fragt sich Bertrand Titz und hat hierzu ein Interview der Yellow-Press-Postille AKTUELL gelesen.
Ein Künstler zieht sich in die eigene Vergangenheit zurück: Deutsch-Rock-Elektroniker Charly Davidson will keine neuen Songs mehr schreiben und bastelt lieber an einem Monument.
Der als Charly Davidson bekannte Sänger und Komponist Karl David Korff, seit 1982 in der deutschen Musikszene nicht mehr wegzudenken, entsagte jüngst in der TV-Late-Show von Thomas Gottschalk offiziell dem Showrummel, trat bei der TV-Legende flegelhaft und mit Zottelbart auf. Und Davidson erklärte, er wolle fortan nur noch als Literat arbeiten.
Nun lies sich der Musiker von der Boulevard-Zeitschrift AKTUELL interviewen und präzisierte dabei seine Pläne. Angesprochen auf sein aktuelles Album "Massenkampf", das sich immer noch in den Top 50 der Deutschen Albumcharts hält, sagte er, dass er keine neuen Songs mehr schreiben würde und "Massenkampf" sein letztes reguläres Album sein wird.
Grund für das Ende: Charlys Ärger mit den Medien und vor allem den Plattenfirmen. "Gegen Ende des 20. Jahrhunderts scheinen viele Leute in verantwortlichen Positionen nicht mehr an ihre Mission zu glauben: Würde sonst das Traditionslabel EMI Elektrola nicht Helge Schneider unter Vertrag nehmen und dafür renomierte Musiker ziehen lassen. Oder der Sony-Konzern zum Beispiel, er kaufte zuerst das CBS-Label auf, entließ dann aber viele CBS-Künstler aus ihren Verträgen , baut nun neue Stars auf. Das haben so großartige Menschen wie etwa Ulla Meinecke nicht verdient." Doch Davidson geht noch weiter in seiner Kritik. "Erst wenn Du tot bist", sagte er der Zeitschrift AKTUELL "wirst Du wieder interessant für diese Labels" und er erinnert an Heiner Pudelko, der letztes Jahr starb, und dem dessen alte Plattenfirma WEA unter dem Titel „Mit artigsten Grüßen“ nun eine Kompilation widmete.
Das rege an zum Nachdenken, sagt Davidson. Es sei erstaunlich, "daß den Musikfans deren Lieblingsmusiker am liebsten tot serviert werden, weshalb sie der Gegenwart latent misstrauen." Ach ja: GLOBA, seine Plattenfirma, reihe er da nicht ein; ein Schelm, wer daraus die falschen Schlüsse zieht. Er, Davidson, jedenfalls widme sich derzeit neben seinen literarischen Exkursionen einer musikalischen Großproduktion, die er 1992 begonnen habe. Aus Songs und Liedfragmenten verschiedener Jahrzehnte baue er ein "Monument" zusammen; so solle das Werk dann auch heißen.
Neuneinhalb Stunden lang werde es sein und damit wohl das längste Musikstück der Welt. Bei welchem Label es erscheinen wird? Davidson habe gegrinst, so berichtet die Interviewerin der Zeitschrift AKTUELL, sich durch den Bart gestrichen und geschwiegen.
Dieser Text ist erschienen bei ororor-press © 1994; das Interview erschien in AKTUELL © 26/94
Montag, 29. Juni 2009
Dienstag, 23. Juni 2009
1984-09-22 | Verfolgt und trotzdem aufgenommen
Liedermacher Charly Davidson mit Begleitung auf Tournee
Tillmann Wächter berichtet © Neue Presse, Ausgabe 38, 1984
Irgendwie anstrengend muß es sein, erfolgreich zu werden: „Oh, Offenbach war schwierig! Sieben Zugaben hat man uns abverlangt! So einfach wollten die uns nicht von der Bühne lassen!" Charly Davidson läßt sich, ebenso müde wie stolz auf einen Stuhl in der Kneipe des JuZ in Selbstverwaltung in Fechenheim fallen, nur drei Kilometer von Theater Offenbach entfernt. Sein Konzert mit der vierköpfigen 'Begleitung' war schrecklich gut. Das Heim-Publikum (Davidson hatte fünfzehn Jahre in Offenbach gewohnt) war gar nicht zu bändigen. Nun freut sich der in Wales geborene Sänger mit deutschen Wurzeln in gespielter Gelassenheit über seinen Erfolg. Aber Charly Davidson hat ja recht: Seine mittlerweile dritte Schallplatten-Tournee durch die Bundesrepublik läuft, trotz mäßigen Erfolges der zwei ersten Langspielplatten, dank des neuen Albums 'Zeichensprache' und Platz 9 der Hitparade überraschend erfolgreich. Nicht wenig Anteil daran hat ein Hit, der gar nicht so geplant war.
'Man soll nicht alles machen, was gut riecht' lautet das extravagante Motto seiner spätsommerlichen Reise durch die deutschen Konzertsäle und Clubs. Es klingt wie eine gut gemeinte Empfehlung an die wegen der NATO-„Nachrüstung“ verzagenden Menschen: Habt keine Panik, der Retter in Gestalt von Charly Davidson naht! „Ich bin des Ausweg aus dem kalten Krieg. Frieden schaffen ohne Waffen. Mit Musik gegen den Krieg ist meine Devise“, schreibt er in einer Pressemitteilung zur Tour und signalisiert damit auch, daß seine Band 'Begleitung' eben doch nur eine Begleiung für Charly D. ist.
Davidson hat ein besonderes Geschick dafür, sich mit Ereignissen dieser Welt in Verbindung zu bringen, seien sie kultureller oder politischer Natur. In einer selbst verfaßten kurzen Biographie, die von seiner Plattenfirma vertrieben wird, erfahren wir über sein Geburtsjahr „1957: die 'Pamir' sinkt, Alfred Döblin stirbt, Charly Davidson wird geboren.“ Welch Wunder! So wird also die Lücke, die der jüdische „Alexanderplatz“-Schriftsteller hinterlassen hat und der Tod von 80 Schulschiffmatrosen wettgemacht: durch ein Waliser Auswandererkind. Glaubt Davidson wirklich, dass der Lauf der Welt so ist?
Abseits der Großspur gibt Davidson aber tatsächlich zu großen Hoffnungen Anlaß: Mit fünfzehn Jahren baut er sich 1973 einen ersten eigenen Synthesizer, mit siebzehn gründet er eine Folkband, mit neunzehn, im wilden Herbst 1977, ist er Sänger in einer Politrockband und hat gerade mal einfach so David Bowie in Berlin besucht und ihn auf die Idee für den Titel 'V2 Schneider' gebracht, mit einundzwanzig tingelt er mit seinem ersten literarisch-kabarettistischen Programm durch die Lande, mit dreiundzwanzig wird er von der Plattenfirma BLUE LIPS entdeckt und erhält sofort einen Plattenvertrag über gleich drei Produktionen, der es ihm ermöglicht eine eigene Band, die er 'Begleitung' nennt, zusammenzustellen.
1982 veröffentlicht Charly Davidson sein erstes, vielbeachtetes Album 'Kontaktaufnahme', das auch im gleichen Jahr mit der 'Goldenen Liese', dem Göttinger Kleinkunstpreis ausgezeichnet wurde. Letztes Jahr brachte er mit 'Das kleine Mal' eine weitere, vor allem wegen ihrer Texte, hoch gelobte Platte auf den Markt, die aber kommerziell weitgehend erfolglos blieb. Doch namhafte Kritiker sind nun überzeugt von seiner Größe, Rundfunk und Fernsehanstalten hofieren ihn. Wie kann da jemand, dessen Schwäche Bescheidenheit ist, die nötige Selbstkritik erlangen, ohne die ein intellektuelles Œuvre kaum denkbar ist?
Charly schaffte es, denn das diesjähige dritte Album brachte ihm überraschend seinen ersten Chartserfolg: 'Buschmann' und gleich schimpfte die intellektuelle Elite. Fritz J. Raddatz wetterte in der ZEIT: „Versatzstücke deutscher Klassik mit ihren sprachlichen Archaismen wechseln mit Ausdrücken der Gegenwartssprache, die zu singen jedes Menschen Kehle sich weigern müßte." Doch singen will und muß Charly Davidson auch weiterhin und kann es wohl auch unbesorgt, denn neben seiner eigenen Plattenfirma, die ihren Vertrag mit ihm verlängern will, stehen, nach eigener Aussage, nun auch große Plattenlabels vor seiner Tür und bitten um Einlass. Nehmen wir nur einmal den Song "Dolmetscher": In Intellektuellenkreise wurde der Text ja hinreichend diskutiert, aber man ist geneigt sich zu fragen, ob das Publikum versteht über was es in dem Song geht, nämlich um Pädophilie, um die Liebe eines Lehrers zu einem Schüler. Er scheint nicht absurd, anzunehmen, daß man hier im Publikum wahrscheinlich nur verstanden, daß da Einer einem was zu sagen hat - egal was auch immer.
Charly Davidson ist ohne Frage ein sehr talentierter und ehrgeiziger Mensch. Es gibt eine ganze Reihe von schönen, gelungenen und unprätentiösen Davidson-Liedern, doch es gibt noch eine viel größere Anzahl von Liedertexten, die in ihrem unbedingten Willen zur literarischen Größe oft knapp, aber deutlich daneben gehen. Wer sich auskennt in der Literatur, der liest ohne Probleme die Vorbilder heraus, an denen Davidsons Sprache sich formt. Man ahnt dabei, nach wievielen Seiten er sich umschaut, bevor ein paar Worte zu Papier gebracht werden. Und wenn Charly komisch sein will, kommt ihm manchmal die Unfreiwilligkeit zu Hilfe. So beginnt sein Lied 'Gleich werde ich eine Suppe mit ihr essen' mit den Zeilen: „Ich sitz' hier / und Du sitzt da / und ich weiß nicht / wo ich wohl war / als Du in mein Leben / geraten bist / lass mich raten / wer Du bist.“
Nun mag einer einwenden, das sei alles Absicht, Ironie, bewußte Irreführung der Kulturschaffenden. Indes: Ich glaube das nicht. Ich glaube vielmehr, daß die größte Schwäche von Charly Davidson eine mangelhaft entwickelte Beurteilung eigener Stärken ist. Ihm fehlt die Distanz von seinen Texten, der Humor, Textfragmente zu zerknüllen und lachend über die eigene Einfalt wegzuwerfen. Das klingt paradox: Jemand, der Wortwitz hat, muß doch auch Humor haben! In diesem Fall fürchte ich: nein. Dieser Mann nimmt sich selber viel zu ernst. Jedenfalls auf Platte. In den Konzerten macht er es anders und besser. In den Pausen zwischen den Liedern bringt er Literarisches zu Gehör, teils gereimte, teils prosaische Statements zur Lage der Nation, der Welt und der Menschheit. Seit 1978 macht er das schon und hat es, wie er gerne zugibt, bei Hanns Dieter Hüsch abgeschaut.
In diesen Momenten ist er in seiner literarischen Qualität unberechenbar. Bei diesen Vorträgen, denen die muskalische 'Begleitung' meist tumb und beschäftigungslos folgt und vor allem auf das Ende des Textes zu achten scheint, ist Davidsons Sprache nicht nur beeinflußt, sondern geradezu überspült von Hüschschen Stilelementen. Da schwatzt Davidson virtuos wie sein Vorbild über was weltpolitische im Privaten, das Triviale im Erhabnen, die Poesie der nackten Wahrheit. Das wird vom Publikum sofort begriffen und heftig beklatscht. Zwar hat man das, über was er erzählt, auch schon vorher gewußt. Aber Davidson läßt einen erleben, daß es anderen Menschen wohl auch so geht wie ihm oder seinen Protagonisten. Selbstläufer sind dabei Allgemeinplätze wie „Wer politische Sendungen im Fernsehen einschaltet, der kann getrost abschalten“ - hier kann er sich der Akklamation des Publikums gewiß sein.
Viele seiner kurzen Pointen, saugen die Zuhörer mit wahrer Lust derart auf, daß man denkt, er müßte selbst erschrecken über die Lachbereitschaft seiner Zuhörer, denn, wenn er wirklich einmal etwas Wichtiges zu sagen hat, etwas, das ihm ernst ist, reagiert das Publikum oft irritiert und wartet auf den Gag. Das zeigt, daß er eben noch kein guter Entertainer ist, der sein Publikum nach Belieben beherrscht. Charly Davidson möchte der empfindsame Bohème sein, der vom Publikum auch für seine Späße geliebt wird; ein Otto Waalkes auf höchstem intellektuellen Niveau.
Wohl aus deshalb soll seine nächste Platte, die ein Abbild der Tournee sein wird, nicht einfach nur 'Livealbum' heißen sondern - man höre und staune - 'Verfolgt und trotzdem aufgenommen'. Das ist es, was Charly D. wirklich beherrscht: den Spagat zwischen allen Stühlen.
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Anmerkung: Offensichtlich ist jedermann käuflich. Nach diesem vernichtenden Artikel beauftragte die GLOBA Tillmann Wächter damit,die Presse-Info für die Tour 1985 zu verfassen (wie man später erzählte, im Auftrag von ChD).
Tillmann Wächter berichtet © Neue Presse, Ausgabe 38, 1984

'Man soll nicht alles machen, was gut riecht' lautet das extravagante Motto seiner spätsommerlichen Reise durch die deutschen Konzertsäle und Clubs. Es klingt wie eine gut gemeinte Empfehlung an die wegen der NATO-„Nachrüstung“ verzagenden Menschen: Habt keine Panik, der Retter in Gestalt von Charly Davidson naht! „Ich bin des Ausweg aus dem kalten Krieg. Frieden schaffen ohne Waffen. Mit Musik gegen den Krieg ist meine Devise“, schreibt er in einer Pressemitteilung zur Tour und signalisiert damit auch, daß seine Band 'Begleitung' eben doch nur eine Begleiung für Charly D. ist.
Davidson hat ein besonderes Geschick dafür, sich mit Ereignissen dieser Welt in Verbindung zu bringen, seien sie kultureller oder politischer Natur. In einer selbst verfaßten kurzen Biographie, die von seiner Plattenfirma vertrieben wird, erfahren wir über sein Geburtsjahr „1957: die 'Pamir' sinkt, Alfred Döblin stirbt, Charly Davidson wird geboren.“ Welch Wunder! So wird also die Lücke, die der jüdische „Alexanderplatz“-Schriftsteller hinterlassen hat und der Tod von 80 Schulschiffmatrosen wettgemacht: durch ein Waliser Auswandererkind. Glaubt Davidson wirklich, dass der Lauf der Welt so ist?
Abseits der Großspur gibt Davidson aber tatsächlich zu großen Hoffnungen Anlaß: Mit fünfzehn Jahren baut er sich 1973 einen ersten eigenen Synthesizer, mit siebzehn gründet er eine Folkband, mit neunzehn, im wilden Herbst 1977, ist er Sänger in einer Politrockband und hat gerade mal einfach so David Bowie in Berlin besucht und ihn auf die Idee für den Titel 'V2 Schneider' gebracht, mit einundzwanzig tingelt er mit seinem ersten literarisch-kabarettistischen Programm durch die Lande, mit dreiundzwanzig wird er von der Plattenfirma BLUE LIPS entdeckt und erhält sofort einen Plattenvertrag über gleich drei Produktionen, der es ihm ermöglicht eine eigene Band, die er 'Begleitung' nennt, zusammenzustellen.
1982 veröffentlicht Charly Davidson sein erstes, vielbeachtetes Album 'Kontaktaufnahme', das auch im gleichen Jahr mit der 'Goldenen Liese', dem Göttinger Kleinkunstpreis ausgezeichnet wurde. Letztes Jahr brachte er mit 'Das kleine Mal' eine weitere, vor allem wegen ihrer Texte, hoch gelobte Platte auf den Markt, die aber kommerziell weitgehend erfolglos blieb. Doch namhafte Kritiker sind nun überzeugt von seiner Größe, Rundfunk und Fernsehanstalten hofieren ihn. Wie kann da jemand, dessen Schwäche Bescheidenheit ist, die nötige Selbstkritik erlangen, ohne die ein intellektuelles Œuvre kaum denkbar ist?
Charly schaffte es, denn das diesjähige dritte Album brachte ihm überraschend seinen ersten Chartserfolg: 'Buschmann' und gleich schimpfte die intellektuelle Elite. Fritz J. Raddatz wetterte in der ZEIT: „Versatzstücke deutscher Klassik mit ihren sprachlichen Archaismen wechseln mit Ausdrücken der Gegenwartssprache, die zu singen jedes Menschen Kehle sich weigern müßte." Doch singen will und muß Charly Davidson auch weiterhin und kann es wohl auch unbesorgt, denn neben seiner eigenen Plattenfirma, die ihren Vertrag mit ihm verlängern will, stehen, nach eigener Aussage, nun auch große Plattenlabels vor seiner Tür und bitten um Einlass. Nehmen wir nur einmal den Song "Dolmetscher": In Intellektuellenkreise wurde der Text ja hinreichend diskutiert, aber man ist geneigt sich zu fragen, ob das Publikum versteht über was es in dem Song geht, nämlich um Pädophilie, um die Liebe eines Lehrers zu einem Schüler. Er scheint nicht absurd, anzunehmen, daß man hier im Publikum wahrscheinlich nur verstanden, daß da Einer einem was zu sagen hat - egal was auch immer.
Charly Davidson ist ohne Frage ein sehr talentierter und ehrgeiziger Mensch. Es gibt eine ganze Reihe von schönen, gelungenen und unprätentiösen Davidson-Liedern, doch es gibt noch eine viel größere Anzahl von Liedertexten, die in ihrem unbedingten Willen zur literarischen Größe oft knapp, aber deutlich daneben gehen. Wer sich auskennt in der Literatur, der liest ohne Probleme die Vorbilder heraus, an denen Davidsons Sprache sich formt. Man ahnt dabei, nach wievielen Seiten er sich umschaut, bevor ein paar Worte zu Papier gebracht werden. Und wenn Charly komisch sein will, kommt ihm manchmal die Unfreiwilligkeit zu Hilfe. So beginnt sein Lied 'Gleich werde ich eine Suppe mit ihr essen' mit den Zeilen: „Ich sitz' hier / und Du sitzt da / und ich weiß nicht / wo ich wohl war / als Du in mein Leben / geraten bist / lass mich raten / wer Du bist.“
Nun mag einer einwenden, das sei alles Absicht, Ironie, bewußte Irreführung der Kulturschaffenden. Indes: Ich glaube das nicht. Ich glaube vielmehr, daß die größte Schwäche von Charly Davidson eine mangelhaft entwickelte Beurteilung eigener Stärken ist. Ihm fehlt die Distanz von seinen Texten, der Humor, Textfragmente zu zerknüllen und lachend über die eigene Einfalt wegzuwerfen. Das klingt paradox: Jemand, der Wortwitz hat, muß doch auch Humor haben! In diesem Fall fürchte ich: nein. Dieser Mann nimmt sich selber viel zu ernst. Jedenfalls auf Platte. In den Konzerten macht er es anders und besser. In den Pausen zwischen den Liedern bringt er Literarisches zu Gehör, teils gereimte, teils prosaische Statements zur Lage der Nation, der Welt und der Menschheit. Seit 1978 macht er das schon und hat es, wie er gerne zugibt, bei Hanns Dieter Hüsch abgeschaut.
In diesen Momenten ist er in seiner literarischen Qualität unberechenbar. Bei diesen Vorträgen, denen die muskalische 'Begleitung' meist tumb und beschäftigungslos folgt und vor allem auf das Ende des Textes zu achten scheint, ist Davidsons Sprache nicht nur beeinflußt, sondern geradezu überspült von Hüschschen Stilelementen. Da schwatzt Davidson virtuos wie sein Vorbild über was weltpolitische im Privaten, das Triviale im Erhabnen, die Poesie der nackten Wahrheit. Das wird vom Publikum sofort begriffen und heftig beklatscht. Zwar hat man das, über was er erzählt, auch schon vorher gewußt. Aber Davidson läßt einen erleben, daß es anderen Menschen wohl auch so geht wie ihm oder seinen Protagonisten. Selbstläufer sind dabei Allgemeinplätze wie „Wer politische Sendungen im Fernsehen einschaltet, der kann getrost abschalten“ - hier kann er sich der Akklamation des Publikums gewiß sein.
Viele seiner kurzen Pointen, saugen die Zuhörer mit wahrer Lust derart auf, daß man denkt, er müßte selbst erschrecken über die Lachbereitschaft seiner Zuhörer, denn, wenn er wirklich einmal etwas Wichtiges zu sagen hat, etwas, das ihm ernst ist, reagiert das Publikum oft irritiert und wartet auf den Gag. Das zeigt, daß er eben noch kein guter Entertainer ist, der sein Publikum nach Belieben beherrscht. Charly Davidson möchte der empfindsame Bohème sein, der vom Publikum auch für seine Späße geliebt wird; ein Otto Waalkes auf höchstem intellektuellen Niveau.
Wohl aus deshalb soll seine nächste Platte, die ein Abbild der Tournee sein wird, nicht einfach nur 'Livealbum' heißen sondern - man höre und staune - 'Verfolgt und trotzdem aufgenommen'. Das ist es, was Charly D. wirklich beherrscht: den Spagat zwischen allen Stühlen.
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Anmerkung: Offensichtlich ist jedermann käuflich. Nach diesem vernichtenden Artikel beauftragte die GLOBA Tillmann Wächter damit,die Presse-Info für die Tour 1985 zu verfassen (wie man später erzählte, im Auftrag von ChD).
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