genau so sein. Das Lied ist so hinreißend schön, die Melodie "so nice", das musste ich irgendwie brechen. Wie es übrigens auch die EURYTHMICS stets so gemacht haben: Schöner Song = böser Text, böser Song = schöner Text. Sonst kommt man leicht in eine zu gefällige Ecke. Und über Worte wie "schlafen mit weit offenen Augen" freuen sich übrigens auch die Kritiker ebenso wie die Kids. "Du schläfst mit weit offenen Augen" scheint ja so ein kleinen Szene-Spruch geworden zu sein. Danach suche ich. Wie damals mit den "ewigen Schaltkreise", dem Computernirwana. Mir sagte mal ein führender Informatikprofessor, dass er seit meiner Worterfindung seinen Studenten erklären kann, wohin Daten bei einem Computerabsturz verschwinden.

SONO: Sie bekammen den Jacob-Grimm-Preis für Verdienste um die deutsche Sprache verliehen. Hat Sie das überrascht?

Davidson: Ja. Die Goldene Liese habe ich ja bereits seit 1982. Die mögen halt alle meinen spielerischen Umgang mit der deutschen Sprache, wie er jahrzehntelang nicht so üblich war. Worte formen wie Kaugummi, Knetgummi - wie mit dem Jonglierball damit umgehen. Alles geht, keine Limits. Ich sah da nie Begrenzungen und wusste: mit Sprache kann man alles machen. Unsere deutsche Sprache klingt sehr schön, na ja, vor allem, wenn ich sie singe. (lacht!) Dieses "Das kann man nicht sagen" akzeptierte ich nicht, man kann nämlich alles sagen. Jeder neue Text öffnet eine Tür. Und dass das Jacob-Grimm-Preisgremium das anerkennt, ist doch toll.

SONO: Sie arbeiten gern ungestört. Nachts und besonders gern im Auto. Stimmt das?

Davidson: Genau, wie bei der Geschichte mit Ulla. Das ist ganz locker, da wird man nicht gestört und kommt auf viele Ideen. Tür zu, Handy aus, Raumkapsel.

SONO: Welche Musik hören Sie im Auto?

Davidson: Meine Demos und andere CDs. Zur Zeit "Love" von den Beatles, "Station To Station" von Bowie, aber auch gern mal Beethoven, Holst und Bach. Auch große Chöre sind super, da krieg ich schon mal tränennasse Augen, bin ganz gerührt und muss rechts ranfahren. Mein Auto ist wie Apollo 11, wenn ich unterwegs bin. Aber ich schreibe auch gern nachts im Hotel, wenn alles pennt.

SONO: Merken Sie, wenn ein Stück besonders gut geworden ist?

Davidson: Ja, das merk' ich meistens. Ich denk' dann, wer hat das eigentlich geschrieben? Da muss wohl der Heilige Geist mitgemacht haben, allein kann ich so was nicht.

SONO: Haben Sie sich schon mal gegoogelt?

Davidson: Klar, täglich. Ich muss ja immer nachschauen, was es Neues gibt über mich. Und die meisten Geschichten über mich stimmen sogar. Die Journaille geht zur Zeit ziemlich straight mit mir um.

SONO: Haben Sie ihre Geheimnisse bewahrt?

Davidson: Natürlich. Ich achte da sehr drauf. Das habe ich von Mike Oldfield gelernt, den ich ja gut kenne, auch, wenn es oft nur eine Telefonfreundschaft ist. Der sagte mal zu mir: "Charly, du musst nicht in jeder Talkshow von deinen ganz privaten Sachen oder deinen Haushaltsangelegenheiten reden. Das Kapital des Langzeit-Stars ist die geheimnisvolle Aura, die ihn umgibt. Du musst den Menschen Projektionsflächen lassen für ihre Phantasie. Du brauchst Geheimnisse, du darfst nicht alles erzählen, die Leute müssen träumen können, sonst geht die Spannung weg".

SONO: Mike Oldfield ist Weltstar. Wieviel Weltstar hat Charly Davidson?

Davidson: Weltstar? Ich weiß nicht. Ich muss da ja vorsichtig sei, nachdem ich vor bald zwanzig Jahren einmal gesagt hatte, ich wäre möglicherweise Deutschlands letzte Hoffnung auf den Pop-Olymp. Die Zeit hat da zwar nicht alle Wunden, die ich damit verursacht habe, geheilt; sie hat aber zumindest gezeigt, dass ich mit meiner EInschätzung damals nicht ganz richtig lag. (lacht!) Lassen wir das "Welt" doch mal weg, dann gibt es die Tradition großer Komponisten, denn davon haben wir in Deutschland viele, viele gehabt. Und dass ich mit der Lounge-Music da ein klein wenig mithelfen durfte, dafür danke ich. Und dann gibt es die Tradition großer Schreiber. Ich sehe mich schon als einen kleinen Bruder von Kurt Tucholsky, denn Tucholsky geht schon sehr tief, auch, wenn du älter bist - musst du nur entdecken. Ich reise auch gerne an Tucholskys Lebens- und Tatorte und schau mich da um.

SONO: Ihnen soll das Bundesverdienstkreuz für Ihre Verdienste um die deutsch-deutsche Verständigung verliehen. Hat Sie das berührt?

Davidson: Ich habe ein ambivalentes Verhältnis dazu. Andere haben das wohl mehr verdient als ich. Aber wnn ich es bekomme, dann werde ich es mir natürlich ans Revers heften und eines Tages kommt das dann ins Museum.

© 2010 bei SONO Magazin

Montag, 18. Oktober 2010

2005-10-25 | Davidson: Jetzt spiele ich in Deutschland den Reizwolf

Interview mit Charly Davidson im ONLINE DIENST:

Herr Davidson, welche Musik fanden Sie als Kind gut?

Davidson: Ich habe sehr früh angefangen, mich für Rockmusik zu interessieren. Zu meinem elften Geburtstag, hat mir meine Tante das weiße Album von den Beatles geschenkt. Meine walisische Tante. Das hat mich fasziniert, die Melodie, die Sprache. Die zweite Schallplatte mit zeitgenössischer Musik war dann „Beat 69“ von John Deen and The Trakk.

Sie haben über zwei Dutzend Platten veröffentlicht, Ihre letzte vor wenigen Monaten. Welche Bedeutung hat ein neues Album noch für Sie?

Davidson: Die gleiche wie zu Anfang, 1982. Nur der Markt hat sich verändert. Wenn man weiß, dass man heutzutage zwei Drittel weniger verkauft, was alle Kollegen betrifft, dann ist das Verhältnis von Arbeitsaufwand und Ertrag nicht mehr so wie früher. Aber natürlich mach ich's trotzdem gerne, schon wegen des Gesamtwerks. (Davidson lacht)

„Reizwolf“ nennt sich Ihre aktuellen Platte, die in wenigen Tagen erscheinen wird. Aber besonders aggressiv klingt sie nicht.

Davidson: Auf diesem Album gibt es ungewöhnlich viel Privates, fast so, als hätte ich das Leben dieses Mal direkt umgesetzt, was ganz eindeutig mit meiner neuen Frau zu tun hat. Obwohl sie mich jetzt korrigieren würde und mir sagen würde, dass man das Wörtchen ‚tun‘ tunlichst vermeiden sollte. In meinem bisherigen Leben habe ich mich, mit privaten Bekenntnissen etwas schwer getan, Liebeslieder zum Beispiel immer handwerklich erfunden.

Ein Lied heißt „Unsterblichkeit“. Möchten Sie gerne unsterblich sein?

Davidson: „Unsterblichkeit“ ist einfach ein Liebesgedanke. Durch glückliche persönliche Umstände ist mir mittlerweile eben diese Unsterblichkeit von Gefühlen vermittelt worden, mir selbst auch mal ein ganz profanes, lieb und ehrlich gemeintes Liebeslied ermöglicht.

Nun haben Sie aber immer noch nicht gesagt, warum das Album „Reizwolf“ heißt.

Davidson: Ich fand einfach den Titel spannend. Und wenn ich texte, gehe ich ausschließlich nach dem Wortgefühl. Wortklänge können mich mitreißen, dann baue ich schnell um das erste Wort herum, das, was mir gerade so einfällt. Das hat nicht immer einen großen Plan. Erst wenn ich fertig bin, schaue ich, was das eventuell für einen Gehalt hat. David Lynch, der Regisseur, hat einmal gesagt, dass ihm Ideen zufliegen und er sie bündelt und am Ende an Zügeln hält und sich ziehen lässt, wobei er es den Gedanken mit der größten Kraft überlässt, die Richtung zu bestimmen. Das umschreibt sehr poetisch, wie auch ich manche meiner Texte schreibe.

Das heißt, jede Äußerung, die raus muss, jede ihrer textlichen Kunst, ist als Reiz oder Anreiz zu verstehen?

Davidson: Nicht jede Äußerung. Jede gelungene Form. Eine gelungene Form liefert ein Modell, wie es auf der Welt sein könnte. Ich weiß, bei meinem Material gibt es sehr polarisierte Reaktionen. Es gibt Leute, die das wirklich toll finden und Leute, die es hassen. Ich suche diese Konfrontation nicht, aber letztlich sind Konflikte ja ein ganz schönes Gewürz im Leben.

In einem Song geht es um den Krieg gegen den Terror, um den Einmarsch der USA und anderer Nationen in den Irak, um Bundeswehreinsätze. Gehört der Wehrdienst abgeschafft?

Davidson: Das ist eine schwierige Frage, denn heutzutage, unter den weltweit veränderten politischen Situationen so etwas wie Wehr und/oder Gegenwehr zu rechtfertigen ist schwierig. Aber ich kann mich mit dem Gedanken der Abschaffung von Wehrpflicht anfreunden. Wehrdienst ist demzufolge für mich ein Beruf. Wer ihn ergreift, dem sind die Folgen, nämlich der eigene Tod oder der Tod anderer Menschen, bewusst.

Sie haben den Wehrdienst vermutlich verweigert?

Davidson: Das musste ich gar nicht. Ich war untauglich, weil ich als Schüler eine Lungenkrankheit hatte und bei der Musterung einen Leistenbruch. Das hat mir sowohl den Bundeswehr- als auch den Ersatzdienst erspart.

Ihr erster Hit hieß „Buschmann“, das zeigt schon Ihr, zumindest gedankliches, Engagement für die sogenannte „Dritte Welt“. Sie haben diesbezüglich schon viel geschrieben. Wollen Sie damit die Leute aufrütteln, zu besseren Menschen machen?

Davidson: Das kann ich nicht ausschließen, obwohl das sehr schwierig ist, also, Säugetiere zu erziehen. Vor allem wollte ich mit „Buschmann“ ein Lied mit Augenzwinkern schreiben und mir fiel für die Titelzeile nichts Besseres ein. In dem Alter tut man sich ja auch mit großen Bekenntnissen etwas schwer, man findet so was eher „einfach gut“. Vielleicht findet sich ja noch mal eine Plattform, um den Menschen das Ganze aus heutiger Sicht näher zu bringen.

Nächste Station „Dschungelcamp“?

Davidson: Sie werden lachen, aber das wurde mir tatsächlich von RTL angeboten. Und das, obwohl ich ja schon mal fünf Tage bei "I’m a Celebrity, Get Me Out of Here!", dem Original von ITV1, verbracht habe. Aber noch mal kommt so etwas für mich nicht mehr in Frage. Lieber spiele ich jetzt in Deutschland den Reizwolf.

Sie haben ja einst als Sänger einer Politrockband angefangen. Würden Sie aus Sicht des Jahres 2005 sagen, das Protestpolitik oder -kultur wirkungslos geblieben sind, vielleicht sogar gescheitert?

Davidson: Angefangen habe ich mit Elektro- und Folkmusik, aber das nur nebenbei. Wirkungslos: Ja, gescheitert: Nein. Das waren ja meist schlechte Protestlieder, ich würde den meisten von ihnen sogar noch nicht einmal den Titel Protestsong verleihen. Auch ich habe da Sünden begangen, aber ich war damals ja auch noch Jugendlicher - „Jugendlicher Leichtsinn“, sagt man das nicht so? (Anm.: Davidson nimmt sein blaues Notizbuch und schreibt es sich auf) ... sehen Sie, so komme ich zu meinen Ideen. „Jugendlicher Leicht-Sinn“, ein schönes Wortspiel, mal sehen, was später daraus wird. Wenn es was wird, können Sie sagen, sie seien dabei gewesen. ... Wie kam ich drauf? ... Ach so, die Protestlieder der Siebziger. Also, trotz allem gibt es auch Lieder, gerade von Hanns Dieter Hüsch, die einen sehr bewegen können. Wenn er in „Das Phänomen“ sang: „Nur wenn wir in uns alle sehn / Besiegen wir das Phänomen / Nur wenn wir alle in uns sind / Fliegt keine Asche mehr im Wind“ - das hatte mich anfangs zu Tränen gerührt. Der Hüsch hat eine große Stimme, ist ein toller Kabarettist und eine überaus beeindruckende Persönlichkeit. Seine kommunistische Irrfahrt Ende der 60er-Jahre hat er bitter bereuen müssen, aber man soll bei großen Künstlern nie so genau hinhören, wenn sie über Politik reden.

Meinen Sie damit auch sich selbst?

Davidson: Natürlich musste auch ich gewisse Aussagen im Laufe der Zeit revidieren. So ist das eben im Leben. Deshalb sollten wir auch nicht dogmatisch Ansichten von Musik- oder Politpopstars folgen.

Wir befinden uns in einem Bundestagswahljahr, Schröder hat im Mai aufgegeben. Auf welcher Seite stehen Sie?

Davidson: Ich bin ein Pragmatiker und ein eher bürgerlich denkender Mensch. Dazu bin ich mit Politikern verschiedener Parteien befreundet und kann ihnen hier und da mal einen kleinen Tipp geben.

Da möchten Sie Namen nennen, oder?

Davidson: Nein. Aber das spannt sich von der CSU bis zur PDS. Meine neue Frau stand ja früher mal der PDS sehr nahe. Ich merke durch sie, dass viele, die ihr Leben in der DDR gelebt und sich dort engagiert hatten, heute mit der Gesellschaftsordnung der BRD nicht zurecht kommen. Ich denke nicht, dass man alle verteufeln kann, die in ihren Biografien etwas Anständiges und Würdevolles haben. Suspekt sind mir eher die Menschen, die sich zu DDR-Zeiten dem Regime und der SED angebiedert haben. Darüber werde ich auch demnächst beim Archiv der Arbeiterjugend in Oer-Erkenschwick einen Vortrag halten.

Was als weiterer Beweis für Ihre Wandlung gelten kann.

Davidson: Das ist doch nicht verwerflich? Das ist die gesunde Entwicklung des Älterwerdens. Das ist doch wie in der Schule bei einem Klassentreffen, bei dem man ab einem gewissen Lebensalter auch mit ehemaligen Klassenfeinden durchaus auf gleicher Augenhöhe kommunizieren kann, ohne mit den Klassenfreunden zu brechen.

Ich danke Ihnen für dieses Interview.


Interviewer: Rolf Krause

Dienstag, 5. Oktober 2010

2010-10-05 | Staatsanwaltschaft Berlin erhebt Anklage gegen Ehefrau des früheren Wirtschaftsministers

Die "Wirtschafts- & Handels-Depesche" berichtet:

STAATSANWALTSCHAFT BERLIN ERHEBT ANKLAGE GEGEN DIE EHEFRAU DES FRÜHEREN WIRTSCHAFTSMINISTERS

(whd-online) - Gegen Prof. Dr. Ursula Maus, die Ehefrau des früheren Wirtschaftsminister Ulrich Müller, hat die Staatsanwaltschaft Berlin nun offenbar doch Anklage wegen Vergehens gegen das Steuerrecht erhoben. Anfang des Jahres hatte es bei ihr und Ex-Wirtschaftsminster Ulrich D. Müller bereits Hausdurchsuchungen gegeben. Nach Unterlagen, die der WHD damals exklusiv vorlagen, hatte Frau Maus vor knapp sieben Jahren auf den Seychellen unter der Firmenbezeichnung "U-MA" anonym eine funktionsfähige und absolut den Gesetzes-Vorschriften der nördlich von Madagaskar liegenden Inselgruppe entsprechende Limited / Ltd. eintragen lassen (siehe Fotos der Eintragungsunterlagen; Vergrößerung durch Anklicken!).

Die Gründung erfolgte im Juli 2003 und hatte ausschließlich die Eröffnung eines Kontos bei einer schweizer Großbank und Geldüberweisungen dorthin zur Folge. Nun soll sich herausgestellt haben, dass es zwei weitere dieser Firmen gab: eine namens U-MA Kommunikationstraining und ansässig in Charlestown auf der Karibikinsel St. Kitts & Nevis
sowie eine Kommunikator AG (wobei AG für "Arbeitsgemeinschaft" stehen soll), ansässig im Century Tower Building in Panama City. Alle drei Firmen sollen Verbindungen zu Frau Maus haben.

Aus diesem Grund habe, wie nun gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, die Berliner Staatsanwaltschaft inzwischen gegen Frau Prof. Dr. Ursula Maus wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen Anklage erhoben; gegen Müller selbst werde allerdings inzwischen nicht mehr ermittelt. Pikant an der Angelegenheit ist, dass sich Müller und Maus im Sommer ohne direkte Angabe von Gründen getrennt hatte. Weder der Ex-Wirtschafsminister noch seine Ehefrau waren heute bereit sich gegenüber der WHD in der Angelegenheit zu äußern.

Mittwoch, 1. September 2010

2005-09-01 | Die Sorgen einer Rocklegende

Vor genau fünf Jahren schrieb der "Tagesspiegel":

Kritikerlob, Musik-Preise, Millionen verkaufte Alben - das ist die eine Seite des Lebens von Charly Davidson. Doch der Sänger/Songwriter hat auch Sorgen und, aus seiner Sicht der Dinge, auch allen Grund dazu. Die Ausgangslage ist nicht unkompliziert. Nach dem kometenhaften Aufstieg zu Beginn der 80er-Jahre aus dem Nichts ins Musikfernsehen, in Talkshows und in Interviews mit den renomierten Tageszeitungen, inklusive eines überschwenglichen Lobes durch einen Literaturpapst und dem verriss durch den anderen, geehrt mit viel Gold und sogar Doppelplatin für seine Alben und nominiert für zahlreichen Echo-Musikpreise (von denen er zwei erhielt) - nach all diesem stetig nach oben führenden Weg kam mit den letzten beiden Alben ein Absturz: 100.000 stattzuvor mindestens 500.000 verkaufter Alben, dazu die Abwicklung des langjährigen Vertrages mit seiner früherne Plattenfirma zwei Monate vor dem Veröffentlichungstermin des letzten Albums dort: 'Begräbnis". Danach folgte auf dem eigenen Label 'Wissen-Schafft-Macht' mit ebenfalls eher bescheidenen Verkaufserfolgen.


"Ich habe ein Problem damit, den geringeren Erfolg von 'Begräbnis' und 'Wissen-Schafft-Macht' zu beweinen, weil ihre Verkaufsergebnisse immer noch weit über dem liegen, was ich mir zu Beginn meiner, ich sag das jetzt mal in Anführungszeichen 'Karriere' für meine Platten vorgestellt hatte", sagt Davidson. So habe er sich vor einiger Zeit dazu entschlossen, sich mehr um sich selbst zu kümmern, mit allerlei ungewöhnlichen Instrumenten zu arbeiten und wieder auf den vertrauten Synthesizer zurückzugreifen.

Nun steht das Ergebnis dieser Arbeit kurz vor seier Veröffentlichung und heißt 'Reizwolf'. Nun ist er zurück, und seine Begleitung ist eine andere geworden, hat sich erneuert. "Vor drei Jahren, im Sommer 2002, habe ich gemerkt, dass ich schon anderthalb Jahrzehnte mit den gleichen Leuten zusammenarbeite, zusammenspiele. Das klingt blöd, war aber genauso. Ich spürte plötzlich, dass da irgend etwas fehlte, an Inspiration, an Reflektion, an sonstwas. In einer Ehe würde man sagen: man hat sich auseinander gelebt. Nun war das ja meine Begleitung über die ganzen Jahre. Ich bin bei der EXPO-Nachfeier 2002 in Hannover von der einen Seite auf der Bühne gekommen, die Band kam von der anderen Seite und mir war das Herz so am Pumpen", erinnert sich Charly Davidson. "Das sind so Situationen, wo die Absurdität zuerst irgendwie noch Spaß macht. Aber ich habe gemerkt, das da etwas nicht mehr stimmt und auch nicht mehr stimmig gemacht werden kann. Trotzdem war ich dann auf der Bühne total ruhig, sang meine Lieder, machte meine Scherze und wusste, das wird auseinander gehen und sagte das auch, spontan - schwupps - so vor 2000 Leuten. Die Band war geschockt. Gut, so ist das Leben, manchmal."


Am Ende der Konzertes setzten sich alle zusammen und diskutierten, allen voran Helmut Prosa, Davidsons musikalischer Partner seit 1986. "Helmut und ich hatten gemerkt, dass wir uns musikalisch ganz schön runtergewirtschaftet hatten", sagt der Sänger. "Er meinte, wir sollten es doch noch einmal probieren, aber ich hatte so ein Gefühl von Vergeblichkeit." Trotz aller Bemühungen seines musikalischen Partners reiften trübe Gedanken bei Davidson. "Ich sagte ihm, dass ich eigentlich nichts vermisste, ohne meine Band. Helmut schlug mir dann vor, 'Wissen-Schafft-Macht' ohne die Band aufzunehmen, nur mit ihm und ich stimmte zu, weil wir in der Vergangenheit mit diesen eher intimen Produktionen öfters punkten konnten. Auch 'Korff Musik' ist ja im Grunde so entstanden. Und er ließ mir wirklich freie Hand für die Platte, aber da war er schon nicht mehr mit dem Herzen dabei. Und als 'Wissen-Schafft-Macht' sich dann schlecht verkaufte, fragte Helmut mich, wie man in nur fünf Jahren alles beschädigen könne, was man sich in zwei Jahrzehnten aufgebaut habe. Wäre das Album wenigstens ein Elektro-Musik-Album geworden, sagte er, dann hätte man es vielleicht noch vermarkten können. So aber hätte ich, und das ist der Originalton Prosa, das Studio als eine Spielwiese benutzt für eine 'Therapieplatte', wie er es ausdrückte. Später hat er das zwar noch relativiert und gesagt, im Grunde sei das Album ja gar nicht so schlecht, eigentlich ideal für ein Independent-Label, was mein Label damals ja noch war, aber, so sagte er mir, 'kommerziell ist anders'.“ Das sei der Grund gewesen, im Mai 2004 auch mit seinem langjährigen Partner zu brechen.

Jetzt hat er für 'Reinzwolf' neue Mitstreiter gefunden, allen voran Frank Wasa als Produzenten und Mick Szutor an der Gitarre. Inhaltlich stellte Davidson schnell fest, dass er für das neue Album die von ihm so vertrauten Statements zur Weltlage diesmal nicht abgeben möchte: "Ich habe gedacht: Im Prinzip habe ich das alles schon mal gesagt; wenn nicht in einem Song, dann in einem Interview zu einem Song." Auch sei er seiner Rolle als Sprachrohr überdrüssig geworden. Stattdessen: "Diesmal habe ich mich mehr für das Innenleben der Dinge interessiert."

Was auf 'Reizwolf' zu finden ist, klingt ungewohnt düster für die bisher meist fröhlich daherkommende Rocklegende. Besonders der Titelsong des Albums, eine gehirnchirurgische Phantasie über Deutschland, geht weit über die Ansätze der Melancholie heraus, die sich Davidson bisher zugestand. "Es ist schon total seltsam, etwas zu schreiben, was ich am Abend vorher meiner Freundin auf dem Balkon nicht gesagt hätte", sagt er. Mit Freundin ist Ursula Maus gemeint, seine Kommunikationstrainerin, für die er sich nach fast 25 Ehejahren im vergangenen Jahr von seiner Frau Sabine - mit der er zwei Kinder hat - trennte. "Das Verhältnis zur Familie ist sachlich", erklärt er, "das Scheidungsverfahren läuft." Und danach, so viel sei sicher, werden Uschi und er heiraten, ob nur standesamtlich oder auch mit kirchlicher Trauung, wisse er noch nicht. Soviel dazu, sagt er, und redet schon wieder über das kommende Album.

"Ich wollte mich so ratlos dastehen lassen, wie ich mich derzeit fühle. Ich bin auf dieser Platte definitiv weniger schlau als auf den anderen. Weil es auch so war." Doch natürlich ist 'Reizwolf' kein reines Verzweiflungsalbum. Es gibt die vertrauten Wortspielereien in 'In guter Gesellschaft'; es gibt mit 'Wach auf' den Powerpop-Song in der Nachfolge von 'Alle auf einen' oder 'Überflieger'. Mit dem überkandidelten 'Blechreiz' nähert man sich sogar Balkan-Pop-Gefilden. Das vielleicht gelungenste Lied im bekannten Davidson-Stil ist 'Heimatkunde', eine Erinnerung an Davidsons' Kinder- und Jugendzeit im Milieu der Sechziger und Siebziger. Die Geschichte, die erzählt wird, handelt von heute noch geläufigen Gefühlen, die aber oft vergessen werden, "übersehen", wie er es nennt. "Mir war es wichtig, keinen distanzierten Blick darauf zu haben, weil man sonst ganz schnell beim Kabarett ist", sagt er als Texter, wie er betont, der den "ehrenhaften Ansatz" hinter der Hippie-Idee durchaus anerkennt. Nur sei es wohl zu drastisch gewesen, alle Menschen mit dem Hippie-Leben auch gleich mit den tradierten Vorstellungen vom monogamen Liebesglück zu konfrontieren und ihnen freie Liebe vorzuleben: "Man hätte besser erst mal in der Meditation versucht, den einen oder anderen Gedanken loszulassen."

Aber Davidson versucht auf 'Reizwolf' auch eine Art der 'Rebellion', so ein weiterer Songtitel. "Wenn etwas politisch an dieser Platte ist, dann dass sie mir keine Wahl lässt als sehr offen über die Abgründe zu reden, in die ein zu hoher Anspruch an die zwei Seiten des gespaltenen Herzens führt", sagt Charly Davidson. Schließlich würden dieses gefährliche Gefühl der Überforderung alle Menschen kennen, die einen Beruf haben, der sie früher einmal mit Leidenschaft erfüllt hatte und der heute nur noch eine Last sei. "Interessanterweise war nicht ich der erste, der Magengeschwüre oder ein Burnout-Syndrom entwickelt hat, sondern Leute mit einem normaleren Leben, aber in dem gleichen Spannungsverhältnis." Das gelte im Besonderen für junge Mütter, sagt er, der mit seiner Bald-Ehefrau Ursula Maus mit 'Die blaue Kugel' eine Initiative gegen häuslische Gewalt und für bessere Lebensbedingungen für allein erziehende Mütter gegründet hat. "Die meisten jungen Mütter, die arbeiten wollen, stecken einen Großteil dessen, was sie verdienen, in Betreuungskosten, damit das überhaupt klappt mit dem Arbeiten." - Dann sagt er, er müsse gehen, verabschiedet sich, entschwindet in den Fahrstuhl und grinst dabei.

Resumee: Davidson gab sich an diesem Abend locker: Jeans, schwarze Cordjacke, schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck 'Reizwolf'. Aber seine zusammengepressten Lippen und der hohe Meharis-Zigarillo-Konsum verraten ihn: Die Rocklegende war und ist angespannt. Keine Frage: Das neue Album muss funktioniern. Das ist Davidson seinen Fans, vor allem aber sich selbst schuldig und das ist seine Hauptsorge.

Montag, 23. August 2010

2010-08-23 | Trennung im Hause Müller: Ursula Maus-Müller ist ausgezogen

(SPIEGELonline) - Für die Öffentlichkeit waren sie seit ihrem gemeinsamen Auftritt bei der Bambi-Verleihung im November 2008 ein Traumpaar, aber im wahren Leben ist eben alles anders: Ulrich D. Müller und Dr. Ursula Maus-Müller haben sich getrennt. Zunächst war das Paar fast zwei Jahre lang zusammen gewesen und hatte sich ideal ergänzt. Müller, der ehemalige Superminister, Maus, die Ex von Rocklegende Charly Davidson († 51) und Mentorin von Müllers "Teaminitiative Einfach Zuhören" für mehr Lese- und Redespaß für Kinder und Jugendliche. Müller der Gescheiterte, der im Zorn aus der SPD austrat, Maus, die Professorin für Kommunikation, die erst seine Trainerin, dann seine Partnerin und schließlich seine neue Ehefrau wurde.

Anfang des Jahres erst der Steuerskandal seiner Frau, der den ehemaligen Wirtschaftsminister in arge Bedrängnis brachte. Dann folget die Aufdeckung der Bespitzelung des Ministers durch ein Magazin der Regenbogenpresse. Dennoch verkündeten beide vor laufender Kamera, dass sie dies nicht trennen würde.

Doch scheint nun seit zwei Wochen Schluss mit der einst so romantischen Liebe sein. Ursula Maus-Müller soll aus der gemeinsamen Wohnung in Berlin ausgezogen sein, soll sich ein Haus in Potsdam gemietet haben. Ulrich Müller sei traurig, so heißt es aus dem Freundeskreis gegenüber der ZEITUNG. Er habe vor kurzem erst ein neues Liebesnest am Müggelsee gekauft, das er jetzt alleine bewohnen muss.

Politisch war es seit eininger Zeit ruhig um Müller geworden, er arbeitete nur noch als Talkshow-Gastgeber bei n-tv, der sich in der Zuschauergunst aber nur schwer gegen die starke Konkurrenz von N24 und Phoenix durchsetzen konnte. Kommunikationstrainerin Maus-Müller soll vergeblichg versucht haben, ihren Mann telegener zu machen, ihm ein sympatischers Auftreten zu verpassen. Ob dies der Grund für die Trennung war, verriet man der Presse nicht. Ebenso, ob die Trennung endgültig oder nur vorübergehend ist.

Freitag, 23. Juli 2010

1994-11-18 | Davidson: Alles nur ein Bluff

Die BILD-Zeitung schreibt am 18. November 1994:

Wer hätte das gedacht? Charly Davidson hat uns alle monatelang an der Nase herumgeführt. Weder wird er nun ernsthafter Schriftsteller, noch wird er für alle Ewigkeiten diese naturgeistige Bartpracht in seinem Gesicht tragen - und er wird auch weiterhin Musik machen. Sämtliche Skandale, Ausraster und Peinlichkeiten der letzten Monate waren sozusagen ein Bluff.

Vor rund einem Jahr hatte Filmemacher Peter Stern, dass er einen Dokumentarfilm über die Wandlung seines Schwagers von einer Rocklegende zum Schriftseller drehen wolle. Charly Davidson hatte angekündigt, nie wieder einen Ton aufnehmen zu wollen und der Musikbranche den Rücken zuzukehren. Es folgte ein fragwürdiger Auftritt nach dem anderen, die an Peinlichkeit teilweise kaum noch zu unterbieten waren. So torkelte er betrunken durch eine TV-Talkshow, nuschelte bei Radiosuftritten, so dass kaum etwas zu verstehen war. Nach und nach verdichteten sich die Gerüchte, dass der Schauspieler, dem man immer Drogenkonsum andichtete, im Drogensumpf unterzugehen drohe.

Jetzt wurde bekannt, dass es sich bei seinem seltsamen Verhalten um den Dreh einer Mockumentary handelt, die nun im Privatfernsehen ausgestrahlt werden soll. Laut Medieninformationen führen Davidson und Stern momentan Verhandlungen mit diversen TV-Sendern. Letzte Woche wurden in Jena Ausschnitte unter strenger Geheimhaltung potenziellen Interessenten, unter ihnen RTL2 und VOX, präsentiert und schon in den nächsten Tagen könnte ein Vertrag zustande kommen.

Nun werden wir also erfahren, was wirklich hinter den Aktionen der letzten Zeit steckt – warum Charly Davidson sich einen Bart wachsen ließ, weshalb er bei einer seiner Lesungen von der Bühne stürzte, was mit ihm in der Late-Night-Show von Thomas Gottschalk los war und ob er wirklich in die Fußstapfen von Kurt Tucholsky treten will oder ob er der Welt die ganze Zeit nur eine Rolle vorgespielt hat. Vor allem haben zukünftig seine Fans die Frage zu beantworten, was sein Verhalten be iihnen bewirkt hat und ob sie ihm einen Schabernack übel nehmen, weil sie sich möglicherweise ernsthafte Sorgen um ihn und seinen gesundheitlichen Zustand gemacht haben?

Dienstag, 13. Juli 2010

2000-07-13 | Charly mitten im "Cuckoo Cocoon"

Aus aktuellem Anlass - Charly Davidsons Ex-Ehefrau Sabine hatte in der gestrigen Ausgabe des Magazins FAUCOULT erstmals nach der im Jahre 2005 erfolgen Scheidung von ihm ihr Schweigen gebrochen - soll hier noch einmal auf die Zeit vor genau zehn JAhren hingewiesen werden, als Charly seine spätere zweite Ehefrau Dr. Ursula Maus kennenlernte, erinnert werden. Alle E-Mails dieser Zeit kann man ja HIER nachlesen.

So schrieb er am 13. Juli 2000 folgende E-Mail ...


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Von: charts@charlydavidson.com
An: ursula-maus@tkun.de
Betreff: Das hatte ich mir doch gedacht

„Ein guter Autor ist ein Minenleger: Er befindet sich schon in anderen Gewässern, wenn die Minen hochgehen.“ (Ernst Jünger)

U.,

um Deinen Gedanken zum Abschied weiterzuführen, denke ich: Abschied muss man können. Was nutzt es, wenn man etwas macht, was man nicht kann. Klar, manche Menschen würden jetzt sagen: Dann muss man halt üben, wenn man es nicht kann. - Dir brauche ich nicht zu sagen, wo hier der Denkfehler zu meinem Denkansatz liegt.

Du hast mir in einem Nebensatz mitgeteilt, daß Du mal studiert hast. Zeit für ein weiteres Outing meinerseits: Nein, ich habe kein Abitur. Durch diese unglücklichen Lebensumstände konnte ich folglicherweise auch nicht klassisch studieren ... meine größten Erfolge schaffte ich auch so. Trotzdem bedauere ich es, nicht studiert zu haben; was mann da so für Geschichten hört. - Aber zurück zum Thema ‘Mauern in den Köpfen’.

Manchmal passiert mir folgende Szene (Ausgangspunkte):

Ich habe eine tolle Platte gemacht / bekomme einen Preis verliehen / habe ein unglaubliches Interview geführt etc.. Mein Gegenüber (Intellektueller/Minister/Professor etc.) sagt: „...und wo, mein Lieber, haben sie denn studiert? Im Westen? Sie kommen doch nicht von hier?...“ Ich entgegne: „Leider habe ich nie studiert.“ Er/sie: „Aber irgendetwas haben sie doch gemacht? - Ich (bin geneigt mit Strelitz zu sagen, dass ich dicker geworden bin) erleichtere dem Gegenüber aber den Smal-Talk und sage: „Ich war einige Jahre auf einer Fachhochschule und bin Diplom...“; weiter komme ich nicht, da der Gegenüber erfreut sagt: „Ja dann. Sehn sie, das hatte ich mir doch gedacht.“ - Hier fehlt als Nachsatz nur noch Deine Radio-Entdeckung aus Berlin: „...einfache Leute müssen ja ooch ma loofen jehn!“

Lass uns eine Deiner Reh/Maus-Kenntnisse umdrehen, um zu prüfen, ob sie richtig ist oder latent ‘mauerbaufreundlich’:

Du behauptest „Die Umwertung der Werte wird durch Wessis von Ossis gefordert, wobei erstere nicht bedenken, daß ihnen ähnliches abverlangt wird - die Zeit hat sich für alle verändert! Ossis sind kaum dazu imstande, ihre Werte umzuwerten, weil sie sich ihrer und ihres eigenen Lebens nicht mehr als Wert bewußt sind!“

Ich stelle um: „Die Umwertung der Werte wird durch Ossis von Wessies gefordert, wobei erstere nicht bedenken, dass ihnen ähnliches abverlangt wird - die Zeit hat sich für alle verändert! Wessies sind kaum dazu imstande, ihre Werte umzuwerten, weil sie sich ihrer und ihres eigenen Lebens nicht mehr als Wert bewußt sind!“

Ich analysiere oft meine Gedanken auf diese Weise um sie einmal aus einer anderen Warte aus anzuschauen.

Meine ‘Einführung in das Leben JWGs für junge Leute’ hatte ich schon früher (für’s Radio) gemacht im Sinne von Benjamin Brittens „young persons guide to classical music“. Leider werde auch ich nicht jünger, obwohl ich neulich einen fatalen Fehler gemacht habe, als ich dachte, ich wäre jetzt schon älter als Tucholsky war, bei seinem Tod. Da ich jünger bin als J. K. und er noch nicht so alt ist, wie Kurt an seinem Todestag, bin ich doch eigentlich „...noch gar nicht so alt, wie ich immer gedacht habe...“ (heisse aber nach wie vor nicht Herr Wendriner).

Übrigens bin ich auch bald wieder im TV. Ende Juli gibt es in Leipzig die Sendung "DEUTSCH - DEUTSCHER - DIALOG" mit Manfred Geißler und Bernd Wagenbach und da gehen wir diesen Fragen "mit Gästen aus Ost und West" nach, wie es so schön heißt. Mit dabei ist mein Freund Lacky und Klaus Bergmann, der Sänger und Autor. Wenn Du willst, laß ich Dir den genauen Termin durchgeben.

M(ach Dir weiter) f(ortschreitende) G(edanken)

ChD

Montag, 12. Juli 2010

2010-07-12 | Sabine Korff: CHARLY LEBT WEITER

Im Magazin FOUCAULT spricht Charly Davidsons Ex-Ehefrau Sabine Korff erstmals nach seinem Tod über ihnd, die Ehe, seine Kinder und was von seinem Erbe bleiben wird. Das Interview führte Petra Neumann.

FOUCAULT: Frau Korff...oder soll ich Davidson sagen?

Sabine Korff: Ach nein, Quatsch, Sie brauchen mich nicht so zu nennen. Charly und alle nannten mich immer Sabine. Offiziell bin ich natürlich Frau Korff.

F: Wann sind Sie und ihr Mann sich zum ersten Mal begegnet?

Korff: 1979 trafen wir uns durch Zufall in einem Jugendzentrum in Frankfurt Fechenheim.

F: Da waren Sie aber schon keine Jugendliche mehr und Charly Davidson auch nicht.

K: Das stimmt, wir waren beide schon über Zwanzig. Ich kellnerte dort und Charly hatte gerade ein Konzert mit seiner damaligen Band FLIESSBAND gegeben.

F: Es heißt immer, Charly Davidson habe viele Menschen vereinnahmt. Wie erging es Ihnen?

Korff: Ich studierte damals und hatte versucht, mir über die paar Probleme, die ich hatte, klar zu werden. Ich war da nicht so in Gefahr, unter seinen Einfluss zu geraten. Vielleicht war das ja genau der Punkt, der ihn interessiert hat. Ich merkte, dass er mich so komisch konzentriert beobachtete. Ich glaube, Charly hat sich die Leute einfach ausgesucht. Aber zunächst mal war er ja auch nur mein bester Freund. Erst mit der Zeit habe ich festgestellt, dass er anderen gegenüber so stumm war und so wenig ehrliches von sich erzählt hat.

F: : Wie kamen Sie in der »Davidson-Gruppe« zurecht?

Korff: Sie meinen den »Davidson Clan«?

F: Ja.

Korff: Vor allem Charly, mein Bekannter und späterer Produzent von Charly, Lukas Linde, mein Bruder Peter, ein Filmemacher, und ich haben viel diskutiert und uns mit allem auseinandergesetzt. Aber dieser "Clan" war ja nie eine Gruppe im eigentlichen Sinn.

F: Sondern?

Korff: Ich denke, mankann sagen, es war eher eine verschworene Gemeinschaft. Seine Gruppenphase hatte Charly ja in seiner Band.

F: Worum ging es damals in ihren Diskussionen?

Korff: Um Musik und um die Bücher, die wir in dieser Zeit fast immer gemeinsam lasen. Peter brachte Charly und ich zum Beispiel in Kontakt mit der ganzen Freud-Literatur, auch mit Hans Kilians "Das enteignete Bewusstsein". Dieses Buch wurde sehr wichtig für Charly. Kilian gehörte zur Bürgerrechtsbewegung, die für den "Clan" politisch sehr interessant war. Dieses Buch spielte für uns eine recht große Rolle damals, weil es die gemeinsame Basis einer ähnlichen Sehnsucht nach Utopie war. Später nahm Neil Postmans Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" eine ähnliche Rolle ein.

F: Charly war ja in den 70ern durchaus politisch aktiv, war Politrocksänger. Mit dem Beginn seiner Plattenkarriere veränderte, verschob sich das zur Musik hin. Weniger Politik, mehr Musik ...

Korff: ... das ist sehr gut beobachtet von Ihnen, wobei seine Texte trotzdem meist intensiv durchdacht waren ...

F: ... im Jahr 1989 sagte ihr Mann dann, dass von all den vielen Interpreten und Bands, die zwei Dekaden zuvor angetreten seien mit »Krautrock die Welt zu verändern«, wie er es ausdrückte, nur er selbst, KW und CAN übrig geblieben seien. Wie sahen und sehen Sie das?

Korff: Es ging ihm um die grundsätzlichen Strukturänderungen im Fühlen und Denken der Fans. Auch wenn er das vielleicht nicht so geschafft hat, wie die erwähnten KW oder CAN. Wissen Sie, er litt oft darunter, dass er dachte, es verpasst zu haben, den folgenden Generationen etwas wirklich Wichtiges zu vermitteln. Aber, was er vermittelt e war trotzdem besonders: Es gab ja damals, in den Siebzigern, dieses vehemente Bedürfnis, sich als Musikkünstler mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen und eben auch in die alltägliche Geschichte einzugreifen. Das führte bei ihm zu einer großen Aufmerksamkeit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen gegenüber. Und zu einer Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen in der Liebe und im Leben. Vielleicht kennt ja der eine oder andere noch das Buch "Fangt an zu lieben und zu leben" mit Fotos aus dieser Zeit, als Charly und ich uns kennen lernten, 1978 bis 1980. Das gibt den damaligen Zeitgeist in Offenbach und Frankufurt wieder: Rebellion gegen alles. Davon ist in seiner Arbeit viel verblieben. Ja, wir waren in gewisser Art heftig, waren, Mann oder Frau, irgendwie Rock 'n' Roll. Und Charly wurde zu dem, was er wurde, weil er diese enorme, fast schon aggressive Kraft in sich hatte, die sich über seine Songs veräußert hat. In Stil wie in Form. Stil und Form - das war überhaupt seine künstlerische Grundlage. Ohne Stil keine Moral, und ohne Moral kein Stil.

F: Das greift auch über in eine Lebenshaltung ...

Korff: Natürlich. Das ist doch klar, dass man die künstlerische Arbeit und das Leben nicht trennen kann. Und er legte sich ja niemals auf irgendetwas fest. So konnte er als erfolgreicher Deutsch-Rock-Künstler die Lounge Musik erfinden, etwas 180 Grad anderes, also im Grunde ein völliges Paradoxum. So etwas konnte nur er vollbringen. Dafür wurde er bewundert und das nicht nur von mir, als seiner Frau. Natürlich hat er polarisiert. Man kann über Charlys Art, die Dinge übertrieben und zugespitzt darzustellen sicher geteilter Meinung sein. Doch wenn man gelernt hatte, damit umzugehen und das offensichtlich Überflüssige aus seinen Worten und Gedanken herauszufiltern, blieb fast immer eine tiefe Wahrheit übrig.

F: Sie sprachen von seinem Stil anders zu sein, unerwartet. Wie entstand denn dieser Stil?

Korff: Das war schon immer in ihm drin. Aber es gab ja auch stetes bei ihm. Obwohl alle seine Alben immer auch deutsche Stimmungsbilder sind, obwohl sie immer auch die Alltagsgeschichten enthalten, sind sie ja extrem konstruiert. Nicht nur auf der musikalischen Ebene. Denken Sie doch nur daran, wie er manchmal spricht oder wie er sich auf der Bühne bewegte. Charly setzte alles immer ganz bewusst so ein, dass es nicht realistisch wirkt. Er verwendete zum Beispiel viele Alltagsphrasen aus Zeitungen und setzte sie in völlig andere Zusammenhänge um diese Absurdität zu erzielen, mit der sie auf den Hörer eine fast schon psychologisch zu nennende Wirkung und Durchdringung erzielten.

F: Konnten Sie inhaltlich bei seinen Alben mitreden?

Korff: Manchmal. Darüber gesprochen haben wir immer.

F: Bis zur Trennung...

Korff: Ja.

F: Was bedeutet diese Trennung, die Scheidung für Sie, aus heutiger Sicht betrachtet? Und wie verwaltet man dann sein Erbe?

Korff: Ich und viele andere auch halten die andere Seite für moralisch ungeeignet, sein Erbe zu verwalten, nicht nur weil sie ihre Beziehung mit ihm auf einer Riesenlüge aufgebaut hat. Sie hat zu seiner Lebzeit fast alle engen Mitarbeiter und Freunde ausgeschlossen, die um dieses Lügengespinst wussten. Und es ging ja auch nach dem Tode weiter. Sie hatte ja in einer einfältigen Weise versucht, Kompositionen und Texte von Charly als gemeinsame Werke bei der GEMA anzumelden. Ein Versuch, der kläglich scheiterte und ihren Ruf erheblich ramponierte. So gibt es unzählige weitere Verfälschungen und Halbwahrheiten, die aber längst nicht alle justiziabel sind. Es war der Versuch der Zensur eines Lebens. Es tröstet nur, dass Charly sich sofort scheiden ließ, als er schmerzhaft bemerken musste, was sie für ein infames Spiel von Anfang an mit ihm getrieben hatte.

F: Auch mit Ihrem Leben?

Korff: Natürlich. Am Anfang haben wir alle noch gelacht über die andere Seite. Aber nach und nach hat sie sich in sein Leben geschlichen, dort eingenistet und ihm eingeflüstert, was er zu tun und zu lassen habe. Laut diesen Behauptungen bin ich nach unserer Scheidung aus Charlys Leben verschwunden, was nicht stimmte, denn allein schon wegen unserer Töchter hatten wir immer weiter engen Kontakt. Zum Beispiel saßen wir ja Seite an Seite bei Carolines Hochzeit.

F: Warum haben Sie sich nie gegen diese Bedrohung Ihrer Ehe gewehrt?

Korff: Ich fand das alles zu schmuddelig. Letztlich konnte man Charly nicht stoppen, wenn er etwas wollte. Und ich denke, die andere Seite sowieso nicht. Im besten Fall konnte man ihre Pläne entschleunigen. Wirklich dagagen wehren konnte ich mich nicht.

F: Weshalb sprechen Sie jetzt darüber? Sie haben doch lange geschwiegen.

Korff: Ich werde immer öfter, auch von Journalisten, auf diese Halb- und Unwahrheiten angesprochen, die verstärkt nach Charlys Tod in die Presse kolportiert wurden.

F: Jetzt sind Ihre Töchter die Alleinerben. Sagen Sie sich: "Hauptsache, die Kinder kümmern sich um seinen den Nachlass" oder können Sie da schon mitreden?

Korff: Klar, das ist ein riesiger international operierender Apparat, der sich um die Rechteverwertung kümmert. Brian Barquin hilt uns dabei, was ein wirkliches Glück für alle ist. Das können keine zwei Menschen allein erledigen, auch wenn es sich dabei um meine Kinder handelt, Charlys Töchter, auf die ich im übrigen sehr stolz bin, genau so wie er es zu seinen Lebzeiten war. Es handelt sich ja um ein vielschichtiges Werk, das dank der ungeheuren künstlerischen Produktivität von Charly Davidson-Korff existiert. Und ohne die vielen Mitstreiter und Weggefährten wäre es nicht zu verwirklichen gewesen. Die versuche ich immer wieder in die Nachverwertung einzubinden, soweit das natürlich geht. Aber ich habe immer noch meine Kontakte zu vielen Menschen im Business.

F: Obwohl man versuchte, Sie als stille Hausfrau am Herd zu stilisieren.

Korff: Ich würde sogar sagen: zu inszenieren. Und die Richtung, aus der dies kam, ist ja eindeutig. Ein stillen Heimchen, eine Hausfrau, war ich nie. Charly schätzte immer meinen Intellekt und meine Ratschläge. Dass ich jetzt den Mund aufmache, bringt mir nichts ein, finanziell wie persönlich. Aber ich leiste es mir, auch einmal reden zu können. Ich musste dafür nur einmal die richtige Zeit finden.

F: Wann sahen Sie Ihren Ex-Mann zum letzten Mal?

Korff: Ich freue mich, dass Sie nicht sagen "ihren verstorbenen Mann". Es gibt ja Menschen, die Priscilla Presley immer noch als die "Elvis-Witwe" bezeichnen, obwohl beide, als Elvis starb, schon fast vier Jahre geschieden waren. Auch mich erreichen immer wieder Anfragen von Magazinen und Zeitungen zu "meinem verstorbenen Mann" - schrecklich. Er war und ist mein Ex-Mann, schon weil er dies so wollte. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ein paar Tage vor Charlys Tod bin ich noch einmal nach Steinheim gefahren. Charlys Zimmer neben seinem Tonstudio war ganz unaufgeräumt. Das war wirklich schlimm anzusehen für mich. Überall waren übervolle Aschenbecher, Teller und alte Zeitungen. Und er hat sich mit mir nur über seinem Flug unterhalten, obwohl wir eigentlich über andere Dinge sprechen wollten. Einmal La Gomera umrunden wolle er, erzählte er mir und ich sagte ihm, wenn er nicht fit sei, dann könne er den Flug auch nicht machen. Doch er sagte mir, es wäre alles in Ordnung, sein Arzt habe ihm gerade grünes Licht gegeben und ich solle mir keine Gedanken machen.

F: War er da krank? Es gab ja Gerüchte über eine Hepatitis-C-Erkrankung.

Korff: Davon weiß ich nichts. Charly war hauptsächlich Diabetiker und musste sich am Ende vier Mal täglich zwei Sorten Insulin spritzen. Er hatte wohl auch noch einige andere Gebrechen oder Krankheiten, aber darüber weiß ich kaum etwas Konkretes und er selbst sprach davon auch nicht gerne freiwillig. Aber dass er einsam war, das konnte man unschwer bemerken. Aus heutiger Sicht denke ich, es muss eine ähnliche Einsamkeit gewesen sein, wie sie viele große Geister oft gespürt haben. Einsam im Erfolg, dabei auch enttäuscht von Menschen und doch selbst unfähig den Schritt auf die Welt zuzugehen, der notwendig ist, um wieder fest in sie einzutauchen.

F: Wie hat Sie selbst das Leben mit Charly verändert? Sie waren ja ein Vierteljahrhundert miteinander verheiratet.

Korff: Ich habe ziemlich profitiert, von diesen Energien, dieser Kraft, die er hatte. Ja, auch von seiner Menschensicht, die grundmoralisch war. Und natürlich von dem Geld, dass er für uns verdient hat. Seinen Töchtern und mir hat er stets das Gefühl gegeben, nein, den Glauben gegeben, dass jeder Mensch eine poetische Möglichkeit hat, sich auszudrücken. Ganz egal, ob diese Möglichkeit zu verwirklichen ist.

F: Was, glauben Sie, würde Charly Davidson heute machen, wenn er noch lebte?

Korff: Für mich, für seine Töchter, für viele Menschen, lebt Charly weiter. In seinem Werk. Und es gibt ja auch ganz aktuell Leute, wie Das gezeichnete Ich, den wir von Anfang an und über viele Jahre begleitet haben und der nun endlich seine erste Platte herausbringen konnte, die führen seine Arbeit weiter. Wäre Charly noch da, auf dieser Welt, dann wäre er sicher weiter seinen Weg gegangen. Unkonventionell genial. Ich weiß nicht, ob er heute immer noch Musik machen würde. Aber er hätte sicher versucht, etwas zu machen, was mit seinem Spaß am Denken, Fühlen, Analysieren zu tun hat. Ein Leben ohne künstlerisches Arbeiten hätte ihn bestimmt nicht interessiert.


Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Magazins FOUCAULT © 2010. Private Fotos der Hochzeit von Roberte Soares und Caroline Korff veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Frau Caroline Soares-Korff © 2007

Mittwoch, 9. Juni 2010

2004-09-22 | Charly Davidson: DAS LIEBES-GESTÄNDNIS

Jetzt hat das Getuschel ein Ende... Rocklegende Charly Davidson (46) und die Kommunikationstrainerin Ursula Maus (46) reden Klartext: DAS LIEBES-GESTÄNDNIS

ZEITUNG: Frau Maus, welche Art der Beziehung führen Sie mit Charly Davidson?

Ursula Maus: Seit Ende 2003 sind wir ein Paar und das haben wir auch unseren Familien so mitgeteilt. Wir sind seitdem unzertrennlich und wohnen auch zusammen. Ich bin nicht die Geliebte, wie so oft geschrieben, sondern die offizielle Freundin von Charly.

ZEITUNG: Aber Charly Davidson ist doch seit 1979 mit Sabine (45) verheiratet ...

Ursula Maus: Ich war nie die böse Hexe, die der Ehefrau den Mann wegnimmt. Charly hat zu seiner Frau noch eine freundschaftliche Beziehung - aber nicht mehr. Er war ja auch kaum mehr zu Hause und hat ja schon eine eigene Wohnung bezogen. Charly hat mir auch erklärt, dass er sehr einsam ist und im Grund sein eigenes, unabhängiges Leben führt. Ich möchte nie mit jemandem zusammen sein, der seinen Partner einfach fallen lässt. Es ist ja noch immer teilweise schwierig und belastend.

Charly Davidson: Es ist keine Frage, dass ich persönlich eines der selbstsüchtigsten Dinge getan habe, die man überhaupt tun kann: Ich habe jemanden sehr verletzt. Und natürlich übernehme ich die Verantwortung für alles, was ich getan habe. Ich hasse und bedaure es, dass Menschen verletzt wurden. Aber ich bedauere nicht das Ergebnis.

ZEITUNG: Wie lernten Sie sich kennen?

Ursula Maus: Kennengelernt haben wir uns 2000 auf einer Veranstaltung von Wirtschaftsminister Ulrich D. Müller in Berlin. Wir sind beide ja Mentoren der Teaminitiative "Einfach Zuhören" von Ulrich Müller. Richtig nähergekommen sind wir uns aber erst vor gut einem Jahr. Ich hatte da gerade eine lange Trauerphase nach einer Trennung. Ich war am Ende, wusste nicht mehr weiter. Ich konnte mit Charly aber über alles sprechen: Leben, Tod, Verlust, Schmerz. Dann gab es den Moment, als wir uns verabschiedet haben: Er hat nichts gesagt, nur seine Hand auf sein Herz gelegt. Da ist der Funke übergesprungen.

Charly Davidson: Ich weiss nicht, was mir die Zukunft bringt, aber ich weiss, dass Uschi darin vorkommt. Es war zwischen uns alles sehr von Emotionen gesteuert, aber meine Ehe war aus dem Gleichgewicht, ich war aus dem Gleichgewicht. Es fehlte einfach etwas in meinem Leben. Aber als verheirateter Mann habe ich niemals gedacht, dass das, was ich da in Bezug auf Uschi tat, in Ordnung sei. Nur, was sollte ich dagegen tun?

ZEITUNG: Frau Maus, was lieben Sie an Charly Davidson?

Ursula Maus: Es gibt so viele Augenblicke, in denen wir uns so ähnlich sind. In der Sprache, in den Gedanken. Er sagt immer: "Du bist ein Alter Ego und ich bin dein alter Egoist." Ich fühle mich mit ihm zum ersten Mal nicht alleine auf der Welt.

Charly Davidson: Trotzdem ist es heftig, zu hören, das uns jemand Ehebrecher nennt, weil wir beide angeblich perfekte, glückliche Ehen ruiniert hätten. Inzwischen habe ich all das hinter mir gelassen und ich hoffe, dass es in Zukunft so etwas wie Vergebung und Akzeptanz für uns beide geben kann.

ZEITUNG: Welche Pläne haben Sie?

Ursula Maus: Wir wollen heiraten und das so schnell wie möglich. Aber dazu muss Ruhe und Harmonie einkehren, auch innerhalb der beiden Familien. Ich glaube, dass seine Familie verstehen wird, dass er den Weg mit mir gewählt hat. Aber es ist nicht so, dass sie mich akzeptieren oder unbedingt kennenlernen wollen.

Charly Davidson: Vielleicht ändert sich das ja noch.


Das Interview führte Peter Nürting © ZEITUNG ONLINE 2004