Künstler, Produzent, Videomacher und inspirativer Kreativpartner von unzähligen Musikern, angefangen bei den frühen Tagen von STREET LIFE (die er 1972 mitbegründete) über David Byrne, David Bowie, Cluster, U2, Sting und Depeche Mode bis hin zu Laurie Anderson, John Cale, Charly Davidson (aka Karl David Korff), Lang-Lang und Terry Riley, ist Brain O-N-E viel mehr als ein cleverer Musiker.
O-N-E war schon lange von der Idee einer entwurzelten konzeptionellen Musik ohne klangliche Sehenswürdigkeiten fasziniert, eher er beinahe zufällig 1975 das Genre der 'Silent Music' prägte, die das Prinzip einer sanften musikalischen Oberfläche verfolgt, wobei die menschliche Phantasie diese Musik weiterwebt und sie so erst ihre ganze Wirkung entfaltet. Drei Jahre später führte er seine 'Silent Music', mit Unterstützung des PINK FLOYD Schlagzeugers Dave Mason, als "Electronic Radiation" erstmals an öffentlichen Plätzen auf, um die Menschen zu beruhigen, wie er sagte: "Es ist eine besondere Klangfarbe, die die Menschen erfasst. 'Silent Musik' soll Ruhe und Raum zusammenführen. Sie ist auf vielen Ebenen des Hörens präsent, macht aufmerksam für neue Dinge."
Es folgten Konzeptalben wie "Staccato Ostinato", "Musik For Storms", "Lifelights" und "Welcome To The Noise". Im letzten Jahr erreichte er mit seinem Album "A Light Vessel In Troubled Water" die Top-10 der britischen Album-Charts: ein Erfolg, den er sich, nach eigenem Bekunden, "nicht erklären kann" und der für "seine Art der Musik" ungewöhnlich ist. In wenigen Wochen folgt das neue Album von Brain O-N-E, das er "Isolation" betitelt hat.
Seit genau zehn Jahren erscheinen seine neuen Werke, zusamen mit ausgewählten alten Produktionen von ihm, auf seiner eigenen Plattenfirma "b-o-n-e". Weiterhin hält er nach wie vor 50 % der Anteile an der Musik- und Medienfirma CBQ, die er 2002 mit der vor knapp drei Jahren verstorbenen deutschen Rocklegende Karl David Korff, den man in Germanien fast nur unter seinem Künstlernamen Charly Davidson kannte.
Eher zufällig verhalf er 1988 seinem späteren Freund Korff zu Aufmerksamkeit, als er dessen Musik "Lounge Musik" taufte. Tatsächlich arbeitete O-N-E später selbst auf diesem Gebiet und erweiterte so sein Konzept von funktionaler Musik. Jedes Geräusch, jede Harmonie wie Disharmonie, dreht sie bei ihm wie eine Kugel in ihrem eigenen Bio-Raum. Im Interview mit Kevin Wyatt redet der eher introvertierte Musiker zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder über sich und seine Musik.
EC: 2008 wollte die Gruppe IT CANAC TI eine akustische Version ihres Debutalbums "Music For Poets", das 1975 erschienen war, aufführen. Sie wollten das Konzert zusammen mit Karl David Korff besuchen. Er verstarb kurz davor bei einem Flugunfall und sie haben das Konzert dann alleine besucht. Wie haben Sie auf das Konzert reagiert?
BO: Es war sehr bewegend und nach dem Konzert, erzählten mir einige Leute, dass sie mich nach den ersten Takten weinen sahen. Aber das war wegen sicher wegen Karl und nicht wegen der von mir komponierten Musik.
Was waren die Gründe für diesen Gefühlsausbruch?
Ich musste an ihn denken und an meine Musik für Poeten - er war ja in Deutschland eien wahrer Poet, ein Magier des Wortes in der Musik. Aber sicherlich kam es auch zum Teil aus dieser absurden Hingabe, dem hoffnungsloses Unterfangen, zu versuchen, eine exakte Kopie von etwas zu schaffen, das ohnehin schwer zu reproduzieren ist. Mit Karl verband mich, dass wir beide immer versucht haben, Neues zu schaffen, anstatt Altes zu reproduzieren. Nichts gegen den Versuch von IT CANAC TI, also es war wirklich schmeichelhaft, was sie aufführten. Aber meine Musik so zu hören, in einem neuen Leben jenseits der Platte, außerhalb meiner Kontrolle, war merkwürdig und aufwühlend. Und dann die Abwesenheit von Karl ...
Wie und weshalb hat Ihre 'Slient Music' die Welt verändert?
Da die "Silent Music"-Phase für mich seit 1983 beendet ist, als "Welcome To The Noise" erschien, möchte ich das, mit dem notwendigen Abstand zu damals und meinem inzwischen angewachsenen musiktheoretischen Verständnis, so beschreiben: Bevor in mir die "Silent Music" entstand, bemerkte ich, dass sich die Hörgewohnheit meiner Freunde verändert hatte. In den 1970er Jahren begannen die Menschen, sich bessere Schallplattenspieler anzuschaffen als zuvor. Das veränderte die Art, wie sie, wie ich, wie wir alle, Musik hörten. Die Leute begannen die klanglichen Oberflächen zu bemerken, den Reichtum der Sounds. Ich erkannte dabei, dass das Aufnahmestudio der Ort war, die Textur von Tönen und Klängen zu verändern. Die Melodie und der Rhythmus eines Liedes, das ist die eine Ebene der Hörgewohnheit, die andere ist die leise, die kaum hörbare Ebene des Sounds, des Klanges eines Songs. Das war es, auf das ich mich konzentrieren wollte. "Silent Music" heißt ja nicht, dass alles still ist, nur eben ruhig, ruhig, ruhig. Kein Rock, kein Schlagzeuggetrommel sondern dezente Percussion, wie es Rick Masen getauft hat, keyboardflächen. das ist "Silent Music". Heute kann man das überall finden, manche sagen "Wellness"-Musik dazu, andere sagen "ruhige Musik", aber 1972 gab es das noch nicht in unserer Welt, da war dieses Musikgefühl neu.
Und Ronny Punk spielte dabei für Sie eine große Rolle.
1975 begann ich bei Ronny Punk, dem Klangingenieur und Studiorevolutionär der 1970er Jahre zu lernen. Damals war ich eine ganze Zeit lang in Deutschland, nahm in seinem Stuudio "Electronic Radiation" auf, lernte viele deutsche Elektromusiker kennen. Und da besuchte mich auch ein junger Mann aus Frankfurt und ich muss gestehen, dass ich ihn damals nicht ernst genommen habe. Ich betrachtete ihn eher als Fan von mir. Ich war von David Bowie nach Berlin geholt worden, um in den Hansa-Studios an seinen Musikproduktionen mitzuwirken. Da habe ich dann das, was ich von Ronny gelernt hatte, gleich umgesetzt. Auf Fans zutreffen war mir da eher lästig - ich gebe das hier gerne zu.
Aber später gründeten Sie mit diesem jungen Mann sogar mit CBQ eine eigene Plattenfirma? Das muss doch einen Grund gehabt haben.
Ja. 1988 war ich zur Frankfurter Musikmesse eingeladen, wo mir ein Preis verliehen wurde, und da erreichte mich eine Anfrage von einem Karl David Korff, ihn in seinem Studio in der Nähe von Frankfurt zu besuchen. Er schrieb mir nur, dass wir uns mehr als ein Jahrzehnt zuvor in Berlin bereits einmal getroffen hätten, aber ich konnte mich nur dunkel erinnern. Dass er da in Deutschland schon ein Rockstar war, unter seinem Pseudonym Charly Davidson, das wusste ich nicht.
Haben Sie sofort das Potential seiner Musik erkannt?
Es ist nicht eine Frage, ob man Potential erkennt, sondern, welches Potential man erkennt. Jede Musik hat Potential, schlechtes wie gutes. Aber sehen wir es doch einmal wertfrei: Dieser Mann war in Deutschland ein Rockstar, ein Deutsch-Rock-Star. Ein Genre, von dem ich überhaupt keine Ahnung hatte und habe, keinen Schimmer, von was, überwas er sang.. Im Studio traf ich seinen Produzenten, Helmut Prosa, und der machte mich mit dem früheren Produzenten von Charly bekannt: Eberhard Panne, der ASH RA und Klaus Schulze produziert hatte - das interessierte mich wirklich. Dann kam er und sofort veränderte sich der Raum. Ich spürte, dass das Studio sein Arbeitsbereich war - erst später stellte ich fest, welch ein Arbeitspensumem er sich auferlegt hatte: da trafen zwai Menschen aufeinander, im feld der Musik, aus völlig unterschiedlichen Gebieten, die ähnlich intensiv arbeiteten. Und als ich kurz danach, so hier und da den Namen Charly Davidson erwähnte, sagte man mir "Der Kerl ist ein Rockstar in Deutschland, der Hallen füllt, ein Live-Mann." und ich dachte: das ist ja interessant. Ich spüre, dass er in einem Studio auflebt und live - ich gebe zu, das dies nie meine Welt war und ist - ist er auch authentisch. Das interessierte mich dann wirklich. So jemanden trifft man selten im Leben.
Das war also für Sie das Fazinierende an ihm?
Faszinierned? Nein. Ich würde eher sagen, wir hatten ab einem gewissen Moment einen passenden Schlüssel, um durch die selbe Tür zu gehen, obwohl wir aus unterschiedlichen Richtungen und Zeiten kamen.
In seinem Studio hat er Ihnen doch damals bestimmt etwas vorgespielt, um Sie zu beeindrucken.
Ja, seine aktuelle Produktion, aus der später die Urstufe der 'Lounge Musik' wurde. Ich fand das ansprechend, aber nicht so außergewöhnlich, dass es mich damals weiter interessiert hätte. Sagen wir mal: ihre Referenz war zu schwach, um mein künstlerisches Interesse zu wecken. Was ich gelungen fand, war die Einbindung von Geräuschen und sanften Drumsounds. Das Entscheidende, danach trotzdem in Kontakt mit ihm zu bleiben war - so merkwürdig es klingt, wenn man mich kennt - das Tape, das gleiche Tape, das er mir schon elf Jahre zuvor gegeben hatte. Er drückte es mir beim Abschied noch einmal in die Hand und auf der Fahrt zur Frankfurter Musikmesse hörte ich es mir an, um mehr über ihn zu erfahren. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Es hat mich berührt. Elf Jahre zuvor war Karl 19 Jahre alt gewesen und hatte Musik gemacht, die er Elektromusik nannte. Das Tape war großartig; seine Liedanfänge federleicht und trotzdem episch. Klassische Musik ist auf eine klare Unterscheidung zwischen Musik und Geräusch gegründet. In der elektronischen Musik, sind diese Barrieren gefallen. Ich träume ja immer von einer Musik ohne Grenzen, wobei klassische Instrumente, neue elektronische Geräte und „Nicht-Instrumente“ wie Frösche, Vogelgezwitscher und Wasserrauschen zusammenwirken. Dieses, so dachte ich damals, sollte meine Palette sein, um Klangfarben zu mischen. Ich hätte alle diese Elemente zur Verfügung und wäre frei, um mit ihnen zu arbeiten, was immer mir gefällt. Und nun hörte ich im Auto auf der Fahrt zur Perisverleihung dieses elf Jahre alte Tape von ihm und es hatte schon fast alles, was ich mir 1977 für mich gewünscht hätte. Plötzlich standen mir Tränen in den Augen - Tränen der Freude ebenso, wie solche der Scham. MIr war sofort klar: wenn ich diesen Mann dazu hätte bringen können, damals mit seinen Möglichkeiten weiter seine Elektromusik zu machen, dann wäre er kein Rockstar geworden sondern vielleicht eine "Silentt Music"-Legende.
Dennoch haben Sie ihm nicht sofort geholfen ...
… sondern über die BBC - ja, ich weiß. Es ist die alte Geschichte, wie die "Lounge Musik" entstand. Wir wollen das hier nicht weiter vertiefen. Es würde andere Leute dazu verführen, es ebenso zu machen um eine neues Musikgenre entstehen zu lassen, aber, entgegen anderslautenden Meinungen, habe ich das damals nicht so einfach "dahergesagt" ... [Lacht]
Ist Verführung, Manipulation im Leben ein wichtiger Aspekt für Sie?
Ja, weil ich glaube, dass man durchaus extern steuern kann, dass jemand das Gefühl, Emotion zu haben, bekommt. Das ist für mich ein Akt der Kapitulation. Aber die Menschheit hat eine Art der kulturellen Verpflichtung sich selbst gegenüber. Da mag ich die Option der Verführung zu einem bestimmten Zweck nicht so sehr. Natürlich ist Aggressivität eine weitere Möglichkeit zur Erreichung dieses Ziels. Aber das braucht die Menschheit beides nicht. Mein Weg ist stets das Gegenteil davon gewesen. Ich habe immer versucht, Dinge aus der Faszination für sie heraus zu ändern.
© 2011 by Kevin Wyatt for "The Elecronicle" | Übersetzt von Bernd Pehle
Samstag, 22. Oktober 2011
Donnerstag, 7. Juli 2011
2005-07-07 | Der "Reizwolf" packt aus
Vor sechs Jahren in der Zeitschrift TEMPO Ausgabe 07/2005:
Wenn ein Musiker die Szene der 80er und 90er in Deutschland stark geprägt hat, zum Interview kommt, dann ist man immer gespannt, was einen erwartet. Ist er nett, verrückt, ein Gott (oder zumindest iene Legende) oder ein Arschloch. Bei eunserem aktueller Gast, Charly Davidson (weniger bekannt unter seinem bürgerlichen Namen Karl David Korff) passte fast alles. Er ist nicht nur Sänger, Keyboarder und Gitarrist... er ist einer der kreativsten Köpfe der internationalen Musikszene, dazu noch Songwriter und Produzent vieler namhafter Interpreten und seine anderen musikalischen Projekte, an denen er beteiligt war, sind nicht selten Top-Acts geworden. In Jena betreibt er ein bekanntes Tonstudio (Anm.: die "jenaFarm") hat dazu noch eines inden alten Bundesländern ("Charly's Studio"). Gerade arbeitet er an seinem neuen Album "Reizwolf" und lebt in Scheidung von seiner Ehefrau Sabine, mit der er zwei Töchter hat.
Geboren am 01. Dezember 1957 in Wales begann Davidson schon während seines Studiums damit, aktiv in Bands Musik zu machen. Seine musikalische Reise begann beim Folk, ging weiter über Pop/Rock und ist inzwischen beim Genre der Loungemusik angekommen. Aber nicht in irgend einer nichtssagenden Ortschaft in Niedersachsen oder dem Saarland, sondern direkt im Herzen Großbrittaniens! Wer sich auch nur ein bisschen mit der Musik der 80er in Deutschland beschäftigt, stellt sehr schnell fest, dass der Name Davidson nahezu überall zu finden war. Manfred Maurenbrecher, Ulla Meinecke, Rainbirds, Reinhold Heil, Stephan Remmler, Marianne Rosenberg, Stefan Waggershausen, Kim Wilde und sogar Electra sind nur einige Namen, mit denen Davidson schon zusammen gearbeitet hat. Seine Markenzeichen: gelegentliche Hitgarantien sowie gut durchdachte und aufwendige Produktionen.
Umso mehr freuen wir uns, dass er uns als "Gast des Monats" Juni zugesagt, und TEMPO folgendes, sehr ausführliches Interview gegeben hat...
Hallo Charly, Du wohnst seit 1991 in Thüringen und hast dort ein eigenes Studio. Wie kam es zum Umzug in die neuen Bundesländer?
1990 war ich ein wenig ausgebrannt und suchte nach neuen perspektiven. Ich lebte ja bis zum Umzug nach Jena im Moloch Rhein-Main-Gebiet und hatte dann die Nase voll von der dortigen Geld-Kultur und der miesen Laune. Das war der oberflächliche Grund. Professionell ging es mir nicht sehr gut. Ich hatte wenig Perspektive. Keine Lust mehr, andere Musiker zu produzieren. Wenig Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten als Komponist und Texter. Schlechte Technomusik löste bei mir Verfolgungswahn aus. Da tourte ich diurch die neuen Fünfländer und fand mein Paradies in Jena und fing langsam an, mein Studio zusammenzupacken und umzuziehen.
Deinem Erfolg als Deutsch-Rocker folgte 1988 ziemlich unerwartet die Sache mit der Lounge-Musik und dem internationalen Erfolg. Schuld daran war deine Solo-Platte "Korff Musik". Bitte erzähl uns etwas über dieses Album und die Entstehung.
Ich habe ja schon als kleinen Junge, na, ja, sagen wir mal als junger Bursche, angefangen meine eigenen Synthesizerzu bauen. Also war mir das genre, das ich erfinden durfte nicht völlig fremd. Als das Konzept da war, wurde aus dem Funken ein Feuer und die Ideen kamen endlich. Die Scheibe war zwar nie ganz oben in den Charts, verkaufte aber konstant über mehrere Jahre und kam bis heute auf locker 500.000 Stück - wo ist die Platin-Platte, GLOBA ???? CARROT Music??? Whoever??? Noch nicht mal eine Goldene gab's dafür. Nur die Ehre, die Lounge-Musik erfunden zu haben. So ein Quatsch. Das ganze lag auf der Straße, oder flog so im Äther herum, und ich habe es einfachnur aufgesammelt. Glück war das, mehr nicht.
Nach der Synthesizersache hast Du mit 16 Jahren angefangen in Englisch zu schreiben und zu singen...
...was sich anbot, weil ich ja in Wales geboren wurde....
...ja, genau. Was waren die Gründe dafür, dass Du plötzlich in Deutsch gesungen hast?
Es gab einmal eine Politrockband in Frankfurt am Main und die hatten plätzlich kein Frontschwein mehr und schrieben trotzdem weiter Songs. Manche Texte waren eher provisorisch, manche literarisch, aber alle auf Deutsch. Gleichzeitig streckten diese Leute ihre Fühler aus, um einen amtlichen Sänger zu finden. Mit der Neuen Deutschen Welle hatte das noch gar nichts zu tun. Da standen die als Politrockband drüber und ich, als 17-jährigen Folksänger, der Dylan auch schon mal in Deutsch sang, was frevelhaft ist, weil man den in keine Sprache wirklich übrsetzen kann mit seinem Sing-Sang-Slang, aber ich war ja jung und hatte davon noch keine Ahnung, also ich stand da auch drüber, wollte meiner Musik ein bißchen Tiefgang geben. Wir wurden einander vorgestellt, waren völlig größenwahnsinnig und dachen, das würde was mit uns, also mit der Politrockband und einem Karl David Korff, der sich Charly Davidson nannte. So kam es dazu, dass ich in Deutsch sang. Man möchte halt mitsingen können...
Wie kann man sich die Arbeit zu dieser Zeit vorstellen? Wer hatte die Ideen zu Songs und Texten und wie entstanden die Titel?
Jeder schrieb im stillen Kämmerlein und brachte die Ideen mehr oder weniger ausgegoren ins Studio, wo alle dann darüber herfielen und sie politrockig machten. Es war eine perfekte Kombination zwischen individueller Arbeit und dem kollektiven Touch. Daher auch getrennte Copyrights, aber gemeinsamer Verlag, damit alle einen Anteil an allen Stücken bekamen.
Der Erfolg Eures Albums "Politrock" war im Vergleich zu dem von anderen Politrockbands, wie Lokomotive Kreuzberg oder Franz K., weit größer. Wie überrascht war die Band damals von diesem plötzlichen und enorm großen Zuspruch von Medien und Publikum?
Jeder, der einen solchen Erfolg ernsthaft erwartet, ist ein Vollidiot. Man kann sowas nicht vorhersagen, und das ist auch gut so. Und dann muss man halt damit klarkommen. Ich habe allerdings schon größere Probleme gehabt als diesen Erfolg.
Trotzdem hast Du die Band schon 1979 wiedre verlassen um als Solo-Künstler Erfolg zu haben. Weshalb?
Ich denke heute, dass die Fließband sehr wohl hätte weiterexistiern können mit mir als Sänger. Aber da kamen Kinder auf dei Welt und es gab und keine Touren, also suchte man sich Beschäftigung und dann kamen die Ergebnisse davon der Band in die Quere. Letztlich verlangte mein Erfolg beim NAchwuchsfestival in Stuttgart so viel Aufmerksamkeit, dass Fließband mit mir keine Basis mehr hatte.
Du hast das in der Vergangenheit auch schon mal mit der Bemerkung "zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer" versehen. Siehst Du das auch heute noch so?
Kollektive sind nicht die produktivste Methode. Die wirklich guten Projekte haben klare Anführer und Masterminds. Aber: wie soll man das Leben von fünf Menschen in allen Aspekten durchsynchronisieren? Die Fließband war immer ein chaotisches, unentschlossenes Kollektiv.
Du hast ab Mitte der 80er als Produzent oder Co-Produzent mit Helmut Prosa Großes geleistet. Unter Eurer Regie entstanden einige Alben, die ind en Charts ganz hoch notierten. Wie kam das, wie kam der Kontakt zu Prosa zustande?
Ich wolltemich Mitte der 80er-Jahre von meinem damalogen musikalischen Partner Lukas linde lösen um meien Musik weiterzuentwickeln. Man empfahl mir einen irren Österreicher, der mal bei Falco mitgemacht hatte und z. B. bei "Mscheine brennt" an der Gitarre gestanden hatte. Soviel hatte man mir erzählt. Ich hab mir dann die Single gekauft und dachte: Was soll ich zum Teufel mit einem Funky-Gitarristen? Aber dann schickte mir dieser Mann ein paar Demos und ich sagte: "Das hört sich extrem vielversprechend an". Ein paar Tage rief mich dann Thomas Herzberger von der Globe an. Falco und Helmut hätten sich getrennt und Herr Prose suchte nach neuen Wegen. Ich traf mich mit ihm in Wien und merkte sofort: Der Junge wusste ganz genau, was er da trieb und hatte sich die weitere Zusammenarbeit mit mir redlich verdient.
Aber so ein Produzentenjob kann auch mal in die Hose gehen. 1989, dem Jahr nach Deinem Lounge-Musik Erfolg, produziertest Du auch eine Mädchenband namens Mayday. Und das ging voll in die Buxe, wie man bei uns in Hamburg sagt. Was war da schiefgelaufen?
Sylka und Manuela May waren zwei ganz talentierte Mädels aus dem Frankfurter Umland, die ich schon als LeVogue mochte - damals waren sie aber noch zu viert mit Anny Öztürk am Keyboard und Bela Baltabol an den Drums. Also nahm ich die Schwestern unter Vertrag. Allerdings war die Arbeitsweise eine zeitraubende, perfektionistische. Und die Schwestern phantasierten schon vom großen Erfolg, bevor die Platte überhaupt erschienen war. Ich sagte ihnen, dass das bei keinem der mir bekannten großen Erfolge so war. Während man arbeitet, spricht man nicht über Limousinen und Geldanlagen. Die Strafe dafür folgt auf dem Fuße. Dazu kam, dass die GLOBA damals ein neues Label namens "Girl-Power" gegründet hatte und drei Veteranen des Business engagiert hatte und dort für Frauen alles besser machen zu wollten. Alle Musiker und alle Plattenfirmen, so trompeteten sie in einem Spiegel-Interview, seien im Prinzip Idioten, denen man jetzt mal zeigen müsse, wie's richtig gemacht wird. Als dieses Interview von Ina Deter, Siegfried Schmit-Joos udn Ulla Meinecke erschien, hätte ich eigentlich den Krempel hinschmeissen sollen. Es war ein Sargnagel für meine Arbeit. Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf diesen Dreck. Ich bin immer noch sehr mit Ulla befreundet. Sie ist einer meiner Lieblingsmenschen und ich habe ne Menge Respekt vor ihr. Ich halte sie für die beste Song-Schreiberin der Deutschen Geschichte. Obwohl, oder vielleicht gerade weil sie keinen Schimmer von Produktionstechnik hat.
Rückblickend auf Deine Karriere: Was würdest Du heute anders machen, wenn Du die Chance dazu hättest, und was würdest Du wieder so machen, wie Du es gemacht hast?
Ich wäre selbstbewusster und reiselustiger. Ansonsten hatte ich viel Glück und bin dann instinktiv doch das eine oder andere mal in die Richtige Richtung marschiert.
Was waren für Dich die schönsten Erlebnisse in Deiner Karriere, was die weniger schönen?
Ganz ehrlich: Kathastrophen waren immer spannend. Mit denen wurde es mir nie langweilig. "Ab in den Bau", sagte die Frankfurter Staatsanwaltschaft mal zu mir und noch bevor ich "Wie bitte?" udn "Für was denn?" sagen konnte, war ich hinter Schloß und Riegel und ei medien fiellen über meine Frau und meine Kinder her. Oder: ich produzierte mal eine recht bekannte britische Band, super motiviert, hart arbeitend, inspiriert und voller guter Laune. Aber als die ersten Rough-Mixes bei deren Firma ankamen, sagte die zu uns, alles müsse "internationaler" und teuer sein, damit es auch erfolgreich wird, damit die Band ihre immensen Steuerschulden begleichen könne. Und ein Gitarrist, bei dem das "Gleichgewicht der Kräfte" zwischen Kokain, Haschisch und Jack Daniels hergestellt werden musste, überrascht einen jeden Tag auf's Neue. Der Rest kokste heimlich, weil die wussten, wie ich darüber dachte. Am Ene ging das Ganze mit einem Co-Produzenten zu Ende.
Mit Deiner Musik und Deiner Tätigkeit als Produzent hast Du lange Zeit stets den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Musik hat sich inzwischen aber extrem verändert. Welche Veränderungen - positiv wie negativ - stellst Du im Vergleich zu den 80ern und 90ern heute fest?
Keine Ahnung. Ich verfolge das nicht. Die Technologie spielt sicher eine Rolle. Es gab immer schon Plastikprodukte und authentische Bands. Die Industrie geht jetzt hoffentlich bald endgültig den Bach runter, damit endlich was Neues kommen kann. R.E.M. ist nicht nur musikalisch meine Lieblingsband.
Was hörst Du privat für Musik? Was war die letzte CD, die Du Dir gekauft hast?
Woher weißt Du, dass ich immer noch CDs kaufe? Gut: ich warte auf die neue R.E.M., die Anfang Januar endlich erscheinen soll. Ich mag das Internet, aber der iTunes Store ist nur gut für die Labels, die die Musiker nicht an den Erlösen beteiligen wollen. Da muss noch was Besseres kommen.
Wie sehen Deine Zukunftspläne aus?
Meine Scheidung finanziell überleben. Mein Haus retten, abreißen und stattdessen ein energiesparendes, modernes Fertighaus bauen. Meine Kinder so viel wie möglich sehen. Und noch viele gute Songs schreiben. Es gibt kein schöneres Erlebnis, als gute Songszu schreiben.
Womit wir auch am Ende unseres Interviews angekommen sind. Möchtest Du noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Nach anderthalb Jahrzehnten scheint für Manche die Wiedervereinigung immer noch ein schmerzhafter Prozess zu sein. Ich bin nach wie vor froh, dass sie stattgefunden hat und kann den Zynismus mancher Zeitgenossen nicht verstehen. Deutschland ist zwar keine Subkultur, aber es wird jeden Tag besser. Alles hat seinen Platz hier. Berlin ist da ein gutes Vorbild. Aber niemals vergessen: es waren nicht Helmut Kohl und Ronald Reagan, die die Mauer überwanden, sondern Willy Brandt, Michail Gorbatschow und die DDR Bürger - vor allem aber das Volk. Dazu nach wie vor: Herzlichen Glückwunsch! Und weiter so Deutschland...
Wenn ein Musiker die Szene der 80er und 90er in Deutschland stark geprägt hat, zum Interview kommt, dann ist man immer gespannt, was einen erwartet. Ist er nett, verrückt, ein Gott (oder zumindest iene Legende) oder ein Arschloch. Bei eunserem aktueller Gast, Charly Davidson (weniger bekannt unter seinem bürgerlichen Namen Karl David Korff) passte fast alles. Er ist nicht nur Sänger, Keyboarder und Gitarrist... er ist einer der kreativsten Köpfe der internationalen Musikszene, dazu noch Songwriter und Produzent vieler namhafter Interpreten und seine anderen musikalischen Projekte, an denen er beteiligt war, sind nicht selten Top-Acts geworden. In Jena betreibt er ein bekanntes Tonstudio (Anm.: die "jenaFarm") hat dazu noch eines inden alten Bundesländern ("Charly's Studio"). Gerade arbeitet er an seinem neuen Album "Reizwolf" und lebt in Scheidung von seiner Ehefrau Sabine, mit der er zwei Töchter hat.
Geboren am 01. Dezember 1957 in Wales begann Davidson schon während seines Studiums damit, aktiv in Bands Musik zu machen. Seine musikalische Reise begann beim Folk, ging weiter über Pop/Rock und ist inzwischen beim Genre der Loungemusik angekommen. Aber nicht in irgend einer nichtssagenden Ortschaft in Niedersachsen oder dem Saarland, sondern direkt im Herzen Großbrittaniens! Wer sich auch nur ein bisschen mit der Musik der 80er in Deutschland beschäftigt, stellt sehr schnell fest, dass der Name Davidson nahezu überall zu finden war. Manfred Maurenbrecher, Ulla Meinecke, Rainbirds, Reinhold Heil, Stephan Remmler, Marianne Rosenberg, Stefan Waggershausen, Kim Wilde und sogar Electra sind nur einige Namen, mit denen Davidson schon zusammen gearbeitet hat. Seine Markenzeichen: gelegentliche Hitgarantien sowie gut durchdachte und aufwendige Produktionen.
Umso mehr freuen wir uns, dass er uns als "Gast des Monats" Juni zugesagt, und TEMPO folgendes, sehr ausführliches Interview gegeben hat...
Hallo Charly, Du wohnst seit 1991 in Thüringen und hast dort ein eigenes Studio. Wie kam es zum Umzug in die neuen Bundesländer?
1990 war ich ein wenig ausgebrannt und suchte nach neuen perspektiven. Ich lebte ja bis zum Umzug nach Jena im Moloch Rhein-Main-Gebiet und hatte dann die Nase voll von der dortigen Geld-Kultur und der miesen Laune. Das war der oberflächliche Grund. Professionell ging es mir nicht sehr gut. Ich hatte wenig Perspektive. Keine Lust mehr, andere Musiker zu produzieren. Wenig Selbstvertrauen in meine Fähigkeiten als Komponist und Texter. Schlechte Technomusik löste bei mir Verfolgungswahn aus. Da tourte ich diurch die neuen Fünfländer und fand mein Paradies in Jena und fing langsam an, mein Studio zusammenzupacken und umzuziehen.
Deinem Erfolg als Deutsch-Rocker folgte 1988 ziemlich unerwartet die Sache mit der Lounge-Musik und dem internationalen Erfolg. Schuld daran war deine Solo-Platte "Korff Musik". Bitte erzähl uns etwas über dieses Album und die Entstehung.
Ich habe ja schon als kleinen Junge, na, ja, sagen wir mal als junger Bursche, angefangen meine eigenen Synthesizerzu bauen. Also war mir das genre, das ich erfinden durfte nicht völlig fremd. Als das Konzept da war, wurde aus dem Funken ein Feuer und die Ideen kamen endlich. Die Scheibe war zwar nie ganz oben in den Charts, verkaufte aber konstant über mehrere Jahre und kam bis heute auf locker 500.000 Stück - wo ist die Platin-Platte, GLOBA ???? CARROT Music??? Whoever??? Noch nicht mal eine Goldene gab's dafür. Nur die Ehre, die Lounge-Musik erfunden zu haben. So ein Quatsch. Das ganze lag auf der Straße, oder flog so im Äther herum, und ich habe es einfachnur aufgesammelt. Glück war das, mehr nicht.
Nach der Synthesizersache hast Du mit 16 Jahren angefangen in Englisch zu schreiben und zu singen...
...was sich anbot, weil ich ja in Wales geboren wurde....
...ja, genau. Was waren die Gründe dafür, dass Du plötzlich in Deutsch gesungen hast?
Es gab einmal eine Politrockband in Frankfurt am Main und die hatten plätzlich kein Frontschwein mehr und schrieben trotzdem weiter Songs. Manche Texte waren eher provisorisch, manche literarisch, aber alle auf Deutsch. Gleichzeitig streckten diese Leute ihre Fühler aus, um einen amtlichen Sänger zu finden. Mit der Neuen Deutschen Welle hatte das noch gar nichts zu tun. Da standen die als Politrockband drüber und ich, als 17-jährigen Folksänger, der Dylan auch schon mal in Deutsch sang, was frevelhaft ist, weil man den in keine Sprache wirklich übrsetzen kann mit seinem Sing-Sang-Slang, aber ich war ja jung und hatte davon noch keine Ahnung, also ich stand da auch drüber, wollte meiner Musik ein bißchen Tiefgang geben. Wir wurden einander vorgestellt, waren völlig größenwahnsinnig und dachen, das würde was mit uns, also mit der Politrockband und einem Karl David Korff, der sich Charly Davidson nannte. So kam es dazu, dass ich in Deutsch sang. Man möchte halt mitsingen können...
Wie kann man sich die Arbeit zu dieser Zeit vorstellen? Wer hatte die Ideen zu Songs und Texten und wie entstanden die Titel?
Jeder schrieb im stillen Kämmerlein und brachte die Ideen mehr oder weniger ausgegoren ins Studio, wo alle dann darüber herfielen und sie politrockig machten. Es war eine perfekte Kombination zwischen individueller Arbeit und dem kollektiven Touch. Daher auch getrennte Copyrights, aber gemeinsamer Verlag, damit alle einen Anteil an allen Stücken bekamen.
Der Erfolg Eures Albums "Politrock" war im Vergleich zu dem von anderen Politrockbands, wie Lokomotive Kreuzberg oder Franz K., weit größer. Wie überrascht war die Band damals von diesem plötzlichen und enorm großen Zuspruch von Medien und Publikum?
Jeder, der einen solchen Erfolg ernsthaft erwartet, ist ein Vollidiot. Man kann sowas nicht vorhersagen, und das ist auch gut so. Und dann muss man halt damit klarkommen. Ich habe allerdings schon größere Probleme gehabt als diesen Erfolg.
Trotzdem hast Du die Band schon 1979 wiedre verlassen um als Solo-Künstler Erfolg zu haben. Weshalb?
Ich denke heute, dass die Fließband sehr wohl hätte weiterexistiern können mit mir als Sänger. Aber da kamen Kinder auf dei Welt und es gab und keine Touren, also suchte man sich Beschäftigung und dann kamen die Ergebnisse davon der Band in die Quere. Letztlich verlangte mein Erfolg beim NAchwuchsfestival in Stuttgart so viel Aufmerksamkeit, dass Fließband mit mir keine Basis mehr hatte.
Du hast das in der Vergangenheit auch schon mal mit der Bemerkung "zu viele Häuptlinge, zu wenig Indianer" versehen. Siehst Du das auch heute noch so?
Kollektive sind nicht die produktivste Methode. Die wirklich guten Projekte haben klare Anführer und Masterminds. Aber: wie soll man das Leben von fünf Menschen in allen Aspekten durchsynchronisieren? Die Fließband war immer ein chaotisches, unentschlossenes Kollektiv.
Du hast ab Mitte der 80er als Produzent oder Co-Produzent mit Helmut Prosa Großes geleistet. Unter Eurer Regie entstanden einige Alben, die ind en Charts ganz hoch notierten. Wie kam das, wie kam der Kontakt zu Prosa zustande?
Ich wolltemich Mitte der 80er-Jahre von meinem damalogen musikalischen Partner Lukas linde lösen um meien Musik weiterzuentwickeln. Man empfahl mir einen irren Österreicher, der mal bei Falco mitgemacht hatte und z. B. bei "Mscheine brennt" an der Gitarre gestanden hatte. Soviel hatte man mir erzählt. Ich hab mir dann die Single gekauft und dachte: Was soll ich zum Teufel mit einem Funky-Gitarristen? Aber dann schickte mir dieser Mann ein paar Demos und ich sagte: "Das hört sich extrem vielversprechend an". Ein paar Tage rief mich dann Thomas Herzberger von der Globe an. Falco und Helmut hätten sich getrennt und Herr Prose suchte nach neuen Wegen. Ich traf mich mit ihm in Wien und merkte sofort: Der Junge wusste ganz genau, was er da trieb und hatte sich die weitere Zusammenarbeit mit mir redlich verdient.
Aber so ein Produzentenjob kann auch mal in die Hose gehen. 1989, dem Jahr nach Deinem Lounge-Musik Erfolg, produziertest Du auch eine Mädchenband namens Mayday. Und das ging voll in die Buxe, wie man bei uns in Hamburg sagt. Was war da schiefgelaufen?
Sylka und Manuela May waren zwei ganz talentierte Mädels aus dem Frankfurter Umland, die ich schon als LeVogue mochte - damals waren sie aber noch zu viert mit Anny Öztürk am Keyboard und Bela Baltabol an den Drums. Also nahm ich die Schwestern unter Vertrag. Allerdings war die Arbeitsweise eine zeitraubende, perfektionistische. Und die Schwestern phantasierten schon vom großen Erfolg, bevor die Platte überhaupt erschienen war. Ich sagte ihnen, dass das bei keinem der mir bekannten großen Erfolge so war. Während man arbeitet, spricht man nicht über Limousinen und Geldanlagen. Die Strafe dafür folgt auf dem Fuße. Dazu kam, dass die GLOBA damals ein neues Label namens "Girl-Power" gegründet hatte und drei Veteranen des Business engagiert hatte und dort für Frauen alles besser machen zu wollten. Alle Musiker und alle Plattenfirmen, so trompeteten sie in einem Spiegel-Interview, seien im Prinzip Idioten, denen man jetzt mal zeigen müsse, wie's richtig gemacht wird. Als dieses Interview von Ina Deter, Siegfried Schmit-Joos udn Ulla Meinecke erschien, hätte ich eigentlich den Krempel hinschmeissen sollen. Es war ein Sargnagel für meine Arbeit. Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf diesen Dreck. Ich bin immer noch sehr mit Ulla befreundet. Sie ist einer meiner Lieblingsmenschen und ich habe ne Menge Respekt vor ihr. Ich halte sie für die beste Song-Schreiberin der Deutschen Geschichte. Obwohl, oder vielleicht gerade weil sie keinen Schimmer von Produktionstechnik hat.
Rückblickend auf Deine Karriere: Was würdest Du heute anders machen, wenn Du die Chance dazu hättest, und was würdest Du wieder so machen, wie Du es gemacht hast?
Ich wäre selbstbewusster und reiselustiger. Ansonsten hatte ich viel Glück und bin dann instinktiv doch das eine oder andere mal in die Richtige Richtung marschiert.
Was waren für Dich die schönsten Erlebnisse in Deiner Karriere, was die weniger schönen?
Ganz ehrlich: Kathastrophen waren immer spannend. Mit denen wurde es mir nie langweilig. "Ab in den Bau", sagte die Frankfurter Staatsanwaltschaft mal zu mir und noch bevor ich "Wie bitte?" udn "Für was denn?" sagen konnte, war ich hinter Schloß und Riegel und ei medien fiellen über meine Frau und meine Kinder her. Oder: ich produzierte mal eine recht bekannte britische Band, super motiviert, hart arbeitend, inspiriert und voller guter Laune. Aber als die ersten Rough-Mixes bei deren Firma ankamen, sagte die zu uns, alles müsse "internationaler" und teuer sein, damit es auch erfolgreich wird, damit die Band ihre immensen Steuerschulden begleichen könne. Und ein Gitarrist, bei dem das "Gleichgewicht der Kräfte" zwischen Kokain, Haschisch und Jack Daniels hergestellt werden musste, überrascht einen jeden Tag auf's Neue. Der Rest kokste heimlich, weil die wussten, wie ich darüber dachte. Am Ene ging das Ganze mit einem Co-Produzenten zu Ende.
Mit Deiner Musik und Deiner Tätigkeit als Produzent hast Du lange Zeit stets den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Musik hat sich inzwischen aber extrem verändert. Welche Veränderungen - positiv wie negativ - stellst Du im Vergleich zu den 80ern und 90ern heute fest?
Keine Ahnung. Ich verfolge das nicht. Die Technologie spielt sicher eine Rolle. Es gab immer schon Plastikprodukte und authentische Bands. Die Industrie geht jetzt hoffentlich bald endgültig den Bach runter, damit endlich was Neues kommen kann. R.E.M. ist nicht nur musikalisch meine Lieblingsband.
Was hörst Du privat für Musik? Was war die letzte CD, die Du Dir gekauft hast?
Woher weißt Du, dass ich immer noch CDs kaufe? Gut: ich warte auf die neue R.E.M., die Anfang Januar endlich erscheinen soll. Ich mag das Internet, aber der iTunes Store ist nur gut für die Labels, die die Musiker nicht an den Erlösen beteiligen wollen. Da muss noch was Besseres kommen.
Wie sehen Deine Zukunftspläne aus?
Meine Scheidung finanziell überleben. Mein Haus retten, abreißen und stattdessen ein energiesparendes, modernes Fertighaus bauen. Meine Kinder so viel wie möglich sehen. Und noch viele gute Songs schreiben. Es gibt kein schöneres Erlebnis, als gute Songszu schreiben.
Womit wir auch am Ende unseres Interviews angekommen sind. Möchtest Du noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Nach anderthalb Jahrzehnten scheint für Manche die Wiedervereinigung immer noch ein schmerzhafter Prozess zu sein. Ich bin nach wie vor froh, dass sie stattgefunden hat und kann den Zynismus mancher Zeitgenossen nicht verstehen. Deutschland ist zwar keine Subkultur, aber es wird jeden Tag besser. Alles hat seinen Platz hier. Berlin ist da ein gutes Vorbild. Aber niemals vergessen: es waren nicht Helmut Kohl und Ronald Reagan, die die Mauer überwanden, sondern Willy Brandt, Michail Gorbatschow und die DDR Bürger - vor allem aber das Volk. Dazu nach wie vor: Herzlichen Glückwunsch! Und weiter so Deutschland...
Dienstag, 24. Mai 2011
1989-10-25 | Das verlorene Interview aus dem Jahre 1989
Charly Davidson alias Karl David Korff in der Karibik. Man schreibt das Jahr 1989 und es war kurz vor dem Fall der Mauer. Auf Jamaica spielt er zum ersten Mal außerhalb Europas die von ihm erfundene "Lounge Musik". In einem Interview mit Bobb Sanders für "Rick's Radio" spricht er offen über seine Musik und seine Drogenerfahrungen. Mit "Gunga" fängt es an und endet bei einem düstere Geheimnis: Davidsons Heroinabhängigkeit. Die Ausagen über seine Musik wurden gesendet, auf Wunsch Charlys wurden die anderen Dinge damals herausgeschnitten. Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun das Originalband dieses Interview veröffentlicht worden und einstige Weggefährten sind sich darüber einig, dass es echt ist.
Kingston - Er war eine Musiklegende, am 28. November 2008 starb Charly Davidson (bürgerlich: Karl David Korff) und ist trotzdem auch heute noch für Überraschungen gut. Auf Jamaica ist nun ein Interview aus den achtziger Jahren aufgetaucht, das Einblicke in das Seelenleben des damals international aufstrebenden Stars ermöglicht.
Die Aufnahmen stammen vom 25. Oktober 1989. Davidson war auf einer kleinen Tour in der Karibik unterwegs. Nahe Negril Beach trat er im, wegen seiner Sonnuntergänge weltberühmten, "Ricks's Cafe" auf mit seiner gerade frisch aus der Taufe gehobenen "Lounge Musik". Damals konnte noch niemeand ahnen, welchen Siegezug diese Musirrichtung später weltweit nehmen würde. Für "Rick's Radio" wurde er von seinem Freund Bobb Sanders interviewt. Dieser zeichnete eine gute Stunde Interview auf.
Darin gibt Davidson zu, von den späten siebzigern bis ins die frühen achtziger Jahre heroinabhängig gewesen zu sein. Er habe aber seine Heroinsucht schnell überwunden. "Ich war eine Zeit lang sehr, sehr abhängig." Er habe etwa 60 Mark pro Tag für die Droge ausgegeben. Immer wieder hatte es zu seinen Lebzeiten Gerüchte gegeben, Davidson/Korff habe mit harten Drogen zu tun gehabt. Aber der Musiker hatte die Spekulationen niemals bestätigt. "Es ist außergewöhnlich, dass er darüber so offen spricht", wird sein Freund Brain O-N-E zitiert, der lange Jahre auch Geschäftspartner von Davidson war.
Mit seinem schnellen Ruhm (Charly war damals Sänger einer Politrockband, hatte einen Musikwettbewerb gewonnen und einen mehrjährigen Schallplattenvertrag erhalten) sei er nicht klar gekommen, sagte Davidson damals im Interview. Heroin sein ihm als ein Ausweg aus der Misere vorgekommen. "Zu sterben bedeutete mir nichts", so habe er damals gefühlt. Er habe oft gewusst, dass er schnell hätte sterben können. Seine Ehefrau habe von all dem nichts gewusst. "Vielleicht hat sie etwas geahnt, aber es wurde nicht angesprochen", so Davidson. Dann sei sie schwanger geworden und er habe von einem Tag auf den Anderen mit dem Heroin aufgehört.
Über seine Musik äußerte er sich 1989 zudem überraschend geringschätzig. "Ich nehme sie weniger ernst, als man allgemein annimmt", sagt Davidson. Die Texte seien es, die ihm am Herzen lägen. "Du kannst nicht glücklich sein, wenn Du nur Musik machst. Ein Text, der richtige Ausdruck eines Gefühls, gehört immer mit dazu."
Ob es Zufall ist, dass die Aufnahme so kurz nach Bob Marleys 30. Todestag gerade in Jamaica auftauchen? Und entspricht alles, was Davidson sagte, der Wahrheit? Ein wenig darf man das bezweifeln - zumal Charly Davidson bekannt dafür war, dass seine Interviews nicht immer ganz für bare Münze genommen werden konnten.
Kingston - Er war eine Musiklegende, am 28. November 2008 starb Charly Davidson (bürgerlich: Karl David Korff) und ist trotzdem auch heute noch für Überraschungen gut. Auf Jamaica ist nun ein Interview aus den achtziger Jahren aufgetaucht, das Einblicke in das Seelenleben des damals international aufstrebenden Stars ermöglicht.
Die Aufnahmen stammen vom 25. Oktober 1989. Davidson war auf einer kleinen Tour in der Karibik unterwegs. Nahe Negril Beach trat er im, wegen seiner Sonnuntergänge weltberühmten, "Ricks's Cafe" auf mit seiner gerade frisch aus der Taufe gehobenen "Lounge Musik". Damals konnte noch niemeand ahnen, welchen Siegezug diese Musirrichtung später weltweit nehmen würde. Für "Rick's Radio" wurde er von seinem Freund Bobb Sanders interviewt. Dieser zeichnete eine gute Stunde Interview auf.
Darin gibt Davidson zu, von den späten siebzigern bis ins die frühen achtziger Jahre heroinabhängig gewesen zu sein. Er habe aber seine Heroinsucht schnell überwunden. "Ich war eine Zeit lang sehr, sehr abhängig." Er habe etwa 60 Mark pro Tag für die Droge ausgegeben. Immer wieder hatte es zu seinen Lebzeiten Gerüchte gegeben, Davidson/Korff habe mit harten Drogen zu tun gehabt. Aber der Musiker hatte die Spekulationen niemals bestätigt. "Es ist außergewöhnlich, dass er darüber so offen spricht", wird sein Freund Brain O-N-E zitiert, der lange Jahre auch Geschäftspartner von Davidson war.
Mit seinem schnellen Ruhm (Charly war damals Sänger einer Politrockband, hatte einen Musikwettbewerb gewonnen und einen mehrjährigen Schallplattenvertrag erhalten) sei er nicht klar gekommen, sagte Davidson damals im Interview. Heroin sein ihm als ein Ausweg aus der Misere vorgekommen. "Zu sterben bedeutete mir nichts", so habe er damals gefühlt. Er habe oft gewusst, dass er schnell hätte sterben können. Seine Ehefrau habe von all dem nichts gewusst. "Vielleicht hat sie etwas geahnt, aber es wurde nicht angesprochen", so Davidson. Dann sei sie schwanger geworden und er habe von einem Tag auf den Anderen mit dem Heroin aufgehört.
Über seine Musik äußerte er sich 1989 zudem überraschend geringschätzig. "Ich nehme sie weniger ernst, als man allgemein annimmt", sagt Davidson. Die Texte seien es, die ihm am Herzen lägen. "Du kannst nicht glücklich sein, wenn Du nur Musik machst. Ein Text, der richtige Ausdruck eines Gefühls, gehört immer mit dazu."
Ob es Zufall ist, dass die Aufnahme so kurz nach Bob Marleys 30. Todestag gerade in Jamaica auftauchen? Und entspricht alles, was Davidson sagte, der Wahrheit? Ein wenig darf man das bezweifeln - zumal Charly Davidson bekannt dafür war, dass seine Interviews nicht immer ganz für bare Münze genommen werden konnten.
Montag, 4. April 2011
2010-10-10 | BRAIN ONE erzählt, wie er 1977 und 1988 Charly Davidson kennen lernte (Fortsetzung)
Künstler, Produzent, Videomacher und inspirativer Kreativpartner von unzähligen Musikern, das ist Brian Thomas Gary Charles Earl of Barqin, der sich selbst Brain O-N-E nennt. In Teil 1 des großen Interviews mit dem ELECRONICLE Magazin aus dem Oktober 2010 erzählte O-N-E, dass er schon lange von der Idee einer entwurzelten konzeptionellen Musik ohne klangliche Sehenswürdigkeiten fasziniert war, eher er beinahe zufällig 1975 das Genre der 'Silent Music' prägte und danach verschiedentlich auf die Musikwelt Einfluss nahm. Hier ist eine Auswahl seiner wichtigsten Musikproduktionen:
1972: "Music For Poets" / 1975: "Silent Music" / 1978: "Electronic Radiation" / 1980: "Staccato Ostinato" / 1983: "Welcome To The Noise" / 1985: "Lifelights" (inzwischen "Lifelights I" betitelt) / 1987: "Music For Storms" / 1989: "My Life Is Floating" (Ballett Suite) / 1992: "The Network" / 1995: "Parcival" [Soundtrack] / 1997: "97 Windows" [for Microsoft Corporation] / 1999: "So Far Away" [for the National Aeronautics and Space Administration] / 2001: "Back To The Bone" / 2005: "xxx" / 2009: "Lifelights II" / 2010: "A Light Vessel In Troubled Water" / 2012 (geplant): "Lifelights III"
Eher zufällig verhalf er 1988 seinem späteren Freund und Geschäftspartner Karl David Korff aus Deutschland zu Aufmerksamkeit, als er dessen Musik "Lounge Musik" taufte. Jedes Geräusch, jede Harmonie wie Disharmonie, dreht sie bei ihm wie eine Kugel in ihrem eigenen Bio-Raum. Im Interview mit Kevin Wyatt redet der eher introvertierte Musiker zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder über sich und seine Musik.
[...Fortsetzung von Teil 1...]
Über "Lounge Musik" im Allgemeinen haben Sie einmal gesagt, sie sei wie spanische Paella.
Ja, es ist wie Paella, zusammengemischt aus allerlei Dingen, um zu schmecken. Zur Zeit, als ich Karl richtig kennenlernte, 1989, hatte ich mit „Music For Storms“ gerade meine Natur-Phase, so will ich sie einmal nennen, beendet. Zu dieser Zeit war ich offen für eine neue Art Musik zu schreiben. Darauf folgte meine Ballett-Suite "My Life Is Floating" / „Mein Leben schwebt“. Ich schrieb sie, spielte dis Basic-Tracks ein und habe sie dann etwa dreißig Personen zugeschickt und befragt, wie sie das finden und was sie anders machen würden. Karl schrieb mir: 'Dein Song ist ein Rap, ein Rap aus Phrasen und Geräuschen'. Und genau das war es; er hatte es als einziger erkannt. Andere schrieben mir: 'Die Musik ist zu schwach für Ballett, es fehlt an Identität, das Ganze hat keine Persönlichkeit.' Und da wusste ich, dass ich mir diesen Deutschen als Partner vorstellen könnte und wir haben dann, zuerst sporadisch, dann intensiver, zusammenbearbeitet.
Wie gehen Sie heute mit der Tatsache um, dass Ihre Arbeit nur zögernd Anerkennung erfuhr?
Das war, weil ich lange ein Außenseiter war, ein Paradiesvogel. Das machte mich für Leute wie David Bowie interessant und gleichzeitig für Plattenbosse uninteressant. Zunächst einmal, hatte ich aber nie den Eindruck, dass ich mit meiner Arbeit gegen andere Menschen kämpfen würde. Ich hatte und habe Freunde, die mich immer unterstützten und unterstützen werden. Und ich bin ja auch nicht der Einzige meiner Musikart, hatte, wie man an Karli sehen konnte, durchaus Mitstreiten. Auch Holger Czukay war und ist so einer. Ich war also niemals wirklich der Meinung, ich wäre ein Alleinerfinder. Es lag einfach in der Luft in dieser Zeit, vielleicht in Deutschland mehr, als in anderen Ländern. Aber weil ich das Ganze in Großbritannien vorantrieb, war ich dort etwas Besonders, Exotisches. Bis dahin hatten die Menschen Klänge verwendet, um ihrer Musik einen gewisse Exotik zu geben; ich denke die BEATLES sind ein gutes Beispiel dafür. Aber George Harrison hat ja auch einiges bewegt, hat die Weltmusik angestoßen mit den ersten Tönen einer Sitar in „Norwegian Wood“.
Sie sagten einmal, „Graceland“ von Paul Simon sein ein weiterer Schritt gewesen, Sie zu motivieren, neue Wege zu gehen.
Ich habe ein seltsames Verhältnis zu diesem Album. Ich liebe es, aber es ist eines der wenigen Dinge, bei denen ich ständig denke: Ich hätte es machen müssen. Sehen Sie, damals war ich nach Afrika gegangen, nach Nigeria. Das war 1985. Ich arbeitete mit vielen Musikern dort drüben, erarbeitete mir einige Grundsounds für "Lifelights", träumte von einer wirklichen künstlerischen Zusammenarbeit mit ihnen. Das war lange vor "My Life Is Floating". Für "My Life“ begann ich mit der Komposition der Musik und habe nach fremdartigen Stimmen gesucht. In Nigeria wollte ich noch das Gegenteil, wollte mehr konventionell sein, war von diesen Rhythmen, dieser Art, Musik zu spielen, fasziniert. Ich machte viele Ton-Aufnahmen in Afrika. Zurück in Toronto hatte ich 1986 die Idee, Songs zu schreiben mit den Musikern aus Nigeria eine Platte mit ihren Sounds und Instrumenten und Songstrukturen zu machen. Und dann kam Paul Simon und hatte das alles schon gemacht. Da wurde ich eifersüchtig, denn diese, wie ich dachte „meine“ Musik, existierte plötzlich ohne mich. Ich musste mich abreagieren [lacht] und machte "Music For Storms".
Im Jahr 1977 arbeiteten Sie intensivst mit David Bowie zusammen, waren für die "langsameren" seiner Songs mitverantwortlich. Wie kann man sich so eine Zusammenarbeit vorstellen?
Das war die Stimmung der Zeit und sie entstammte den späten 1960er Jahren, als Musiker versuchten, weg vom üblichen Pop-Song-Format zu kommen und Songs entweder länger oder viel, viel kürzer zu machen als üblich. Ich erinnere mich an einen Song namnes “Free“, der nur eine Minute dauerte. Ein echtes Schmuckstück, das großen Eindruck auf mich machte. Die Leute begannen Mitte der 1970er zu verstehen, dass es eine Menge gab, was sie auf einer oder mit einer Platte machen konnten. Man wollte eine Klangwelt im und mit dem Studio erstellen und nicht 'nur' eine Geschichte erzählen. Bowie und sein Produzent Tony Visconti sind ein gutes Beispiel dafür. Visconti hatte lange mit Marc Bolan an T. Rex gearbeitet und Popsong um Popsong gemacht. Nun wollten er und Bowie Soundlandschaften, wie sie es nannten, kreieren und da kam ich ihnen gerade recht. Nicht für den Rocksound, denn den hasste ich - nein: für die ruhigeren Sachen.
Was war Ihre Methode mit Bowie zu komponieren?
Jede Zusammenarbeit hilft einem zu wachsen. Mit Bowie, ist es und war es jedes Mal anders. Das Geheimnis unseres Erfolges war ... [Brain O-N-E überlegt] Oder ich sage es einmal so: Meine Stärke ist, dass ich weiß, wie man ungewöhnliche akustische Umgebungen erstellt. Und das inspirierte ihn. Und dann war da mein Talent, Menschen davon zu überzeugen, etwas Neues auszuprobieren. Ich bin in dieser Branche ein guter Verkäufer. Wenn ich in Form bin, kann ich musikalisch alles verkaufen. Jedenfalls für eine halbe Stunde! Wenn es nicht funktioniert, versuchen wir etwas anderes. [lacht] Bowie ist ein sehr aufgeschlossener Mensch, hat eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe. Er fängt etwas an, verwendet es schon am nächsten Tag in überraschender Weise und veränderte so auch meine eigene Wahrnehmung von Musik. Ich versuche bei Bowie also immer, Dinge gut vorzubereiten, bevor er sie hört, weil er in allem sehr schnell ist.
Man sagt über Sie, Sie hätten bei Studioproduktionen immer ein Set von Orakel-Karten dabei. Stimmt das?
Ja, und das macht eine Menge Spaß. Nehmen wir einmal Bowie. Wir beide zogen Karten und taten unabhängig voneinander das, was auf den Karten stand, ohne dem anderen zu sagen, was wir zu tun versuchten. Manchmal gingen wir so in entgegengesetzte Richtungen. Davids Karte sagte vielleicht: „Machen Sie eine plötzliche, unvorhersehbare Abänderung an den gerade aktuellen Song.“ und meine sagte mir: „Ändern Sie nichts und fahren Sie mit der Produktion fort“.
Gab das keine Konflikte?
In diesen Fällen, ja, natürlich. Aber bei anderen Songs hat das wirklich gut geholfen, sie weiterzuentwickeln. Die Musik ist ja, nach der Hegelschen Dialektik, stets ein Ort, an dem alles ein Konflikt ist.
Haben Sie heute noch eine Liste mit Menschen, mit denen Sie zusammenarbeiten möchten? Und was ist für Sie der Unterschied zwischen einer aktiven Produktion und einer Kollaboration?
Natürlich gibt es eine solche Liste, aber ich lasse das alles auf mich zukommen, melde mich mal hier und da oder warte, dass mich jemand fragt „Hey, Brain. Produzierst Du meine nächste Platte“. Und dann gibt es natürlich die Situation der Zusammenarbeitet und da bin ich nicht der Produzent. So bleibt jeder Einzelne auf seinem eigenen Territorium und man hat synergetische Effekte.
Was war ihre letzte Kollaboration?
Um ehrlich zu sein: Es war in diesem Sommer* und es war mit Karli Davidson. Das klingt zwar bizarr, denn er starb ja bereits Ende 2008. Aber seine Töchter baten mich darum, mich in seinem Tonarchiv umzusehen, ob da noch brauchbare Produktionen von ihm lagern, die bisher unveröffentlicht sind. Eigentlich wollte ich zwei Wochen bleiben und am Ende wurden zwei Monate daraus, die ich inder wundervollen Landschaft Thüringens verleben durfte, inklusive einiger Abstecher nach Berlin. Karl hat unter anderem ein kleines MiniDisc-Archiv mit fast 600 MiniDiscs, jede mit zwischen 30 Minuten und 300 Minuten Elektromusik. Das sind in Stunden ausgedrückt etwa 700. 700 Stunden überwiegend unveröffentlichter Musikfragmente, Songideen und fertig produzierter Songs. Und wir reden hier von einem Mann, der Rockmusiker war und die Elektromusik eher nebenher machte. Was für ein Potential da noch in seinem Tonarchiv stecken muss, kann man wohl erst in Jahren sagen. Aber, überlegen Sie einmal, wieviel Zeit er allein damit verbracht hat, diese ganzen 700 Stunden Musik aufzunehmen. Das zeigt, was er für ein Musiker war: Besessen, zwanghaft und genial.
Konnten Sie etwas Gutes, Unveröffentlichtes bei ihm finden?
Die zwei Monate haben sich für mich und seine Töchter gelohnt. Unter anderem fand ich ein bisher unveröffentlichtes Album namens „Raumfahrt“, das nun zu Weihnachten 2010 veröffentlicht werden soll.* Alles fertig produziert. Auch in meinem Werk gibt es ja ein Album über Raumfahrt, [Anm.: "So Far Away"/1999], das ich für die NASA gemacht habe, aber seine Arbeit verfolgt eine völlig andere musikalische Grundtendenz. Ich werde nur noch im November* noch einmal nach Jena kommen, um dort zwei, drei Nachmischungen zu machen, weil kleine Teile akustisch zu verzerrt sind. Aber alles in allem ein großartiges Album und ich konnte helfen, es der Welt zu schenken.*
Sie sind wirklich ein Nicht-Musiker, wie Sie immer wieder behaupten? Ich meine, Sie haben in Ihren Namen so viele Kompositionen erstellt.
Ich begann, diesem Ausdruck zu verwenden, als ich verstand, welche Art von Musiker studiere Musiker sind. Das war für mich um so viel weniger interessant als das, was ein purer, reiner, unschuldiger Musiker - in Nigeria wie Deutschland - hervorbringt. Ich möchte damit nicht zum Ausdruck bringen, dass an Musikhochschulen nicht sehr gute Musiker sind, aber wenn man Musik im klassischen Sinn studiert, dann fragt man sich: komponiere ich das nächste Lied in C-moll oder vielleicht mit einem verminderten Septakkord hier und dort ... und da. Hier bräuchten Musikstudenten zum Ausgleich einen lateralen Zugang zu zwangloseren Kompositionstechniken durch mich und andere, die sie wahrscheinlich Nicht-Musiker nennen würden. Also nenne ich mich von Anfang an Nicht-Musiker, da gibt es keine Missverständnisse. Ich benutze Instrumente ja nicht orchestral-maschinell sondern wie ein Maler, der eine Leinwand bemalt, und das auch vorwiegend ohne Noten also Vorgaben. Phil Spector ist für mich der Inbegriff des „Nicht-Musikers“. Ich weiß nicht, ob er ein Instrument spielt oder Musik studiert hat, aber das war nicht sein Beitrag zur Musikgeschichte. Sein Produktionsstil ist entscheidend, und der ist nun mal auf einer ganz anderen Ebene als der eines klassischen Musikers oder Komponisten.
© 2010 by Kevin Wyatt for "The Elecronicle" | Übersetzt von Bernd Pehle
* =Da das Interview aus dem Sommer 2010 ist, beziehen sich diese Aussagen auf das Jahr 2010. das Album ist inzwischen unter dem Titel "Raumfahrt" bei Brain O-N-Es Plattenfirma "b-o-n-e"-Records erscheinen.
1972: "Music For Poets" / 1975: "Silent Music" / 1978: "Electronic Radiation" / 1980: "Staccato Ostinato" / 1983: "Welcome To The Noise" / 1985: "Lifelights" (inzwischen "Lifelights I" betitelt) / 1987: "Music For Storms" / 1989: "My Life Is Floating" (Ballett Suite) / 1992: "The Network" / 1995: "Parcival" [Soundtrack] / 1997: "97 Windows" [for Microsoft Corporation] / 1999: "So Far Away" [for the National Aeronautics and Space Administration] / 2001: "Back To The Bone" / 2005: "xxx" / 2009: "Lifelights II" / 2010: "A Light Vessel In Troubled Water" / 2012 (geplant): "Lifelights III"
Eher zufällig verhalf er 1988 seinem späteren Freund und Geschäftspartner Karl David Korff aus Deutschland zu Aufmerksamkeit, als er dessen Musik "Lounge Musik" taufte. Jedes Geräusch, jede Harmonie wie Disharmonie, dreht sie bei ihm wie eine Kugel in ihrem eigenen Bio-Raum. Im Interview mit Kevin Wyatt redet der eher introvertierte Musiker zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder über sich und seine Musik.
[...Fortsetzung von Teil 1...]
Über "Lounge Musik" im Allgemeinen haben Sie einmal gesagt, sie sei wie spanische Paella.
Ja, es ist wie Paella, zusammengemischt aus allerlei Dingen, um zu schmecken. Zur Zeit, als ich Karl richtig kennenlernte, 1989, hatte ich mit „Music For Storms“ gerade meine Natur-Phase, so will ich sie einmal nennen, beendet. Zu dieser Zeit war ich offen für eine neue Art Musik zu schreiben. Darauf folgte meine Ballett-Suite "My Life Is Floating" / „Mein Leben schwebt“. Ich schrieb sie, spielte dis Basic-Tracks ein und habe sie dann etwa dreißig Personen zugeschickt und befragt, wie sie das finden und was sie anders machen würden. Karl schrieb mir: 'Dein Song ist ein Rap, ein Rap aus Phrasen und Geräuschen'. Und genau das war es; er hatte es als einziger erkannt. Andere schrieben mir: 'Die Musik ist zu schwach für Ballett, es fehlt an Identität, das Ganze hat keine Persönlichkeit.' Und da wusste ich, dass ich mir diesen Deutschen als Partner vorstellen könnte und wir haben dann, zuerst sporadisch, dann intensiver, zusammenbearbeitet.
Wie gehen Sie heute mit der Tatsache um, dass Ihre Arbeit nur zögernd Anerkennung erfuhr?
Das war, weil ich lange ein Außenseiter war, ein Paradiesvogel. Das machte mich für Leute wie David Bowie interessant und gleichzeitig für Plattenbosse uninteressant. Zunächst einmal, hatte ich aber nie den Eindruck, dass ich mit meiner Arbeit gegen andere Menschen kämpfen würde. Ich hatte und habe Freunde, die mich immer unterstützten und unterstützen werden. Und ich bin ja auch nicht der Einzige meiner Musikart, hatte, wie man an Karli sehen konnte, durchaus Mitstreiten. Auch Holger Czukay war und ist so einer. Ich war also niemals wirklich der Meinung, ich wäre ein Alleinerfinder. Es lag einfach in der Luft in dieser Zeit, vielleicht in Deutschland mehr, als in anderen Ländern. Aber weil ich das Ganze in Großbritannien vorantrieb, war ich dort etwas Besonders, Exotisches. Bis dahin hatten die Menschen Klänge verwendet, um ihrer Musik einen gewisse Exotik zu geben; ich denke die BEATLES sind ein gutes Beispiel dafür. Aber George Harrison hat ja auch einiges bewegt, hat die Weltmusik angestoßen mit den ersten Tönen einer Sitar in „Norwegian Wood“.
Sie sagten einmal, „Graceland“ von Paul Simon sein ein weiterer Schritt gewesen, Sie zu motivieren, neue Wege zu gehen.
Ich habe ein seltsames Verhältnis zu diesem Album. Ich liebe es, aber es ist eines der wenigen Dinge, bei denen ich ständig denke: Ich hätte es machen müssen. Sehen Sie, damals war ich nach Afrika gegangen, nach Nigeria. Das war 1985. Ich arbeitete mit vielen Musikern dort drüben, erarbeitete mir einige Grundsounds für "Lifelights", träumte von einer wirklichen künstlerischen Zusammenarbeit mit ihnen. Das war lange vor "My Life Is Floating". Für "My Life“ begann ich mit der Komposition der Musik und habe nach fremdartigen Stimmen gesucht. In Nigeria wollte ich noch das Gegenteil, wollte mehr konventionell sein, war von diesen Rhythmen, dieser Art, Musik zu spielen, fasziniert. Ich machte viele Ton-Aufnahmen in Afrika. Zurück in Toronto hatte ich 1986 die Idee, Songs zu schreiben mit den Musikern aus Nigeria eine Platte mit ihren Sounds und Instrumenten und Songstrukturen zu machen. Und dann kam Paul Simon und hatte das alles schon gemacht. Da wurde ich eifersüchtig, denn diese, wie ich dachte „meine“ Musik, existierte plötzlich ohne mich. Ich musste mich abreagieren [lacht] und machte "Music For Storms".
Im Jahr 1977 arbeiteten Sie intensivst mit David Bowie zusammen, waren für die "langsameren" seiner Songs mitverantwortlich. Wie kann man sich so eine Zusammenarbeit vorstellen?
Das war die Stimmung der Zeit und sie entstammte den späten 1960er Jahren, als Musiker versuchten, weg vom üblichen Pop-Song-Format zu kommen und Songs entweder länger oder viel, viel kürzer zu machen als üblich. Ich erinnere mich an einen Song namnes “Free“, der nur eine Minute dauerte. Ein echtes Schmuckstück, das großen Eindruck auf mich machte. Die Leute begannen Mitte der 1970er zu verstehen, dass es eine Menge gab, was sie auf einer oder mit einer Platte machen konnten. Man wollte eine Klangwelt im und mit dem Studio erstellen und nicht 'nur' eine Geschichte erzählen. Bowie und sein Produzent Tony Visconti sind ein gutes Beispiel dafür. Visconti hatte lange mit Marc Bolan an T. Rex gearbeitet und Popsong um Popsong gemacht. Nun wollten er und Bowie Soundlandschaften, wie sie es nannten, kreieren und da kam ich ihnen gerade recht. Nicht für den Rocksound, denn den hasste ich - nein: für die ruhigeren Sachen.
Was war Ihre Methode mit Bowie zu komponieren?
Jede Zusammenarbeit hilft einem zu wachsen. Mit Bowie, ist es und war es jedes Mal anders. Das Geheimnis unseres Erfolges war ... [Brain O-N-E überlegt] Oder ich sage es einmal so: Meine Stärke ist, dass ich weiß, wie man ungewöhnliche akustische Umgebungen erstellt. Und das inspirierte ihn. Und dann war da mein Talent, Menschen davon zu überzeugen, etwas Neues auszuprobieren. Ich bin in dieser Branche ein guter Verkäufer. Wenn ich in Form bin, kann ich musikalisch alles verkaufen. Jedenfalls für eine halbe Stunde! Wenn es nicht funktioniert, versuchen wir etwas anderes. [lacht] Bowie ist ein sehr aufgeschlossener Mensch, hat eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe. Er fängt etwas an, verwendet es schon am nächsten Tag in überraschender Weise und veränderte so auch meine eigene Wahrnehmung von Musik. Ich versuche bei Bowie also immer, Dinge gut vorzubereiten, bevor er sie hört, weil er in allem sehr schnell ist.
Man sagt über Sie, Sie hätten bei Studioproduktionen immer ein Set von Orakel-Karten dabei. Stimmt das?
Ja, und das macht eine Menge Spaß. Nehmen wir einmal Bowie. Wir beide zogen Karten und taten unabhängig voneinander das, was auf den Karten stand, ohne dem anderen zu sagen, was wir zu tun versuchten. Manchmal gingen wir so in entgegengesetzte Richtungen. Davids Karte sagte vielleicht: „Machen Sie eine plötzliche, unvorhersehbare Abänderung an den gerade aktuellen Song.“ und meine sagte mir: „Ändern Sie nichts und fahren Sie mit der Produktion fort“.
Gab das keine Konflikte?
In diesen Fällen, ja, natürlich. Aber bei anderen Songs hat das wirklich gut geholfen, sie weiterzuentwickeln. Die Musik ist ja, nach der Hegelschen Dialektik, stets ein Ort, an dem alles ein Konflikt ist.
Haben Sie heute noch eine Liste mit Menschen, mit denen Sie zusammenarbeiten möchten? Und was ist für Sie der Unterschied zwischen einer aktiven Produktion und einer Kollaboration?
Natürlich gibt es eine solche Liste, aber ich lasse das alles auf mich zukommen, melde mich mal hier und da oder warte, dass mich jemand fragt „Hey, Brain. Produzierst Du meine nächste Platte“. Und dann gibt es natürlich die Situation der Zusammenarbeitet und da bin ich nicht der Produzent. So bleibt jeder Einzelne auf seinem eigenen Territorium und man hat synergetische Effekte.
Was war ihre letzte Kollaboration?
Um ehrlich zu sein: Es war in diesem Sommer* und es war mit Karli Davidson. Das klingt zwar bizarr, denn er starb ja bereits Ende 2008. Aber seine Töchter baten mich darum, mich in seinem Tonarchiv umzusehen, ob da noch brauchbare Produktionen von ihm lagern, die bisher unveröffentlicht sind. Eigentlich wollte ich zwei Wochen bleiben und am Ende wurden zwei Monate daraus, die ich inder wundervollen Landschaft Thüringens verleben durfte, inklusive einiger Abstecher nach Berlin. Karl hat unter anderem ein kleines MiniDisc-Archiv mit fast 600 MiniDiscs, jede mit zwischen 30 Minuten und 300 Minuten Elektromusik. Das sind in Stunden ausgedrückt etwa 700. 700 Stunden überwiegend unveröffentlichter Musikfragmente, Songideen und fertig produzierter Songs. Und wir reden hier von einem Mann, der Rockmusiker war und die Elektromusik eher nebenher machte. Was für ein Potential da noch in seinem Tonarchiv stecken muss, kann man wohl erst in Jahren sagen. Aber, überlegen Sie einmal, wieviel Zeit er allein damit verbracht hat, diese ganzen 700 Stunden Musik aufzunehmen. Das zeigt, was er für ein Musiker war: Besessen, zwanghaft und genial.
Konnten Sie etwas Gutes, Unveröffentlichtes bei ihm finden?
Die zwei Monate haben sich für mich und seine Töchter gelohnt. Unter anderem fand ich ein bisher unveröffentlichtes Album namens „Raumfahrt“, das nun zu Weihnachten 2010 veröffentlicht werden soll.* Alles fertig produziert. Auch in meinem Werk gibt es ja ein Album über Raumfahrt, [Anm.: "So Far Away"/1999], das ich für die NASA gemacht habe, aber seine Arbeit verfolgt eine völlig andere musikalische Grundtendenz. Ich werde nur noch im November* noch einmal nach Jena kommen, um dort zwei, drei Nachmischungen zu machen, weil kleine Teile akustisch zu verzerrt sind. Aber alles in allem ein großartiges Album und ich konnte helfen, es der Welt zu schenken.*
Sie sind wirklich ein Nicht-Musiker, wie Sie immer wieder behaupten? Ich meine, Sie haben in Ihren Namen so viele Kompositionen erstellt.
Ich begann, diesem Ausdruck zu verwenden, als ich verstand, welche Art von Musiker studiere Musiker sind. Das war für mich um so viel weniger interessant als das, was ein purer, reiner, unschuldiger Musiker - in Nigeria wie Deutschland - hervorbringt. Ich möchte damit nicht zum Ausdruck bringen, dass an Musikhochschulen nicht sehr gute Musiker sind, aber wenn man Musik im klassischen Sinn studiert, dann fragt man sich: komponiere ich das nächste Lied in C-moll oder vielleicht mit einem verminderten Septakkord hier und dort ... und da. Hier bräuchten Musikstudenten zum Ausgleich einen lateralen Zugang zu zwangloseren Kompositionstechniken durch mich und andere, die sie wahrscheinlich Nicht-Musiker nennen würden. Also nenne ich mich von Anfang an Nicht-Musiker, da gibt es keine Missverständnisse. Ich benutze Instrumente ja nicht orchestral-maschinell sondern wie ein Maler, der eine Leinwand bemalt, und das auch vorwiegend ohne Noten also Vorgaben. Phil Spector ist für mich der Inbegriff des „Nicht-Musikers“. Ich weiß nicht, ob er ein Instrument spielt oder Musik studiert hat, aber das war nicht sein Beitrag zur Musikgeschichte. Sein Produktionsstil ist entscheidend, und der ist nun mal auf einer ganz anderen Ebene als der eines klassischen Musikers oder Komponisten.
© 2010 by Kevin Wyatt for "The Elecronicle" | Übersetzt von Bernd Pehle
* =Da das Interview aus dem Sommer 2010 ist, beziehen sich diese Aussagen auf das Jahr 2010. das Album ist inzwischen unter dem Titel "Raumfahrt" bei Brain O-N-Es Plattenfirma "b-o-n-e"-Records erscheinen.
Donnerstag, 17. März 2011
1992-03-17 | Charly "Hardrock" Davidson: Gefängnis-Liaison mit den Scorpions
Vor 20 Jahren:
Nächste Woche erscheint mit dem Titelsong die erste Auskopplung aus Charly Davidsons neuem Album "Ausbrecher". Gestern stelle er Ausschnitte in einem leerstehenden Gefängnis in Offenbach der Presse und ausgewählten Fans vor. Herbert Reuter berichtet;
Das sitzt er also: einer der erfolgreichsten Künstler Deutschlands. Sitzt auf einer Pritsche im alten Offenbacher Gefängnis in der Kaiserstraße, trotz Jackett irgendwie hemdsärmelig, ein klein wenig unrasiert, körperlich ein bisschen aus dem Leim gekommen. Charly Davidson kokettiert mit seinem unfreiwilligen Gefängnisaufenthalt im letzten Jahr, als er für Wochen in Untersuchungshaft saß, nach einem schweren Autounfall und aufgrund einer übereifrigen Justiz. Und er beantwortet Fragen seiner Fans, die ihn fast durchweg "Charly" nennen, obwohl er unter dem bürgerlichen Namen Karl David Korff geboren wurde.
Charly Davidson, von dem inzwischen jeder weiß, wo er herkommt, weil er mit seinem ersten Album unter dem bürgerlichen Namen ausgrechnet in Großbritannien und darüber hinaus Erfolg hatte, während er in "Good old Germany", wie er es nennt, als "Charly" bekannt wurde, ihm seinen ungewöhnlichen Gesang nahebrachte und mit jeder neuen Platte unaufhaltsam dem Pop-Olymp erklomm.. Bis zu jenem Tag vor einem Jahr, als er verhaftet und öffentlichkeitswirksam eingekerkert wurde. Drei Wochen saß Davidson in einer Frankfurter JVA, beteuerte stets seine Unschuld ("Ja, ich saß im Wagen, bin aber nicht gefahren.") und wurde, nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt seiner Haftbeschwerde stattgegeben hatte, freigelassen. Obwohl er vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung auf der Autobahn A 66 freigesprochen wurde, war da das Urteil der Boulevardpresse längst gefällt. Davidson zog die Konsequenz und um nach Thüringen.
Bei der "Vorhör-Session" zum neuen Album, das also nicht ohne Grund "Ausbrecher" heißt und im Gefängnis präsentiert wurde, ging es selbstredend auch wieder um Authentizität, Glaubwürdigkeit. Vorerst nur auf der auditiven Ebene, die neue Platte wurde - neben der Single-Auskopplung gleichen Namens plus bitterböser B-Seite ("BILD-Seite", wie Davidson sie nennt) "Querulantensäue" - erstmalig präsentiert, dazu gab es "Mineral-"Wasser und Brot und Texte zum Mitlesen.
"Man kann den Tag nicht an den Stunden messen" heißt ein Song in Davidsons unnachahmlich gewohnt verkopft-lässiger Sprachart, immer ein wenig kompliziert und doch nach kurzem Nachdenken auch für seichte Gemüter zu verdauen. "Du feige Sau" wird da schon konkreter und bei "Querulantensäue" kann man sicher sein, dass er sich damit keine neuen Freunde im Zeitungsboulevardrevier macht.
Das neue Album "Ausbrecher" kreist, verkürzt gesagt, um das große Ich und das große Du, summa summarum die Gesellschaft und wie sie mit Menschen umgeht, gelegentlich kryptisch verbrämt in Phrasen und Gegenphrasen, wie in "Die Nacht der Gewohnheit" oder "Der Mann, der nicht Moses war", gelegentlich einfach und entwaffnend wie in "Hinter Gittern, kann man zittern, kann man heulen, kriegt man Beulen, auch beim Sex".
Keine Frage: Da hat einer die unfreiwillige Zeit im Gefängnis genutzt zu einer Bestandaufnahme dessen, was er erlebet, gehört, vermutet hat. Das ist eben die Kunst, die manche Menschen beherrschen, das Assimiliern, das "Chamälionisieren", wie es Davidson nannte. Und: er kann es, und: er macht er und bringt gleich musikalisch die notwendige Härte mit ins Spiel, engagierte die Scorpions als Back-Up-Band.
Was heraus gekommen ist, jedenfalls im Urteil nach dem ersten Durchhören der Ausschnitte, die er im Offenbacher Gefängnis präsentierte: große Gesten im Hard-Rock-Sound, großer Aufwand an Instrumenten und Klängen: Zu den verzerrrten Gitarren kommen Bläser, Streicher, das Klavier perlt ohnehin permanent immer im Hintergrund mit. Was man auch ohne das Mitleseblatt mitkriegen würde, sind in Davidsonscher Manier herausgepresste Textfetzen à la "Tier", "Qual", "Ziel", "Traum". Insofern wird dieses Album eine sichere Sache für Fans, eine unsichere Sache für die Plattenfirma, denn das Ding war offensichtlich (und nicht nur wegen der Skorpione) teuer und die BILD und andere Springer-Blätter werden es wohl kaum promoten.
Und: Kann man ein so persönliches Album wie "Ausbrecher" überhaupt goutieren? In den Gefängnismauern kommt es jedenfalls exzellent an, und später, nach dem der Reisebuss mit allen Auserwählten in Hanau-Steinheim in "Charlys Studio" angekommen ist und Charly in seinem Garten zur Grillparty bittet, sind die meisten in Stimmung für das niedliche Unplugged-Exquisitkonzert des Künstlers am Klavier, das gleichzeitig von hr3 live übertragen wird.
Davidson zeigt sich mit viel Herz und Schnauze, versingt sich charmant, spielt Klavierarpeggien, verrät dazu halblaut: "Das könnte ich jetzt ewig so weiterspielen" und bricht damit locker den selbst aufgebauten Pathos. Die Fragen der zugeschalteten Radiosender beantwortet er spontan und duzend, immer wieder auf aktuelles Geschehen - Main-Donau-Kanal und Franz-Josef-Strauß-Flughafen - angesprochen, lässt er sich zu ein paar vagen regierungskritischen, richtigen und nicht weiter auffälligen Aussagen hinreißen. Aber das ist ja heute auch nicht seine Mission.
Am Ende will er gar nicht von der Bühne, bemerkt, dass vor dem Garten inzwischen dutzende Fans warten, die es im Radio mitbekommen haben, dass Davidson hier live spielt, lässt nach der Verabschiedung immer noch neue Fragen zu, und erstmalig keimt der Gedanke, inwiefern dieses Fraternisieren mit dem Publikum aus einer Berechnung heraus resultieren könnte, wo er doch gerade von "hier" weg und nach Thüringen gezogen ist. Oder ist alles doch nur schlichtes Nettsein? Einfaches Mal-wieder-Leute-Treffen? Schließlich bringt Davidson seine Alben in regelmäßigen Abständen heraus, also wieso sollte er es nicht genießen, von wohlmeinenden Menschen umgeben zu sein?
Dennoch fehlen beim neuen Album die konkreten Themen: Was man stets an seinen Hits mochte, ob man nun auf die Musik steht oder nicht, waren die hintergründigen und genauen Aussagen, die Widerhaken-Textzeilen: Menschlichkeit, Betrug, Verlust sind fassbare Topics. Auf der neuen Platte geht es zwar auch, wie Davidson erklärt, in einem Song um den Krieg, in einem anderen um die Krankheit seines Vaters. "Das ist aber nicht so wichtig", meint er, in der Hoffnung, musikalisch aussagekräftig genug zu sein. Das ist er dann auch vielleicht, für seine Fans. Und für alle, die bei "Totgesagte leben länger" an Davidsons Vater, oder bei "Du feige Sau" gleich den Krieg assoziieren. Für den Rest allerdings bleibt "Ausbrecher" ein Album, das irgendwie nicht richtig abgeht. Trotz des verführerischen Weibes auf dem Cover, dessen Verbindung mit dem Album sich (nicht nur mir) einfach nicht erschließen will.
Nächste Woche erscheint mit dem Titelsong die erste Auskopplung aus Charly Davidsons neuem Album "Ausbrecher". Gestern stelle er Ausschnitte in einem leerstehenden Gefängnis in Offenbach der Presse und ausgewählten Fans vor. Herbert Reuter berichtet;
Das sitzt er also: einer der erfolgreichsten Künstler Deutschlands. Sitzt auf einer Pritsche im alten Offenbacher Gefängnis in der Kaiserstraße, trotz Jackett irgendwie hemdsärmelig, ein klein wenig unrasiert, körperlich ein bisschen aus dem Leim gekommen. Charly Davidson kokettiert mit seinem unfreiwilligen Gefängnisaufenthalt im letzten Jahr, als er für Wochen in Untersuchungshaft saß, nach einem schweren Autounfall und aufgrund einer übereifrigen Justiz. Und er beantwortet Fragen seiner Fans, die ihn fast durchweg "Charly" nennen, obwohl er unter dem bürgerlichen Namen Karl David Korff geboren wurde.
Charly Davidson, von dem inzwischen jeder weiß, wo er herkommt, weil er mit seinem ersten Album unter dem bürgerlichen Namen ausgrechnet in Großbritannien und darüber hinaus Erfolg hatte, während er in "Good old Germany", wie er es nennt, als "Charly" bekannt wurde, ihm seinen ungewöhnlichen Gesang nahebrachte und mit jeder neuen Platte unaufhaltsam dem Pop-Olymp erklomm.. Bis zu jenem Tag vor einem Jahr, als er verhaftet und öffentlichkeitswirksam eingekerkert wurde. Drei Wochen saß Davidson in einer Frankfurter JVA, beteuerte stets seine Unschuld ("Ja, ich saß im Wagen, bin aber nicht gefahren.") und wurde, nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt seiner Haftbeschwerde stattgegeben hatte, freigelassen. Obwohl er vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung auf der Autobahn A 66 freigesprochen wurde, war da das Urteil der Boulevardpresse längst gefällt. Davidson zog die Konsequenz und um nach Thüringen.
Bei der "Vorhör-Session" zum neuen Album, das also nicht ohne Grund "Ausbrecher" heißt und im Gefängnis präsentiert wurde, ging es selbstredend auch wieder um Authentizität, Glaubwürdigkeit. Vorerst nur auf der auditiven Ebene, die neue Platte wurde - neben der Single-Auskopplung gleichen Namens plus bitterböser B-Seite ("BILD-Seite", wie Davidson sie nennt) "Querulantensäue" - erstmalig präsentiert, dazu gab es "Mineral-"Wasser und Brot und Texte zum Mitlesen.
"Man kann den Tag nicht an den Stunden messen" heißt ein Song in Davidsons unnachahmlich gewohnt verkopft-lässiger Sprachart, immer ein wenig kompliziert und doch nach kurzem Nachdenken auch für seichte Gemüter zu verdauen. "Du feige Sau" wird da schon konkreter und bei "Querulantensäue" kann man sicher sein, dass er sich damit keine neuen Freunde im Zeitungsboulevardrevier macht.
Das neue Album "Ausbrecher" kreist, verkürzt gesagt, um das große Ich und das große Du, summa summarum die Gesellschaft und wie sie mit Menschen umgeht, gelegentlich kryptisch verbrämt in Phrasen und Gegenphrasen, wie in "Die Nacht der Gewohnheit" oder "Der Mann, der nicht Moses war", gelegentlich einfach und entwaffnend wie in "Hinter Gittern, kann man zittern, kann man heulen, kriegt man Beulen, auch beim Sex".
Keine Frage: Da hat einer die unfreiwillige Zeit im Gefängnis genutzt zu einer Bestandaufnahme dessen, was er erlebet, gehört, vermutet hat. Das ist eben die Kunst, die manche Menschen beherrschen, das Assimiliern, das "Chamälionisieren", wie es Davidson nannte. Und: er kann es, und: er macht er und bringt gleich musikalisch die notwendige Härte mit ins Spiel, engagierte die Scorpions als Back-Up-Band.
Was heraus gekommen ist, jedenfalls im Urteil nach dem ersten Durchhören der Ausschnitte, die er im Offenbacher Gefängnis präsentierte: große Gesten im Hard-Rock-Sound, großer Aufwand an Instrumenten und Klängen: Zu den verzerrrten Gitarren kommen Bläser, Streicher, das Klavier perlt ohnehin permanent immer im Hintergrund mit. Was man auch ohne das Mitleseblatt mitkriegen würde, sind in Davidsonscher Manier herausgepresste Textfetzen à la "Tier", "Qual", "Ziel", "Traum". Insofern wird dieses Album eine sichere Sache für Fans, eine unsichere Sache für die Plattenfirma, denn das Ding war offensichtlich (und nicht nur wegen der Skorpione) teuer und die BILD und andere Springer-Blätter werden es wohl kaum promoten.
Und: Kann man ein so persönliches Album wie "Ausbrecher" überhaupt goutieren? In den Gefängnismauern kommt es jedenfalls exzellent an, und später, nach dem der Reisebuss mit allen Auserwählten in Hanau-Steinheim in "Charlys Studio" angekommen ist und Charly in seinem Garten zur Grillparty bittet, sind die meisten in Stimmung für das niedliche Unplugged-Exquisitkonzert des Künstlers am Klavier, das gleichzeitig von hr3 live übertragen wird.
Davidson zeigt sich mit viel Herz und Schnauze, versingt sich charmant, spielt Klavierarpeggien, verrät dazu halblaut: "Das könnte ich jetzt ewig so weiterspielen" und bricht damit locker den selbst aufgebauten Pathos. Die Fragen der zugeschalteten Radiosender beantwortet er spontan und duzend, immer wieder auf aktuelles Geschehen - Main-Donau-Kanal und Franz-Josef-Strauß-Flughafen - angesprochen, lässt er sich zu ein paar vagen regierungskritischen, richtigen und nicht weiter auffälligen Aussagen hinreißen. Aber das ist ja heute auch nicht seine Mission.
Am Ende will er gar nicht von der Bühne, bemerkt, dass vor dem Garten inzwischen dutzende Fans warten, die es im Radio mitbekommen haben, dass Davidson hier live spielt, lässt nach der Verabschiedung immer noch neue Fragen zu, und erstmalig keimt der Gedanke, inwiefern dieses Fraternisieren mit dem Publikum aus einer Berechnung heraus resultieren könnte, wo er doch gerade von "hier" weg und nach Thüringen gezogen ist. Oder ist alles doch nur schlichtes Nettsein? Einfaches Mal-wieder-Leute-Treffen? Schließlich bringt Davidson seine Alben in regelmäßigen Abständen heraus, also wieso sollte er es nicht genießen, von wohlmeinenden Menschen umgeben zu sein?
Dennoch fehlen beim neuen Album die konkreten Themen: Was man stets an seinen Hits mochte, ob man nun auf die Musik steht oder nicht, waren die hintergründigen und genauen Aussagen, die Widerhaken-Textzeilen: Menschlichkeit, Betrug, Verlust sind fassbare Topics. Auf der neuen Platte geht es zwar auch, wie Davidson erklärt, in einem Song um den Krieg, in einem anderen um die Krankheit seines Vaters. "Das ist aber nicht so wichtig", meint er, in der Hoffnung, musikalisch aussagekräftig genug zu sein. Das ist er dann auch vielleicht, für seine Fans. Und für alle, die bei "Totgesagte leben länger" an Davidsons Vater, oder bei "Du feige Sau" gleich den Krieg assoziieren. Für den Rest allerdings bleibt "Ausbrecher" ein Album, das irgendwie nicht richtig abgeht. Trotz des verführerischen Weibes auf dem Cover, dessen Verbindung mit dem Album sich (nicht nur mir) einfach nicht erschließen will.
Mittwoch, 9. Februar 2011
2006-02-09 | "Anfangs schrieb ich Songs aus sexuellen Gründen" - Bekenntnisse einer Rocklegende
Vor fünf Jahren in der BILD:
Er hat es nicht verlernt! Musik-Aktivist Charly Davidson (48, „Überflieger“) brachte vor kurzem wieder ein Album heraus und geht jetzt auf Tour. Ein BILD-Interview über Sex und Deutschrock und Rock 'n' Roll!
BILD: Nervt es Sie eigentlich, dass wir Sie immer als Deutschrocker betiteln?
Charly Davidson: „Nein. Sie tun das doch in dem Glauben, dass mich die meisten Leser vom Deutschrock her kennen. Was ja nicht so abwegig ist.“
BILD: Sind Sie es leid, immer in Deutsch zu singen?
Davidson: „Nein, sonst würde ich es lassen. Ich bin natürlich kein Zirkuspferd, das jahrein, jahraus das Selbe macht. Aber Deutschrock ist gut. Und es ist unglaublich, dass ich vor dreißig Jahren mal nur in Englisch gesungen habe.“
BILD: Wie lief Ihr allererster Auftritt ab?
Davidson: „In einem Klassenzimmer meiner Schule, 1975. Vor vielleicht 30 Leuten. Mir war das so unangenehm, vor Mitschülern zu singen - ich dachte, es würde fürchterlich in die Hose gehen.“
BILD: Ging es schief?
Davidson: „Nein, einige lachten zwar, aber anderen gefiel es - zum ersten Mal in meinem Leben fand jemand etwas gut, was ich machte. Dann, in der Pause, kam ein Mädchen zu mir und fragte: „Bringst du mir Gitarre spielen bei?“ Das war für mich der Moment der Erleuchtung!“
BILD: Und? Hatten Sie Sex?
Davidson: „Damals, mit ihr? Nein. Ich brachte ihr ja tatsächlich Gitarrenakkorde bei. Ob sie mehr wollte, weiß ich nicht. Zwei Jahre später war das natürlich völlig anders. Darin besteht doch der ganze Sinn, Rockmusik zu machen! Im Ernst: Als Junge hatte ich in irgendwelchen Erotik-Zeitschriften von Mädchen gelesen, die sich freiwillig Männern sexuell hingeben. Nur: Ich habe das natürlich nie, NIE geglaubt!“
BILD: Sie haben Ende des letzten Jahres ein Album veröffentlicht, das „Reizwolf“ heißt. Weshalb?
Davidson: „Weil ich Lust dazu hatte, denn Musik ist das Einzige, was mir wirklich Spaß macht. Mein Engagement, meine sonstige Arbeit sind mir inzwischen natürlich wahnsinnig wichtig geworden. Aber Songs zu schreiben, im Studio zu sein, zu singen - daran hängt mein ganzes Herz. Das ist angeboren, und ich bin in der glücklichen Lage, meinem Drang folgen zu können. Nach und nach häufen sich Dinge an im Hinterland meines Gehirns, wie Abrieb von Gedanken. Der muss irgendwann auch wieder raus und dann fange an, auf meinem Keyboard herumzududeln. Anfangs denkst du: Was das wohl wieder werden wird, bis plötzlich klar ist: Das ist es! So entstanden einige neue Songs. Natürlich alles Werke von ausgeprägter Intellektualität...“ (lacht)
BILD: Ein Lied klingt wie ein walisischer Folksong ...
Davidson: „Ja, Ich bin ja in Wales geboren, aber das war eigentlich nur ein Spaß ...“
BILD: ... es geht darin auch um Ihre Ex-Frau Sabine...
Davidson: „Stop: In dem Lied geht es um mein ganzes Leben. Eigentlich tragisch, 47 Jahre lassen sich tatsächlich in 47 Worten zusammenfassen (lacht). Und: Ja, dieser Teil gehört dazu. »Der Stachel einer Honigsabine« - vier Worte. Gut mit meiner ersten Frau waren es ein paar Jahre mehr.“
BILD: Keine Bitterkeit?
Davidson: „Nein. Ich gehe damit heute entspannt um, es ist nun mal passiert, wie es passiert ist.“
BILD: Wie kam es zum Album-Titel?
Davidson: „Bei einem Freund stand dieses Buch im Bücherregal, aus den 30er-Jahren: »Reizwolf«. Ich schlug es auf und las. Fantastisch! Ich habe dann gleich meinen Text gleichen Titels geschrieben und das war alles.“
BILD: So einfach ging das?
Davidson: „Kleine Kinder machen sich auch alles einfach.“
BILD: Trauern Sie Ihrer Jugend nach?
Davidson: „Ganz sicher nicht. Meine Jugend war frustrierend. Meine Eltern und ich und meine Schwester lebten in bescheidenen Verhältnissen. Wir hatten kaum Geld, nur ein Radio, keinen Fernseher. Ich hasste die Schule - und hatte Panik, dass mir nie was gelingen würde. Ich war ein richtiger Loser. Und dann rutschte ich in die Musik und mit einem Mal konnte ich Dinge ausdrücken, die ich zuvor nie hatte ausdrücken können.“
BILD: Wenn Sie Lieder schreiben odergeschrieben haben, waren Sie da jemals zugedröhnt?
Davidson:(lacht) „Nein. Niemals. Aber zugegeben: es geschah anfangs auch aus sexuellen Gründen. Das Tolle daran, Sänger in einer Band zu sein - damals war das dazu noch eine Politrockband - ist, dass du Frauen kennen lernst. Man tourt durch Friesland, wo nichts los ist, und man weiß: Heute Nacht werde ich flachgelegt. Ich konnte das ja, wie gesagt, nie glauben, aber es ist tatsächlich so passiert. Großartig! Rocksänger ist der beste Job der Welt, ich kann das jedem jungen Mann nur dringend empfehlen.“
BILD: Nur jungen Männern?
Davidson: „Auf Dauer ist es etwas ermüdend. Ich sage das nicht aus eigener Erfahrung, denn ich habe damals ja schnell geheiratet und nach der Scheidung heirate ich jetzt auch wieder ganz schnell. Aber man hat es mir berichtet. Ich war ja nicht alleine in meiner Band - man kann sagen, ich hatte ständig Begleitung. (lacht) Obwohl ich all das nie als Selbstverständlichkeit empfunden habe. Aber es kam durchaus und mehr als einmal vor, dass ich Backstage nach den Konzerten in der Garderobe mal was vergessen hatte und als ich es holen wollte, störte ich unseren Bassmann oder Schlagzeuger bei der Erledigung wichtiger Dinge. Das war so und wird wohl im Musikbusiness immer so bleiben.“
BILD: Dürften Ihre eigenen Töchter so etwas machen?
Davidson: „Sie wissen doch: Ich rede nie über meine Kinder.“
BILD: Sind Sie stolz auf beide?
Davidson: „Okay, ausnahmsweise: Ja, bin ich.“
Er hat es nicht verlernt! Musik-Aktivist Charly Davidson (48, „Überflieger“) brachte vor kurzem wieder ein Album heraus und geht jetzt auf Tour. Ein BILD-Interview über Sex und Deutschrock und Rock 'n' Roll!
BILD: Nervt es Sie eigentlich, dass wir Sie immer als Deutschrocker betiteln?
Charly Davidson: „Nein. Sie tun das doch in dem Glauben, dass mich die meisten Leser vom Deutschrock her kennen. Was ja nicht so abwegig ist.“
BILD: Sind Sie es leid, immer in Deutsch zu singen?
Davidson: „Nein, sonst würde ich es lassen. Ich bin natürlich kein Zirkuspferd, das jahrein, jahraus das Selbe macht. Aber Deutschrock ist gut. Und es ist unglaublich, dass ich vor dreißig Jahren mal nur in Englisch gesungen habe.“
BILD: Wie lief Ihr allererster Auftritt ab?
Davidson: „In einem Klassenzimmer meiner Schule, 1975. Vor vielleicht 30 Leuten. Mir war das so unangenehm, vor Mitschülern zu singen - ich dachte, es würde fürchterlich in die Hose gehen.“
BILD: Ging es schief?
Davidson: „Nein, einige lachten zwar, aber anderen gefiel es - zum ersten Mal in meinem Leben fand jemand etwas gut, was ich machte. Dann, in der Pause, kam ein Mädchen zu mir und fragte: „Bringst du mir Gitarre spielen bei?“ Das war für mich der Moment der Erleuchtung!“
BILD: Und? Hatten Sie Sex?
Davidson: „Damals, mit ihr? Nein. Ich brachte ihr ja tatsächlich Gitarrenakkorde bei. Ob sie mehr wollte, weiß ich nicht. Zwei Jahre später war das natürlich völlig anders. Darin besteht doch der ganze Sinn, Rockmusik zu machen! Im Ernst: Als Junge hatte ich in irgendwelchen Erotik-Zeitschriften von Mädchen gelesen, die sich freiwillig Männern sexuell hingeben. Nur: Ich habe das natürlich nie, NIE geglaubt!“
BILD: Sie haben Ende des letzten Jahres ein Album veröffentlicht, das „Reizwolf“ heißt. Weshalb?
Davidson: „Weil ich Lust dazu hatte, denn Musik ist das Einzige, was mir wirklich Spaß macht. Mein Engagement, meine sonstige Arbeit sind mir inzwischen natürlich wahnsinnig wichtig geworden. Aber Songs zu schreiben, im Studio zu sein, zu singen - daran hängt mein ganzes Herz. Das ist angeboren, und ich bin in der glücklichen Lage, meinem Drang folgen zu können. Nach und nach häufen sich Dinge an im Hinterland meines Gehirns, wie Abrieb von Gedanken. Der muss irgendwann auch wieder raus und dann fange an, auf meinem Keyboard herumzududeln. Anfangs denkst du: Was das wohl wieder werden wird, bis plötzlich klar ist: Das ist es! So entstanden einige neue Songs. Natürlich alles Werke von ausgeprägter Intellektualität...“ (lacht)
BILD: Ein Lied klingt wie ein walisischer Folksong ...
Davidson: „Ja, Ich bin ja in Wales geboren, aber das war eigentlich nur ein Spaß ...“
BILD: ... es geht darin auch um Ihre Ex-Frau Sabine...
Davidson: „Stop: In dem Lied geht es um mein ganzes Leben. Eigentlich tragisch, 47 Jahre lassen sich tatsächlich in 47 Worten zusammenfassen (lacht). Und: Ja, dieser Teil gehört dazu. »Der Stachel einer Honigsabine« - vier Worte. Gut mit meiner ersten Frau waren es ein paar Jahre mehr.“
BILD: Keine Bitterkeit?
Davidson: „Nein. Ich gehe damit heute entspannt um, es ist nun mal passiert, wie es passiert ist.“
BILD: Wie kam es zum Album-Titel?
Davidson: „Bei einem Freund stand dieses Buch im Bücherregal, aus den 30er-Jahren: »Reizwolf«. Ich schlug es auf und las. Fantastisch! Ich habe dann gleich meinen Text gleichen Titels geschrieben und das war alles.“
BILD: So einfach ging das?
Davidson: „Kleine Kinder machen sich auch alles einfach.“
BILD: Trauern Sie Ihrer Jugend nach?
Davidson: „Ganz sicher nicht. Meine Jugend war frustrierend. Meine Eltern und ich und meine Schwester lebten in bescheidenen Verhältnissen. Wir hatten kaum Geld, nur ein Radio, keinen Fernseher. Ich hasste die Schule - und hatte Panik, dass mir nie was gelingen würde. Ich war ein richtiger Loser. Und dann rutschte ich in die Musik und mit einem Mal konnte ich Dinge ausdrücken, die ich zuvor nie hatte ausdrücken können.“
BILD: Wenn Sie Lieder schreiben odergeschrieben haben, waren Sie da jemals zugedröhnt?
Davidson:(lacht) „Nein. Niemals. Aber zugegeben: es geschah anfangs auch aus sexuellen Gründen. Das Tolle daran, Sänger in einer Band zu sein - damals war das dazu noch eine Politrockband - ist, dass du Frauen kennen lernst. Man tourt durch Friesland, wo nichts los ist, und man weiß: Heute Nacht werde ich flachgelegt. Ich konnte das ja, wie gesagt, nie glauben, aber es ist tatsächlich so passiert. Großartig! Rocksänger ist der beste Job der Welt, ich kann das jedem jungen Mann nur dringend empfehlen.“
BILD: Nur jungen Männern?
Davidson: „Auf Dauer ist es etwas ermüdend. Ich sage das nicht aus eigener Erfahrung, denn ich habe damals ja schnell geheiratet und nach der Scheidung heirate ich jetzt auch wieder ganz schnell. Aber man hat es mir berichtet. Ich war ja nicht alleine in meiner Band - man kann sagen, ich hatte ständig Begleitung. (lacht) Obwohl ich all das nie als Selbstverständlichkeit empfunden habe. Aber es kam durchaus und mehr als einmal vor, dass ich Backstage nach den Konzerten in der Garderobe mal was vergessen hatte und als ich es holen wollte, störte ich unseren Bassmann oder Schlagzeuger bei der Erledigung wichtiger Dinge. Das war so und wird wohl im Musikbusiness immer so bleiben.“
BILD: Dürften Ihre eigenen Töchter so etwas machen?
Davidson: „Sie wissen doch: Ich rede nie über meine Kinder.“
BILD: Sind Sie stolz auf beide?
Davidson: „Okay, ausnahmsweise: Ja, bin ich.“
Dienstag, 8. Februar 2011
2004-02-08 | "wissen-schafft-macht": Wohl wahr, Herr Davidson - aber eben nicht immer
Aus MUSIK ONLINE vom 8. Februar 2004:
Nun ist es vorbei mit Charly Davidson. Zumindest mit seiner "Todes-Trilogie", wie sie das Magazin SPIEGEL vor einiger Ziet taufte. Schmückte bei deren Teil 1 ("Dieletzte Ölung") noch eine Art Autopsie nebst Menschen das Albumcover, so folgte bei Teil 2 ("Begräbnis") eine Zigarettenschachtel mit dem obligatorischen Warnhinweis der EU-Gesundheitsminister als Grabstein. Nun beschließt ein schlichtes Fernsehtestbild die Trilogie und der Albumtitel "wissen-schafft-macht" erweist sich schon damit als gewollte Farce.
Gut, die Ideen gehen dem Kreativmeister der Deutschen Musikszene, der 1982 mit seinem phänomenalen Album-Debüt "Kontaktaufnahme" wie auch dem Nichts auftauchte und sich danach mit Hits wie anspruchsvollen literarischen Songs ("Die Nacht der Gewohnheit") sowie der Erfindung der Lounge-Musik Jahr um Jahr einen Namen machte, auch nach 22 Jahren nicht aus - jedenfalls, was Konzepte und Coverinnovationen angeht. Doch die Enttäuschung darüber, dass wir nie so intellektuell werden konnten wie es sich der schlaue "Odysseus" gewünscht hätte, ist diesem Album durchaus anzumerken.
Nachdem ihn die Vorspiegelung seines eigenen Todes beim letzten Album um seinen Ewig-Plattenvertrag mit der GLOBA gebracht hatte, versucht sich Davidson diesmal sogar als Entrepreneur und veröffentlicht dieses Album auf seinem eigenen Label CBQ. Aber die vielen Steine, die er - der weiblichen Wesen einst Texte wie "Niemand weint so schön wie Du" auf den nackten Leib schreiben konnte - bald 1000 Wochenenden lang bei diesen im Brett hatte (und sich für die Machos unter seinen Fans auch schon mal die SCORPIONS ins Bett holte), scheinen langsam abgewetzt, wenn nicht sogar schon gar nicht mehr vorhanden.
Mit "Ein Blitzen auf dem Schirm" und "Omnipotent" sind auch gute Tracks vorhanden, aber im Großen und Ganzen nimmt Charly Davidson mit diesem Album, als wohl schwächsten seiner Karriere, die falsche Ausfahrt. Tatsächlich ist dies hier die erste ChD-Veröffentlichung, die einem so richtig zur Last fällt, inklusive Möchtegern-Soul ("Soularium"), Billig-Rap ("Rapungsanker") und möglicherweise von der Insel eingeschleustem Zeitraffer-R&B ("Die, die nicht wissen"). So etwas ist von einem Künstler, der sich schon im Pop-Olymp wähnte, indiskutabel. Doch da oben, über den Wolken, in den letzten Nachtstunden, hätte man Davidson zu etwas ganz anderem raten sollen. Zum Beispiel sich "Sings For Only The Lonely" von Frank Sinatra anzuhören: "Now the rain's a-fallin', hear the train a-callin, 'Whooee!'". Da hätte er sich einigen abschauen können, denn er hat ja im Grunde recht: "wissen-schafft-macht".
So wird das jedenfalls nichts in der Verbesserung der angespannten Beziehung zwischen Fan und Künstler und der Eindruck bleibt, dass Davidson nun genau das tut, was man ihm bei "Die letzte Ölung" noch unrechtmäßig vorwarf: Sich selbst verwirklichen auf Kosten seines Rufs. Aber es wird sich wohl auch dieses Mal ein Praktikant finden, der "wissen-schafft-macht" für die beste Charls Davidson-Platte ever hält..."My mama was right / There's blues in the night".
(4 von 10 Punkten) Joe Riedel
Nun ist es vorbei mit Charly Davidson. Zumindest mit seiner "Todes-Trilogie", wie sie das Magazin SPIEGEL vor einiger Ziet taufte. Schmückte bei deren Teil 1 ("Dieletzte Ölung") noch eine Art Autopsie nebst Menschen das Albumcover, so folgte bei Teil 2 ("Begräbnis") eine Zigarettenschachtel mit dem obligatorischen Warnhinweis der EU-Gesundheitsminister als Grabstein. Nun beschließt ein schlichtes Fernsehtestbild die Trilogie und der Albumtitel "wissen-schafft-macht" erweist sich schon damit als gewollte Farce.
Gut, die Ideen gehen dem Kreativmeister der Deutschen Musikszene, der 1982 mit seinem phänomenalen Album-Debüt "Kontaktaufnahme" wie auch dem Nichts auftauchte und sich danach mit Hits wie anspruchsvollen literarischen Songs ("Die Nacht der Gewohnheit") sowie der Erfindung der Lounge-Musik Jahr um Jahr einen Namen machte, auch nach 22 Jahren nicht aus - jedenfalls, was Konzepte und Coverinnovationen angeht. Doch die Enttäuschung darüber, dass wir nie so intellektuell werden konnten wie es sich der schlaue "Odysseus" gewünscht hätte, ist diesem Album durchaus anzumerken.
Nachdem ihn die Vorspiegelung seines eigenen Todes beim letzten Album um seinen Ewig-Plattenvertrag mit der GLOBA gebracht hatte, versucht sich Davidson diesmal sogar als Entrepreneur und veröffentlicht dieses Album auf seinem eigenen Label CBQ. Aber die vielen Steine, die er - der weiblichen Wesen einst Texte wie "Niemand weint so schön wie Du" auf den nackten Leib schreiben konnte - bald 1000 Wochenenden lang bei diesen im Brett hatte (und sich für die Machos unter seinen Fans auch schon mal die SCORPIONS ins Bett holte), scheinen langsam abgewetzt, wenn nicht sogar schon gar nicht mehr vorhanden.
Mit "Ein Blitzen auf dem Schirm" und "Omnipotent" sind auch gute Tracks vorhanden, aber im Großen und Ganzen nimmt Charly Davidson mit diesem Album, als wohl schwächsten seiner Karriere, die falsche Ausfahrt. Tatsächlich ist dies hier die erste ChD-Veröffentlichung, die einem so richtig zur Last fällt, inklusive Möchtegern-Soul ("Soularium"), Billig-Rap ("Rapungsanker") und möglicherweise von der Insel eingeschleustem Zeitraffer-R&B ("Die, die nicht wissen"). So etwas ist von einem Künstler, der sich schon im Pop-Olymp wähnte, indiskutabel. Doch da oben, über den Wolken, in den letzten Nachtstunden, hätte man Davidson zu etwas ganz anderem raten sollen. Zum Beispiel sich "Sings For Only The Lonely" von Frank Sinatra anzuhören: "Now the rain's a-fallin', hear the train a-callin, 'Whooee!'". Da hätte er sich einigen abschauen können, denn er hat ja im Grunde recht: "wissen-schafft-macht".
So wird das jedenfalls nichts in der Verbesserung der angespannten Beziehung zwischen Fan und Künstler und der Eindruck bleibt, dass Davidson nun genau das tut, was man ihm bei "Die letzte Ölung" noch unrechtmäßig vorwarf: Sich selbst verwirklichen auf Kosten seines Rufs. Aber es wird sich wohl auch dieses Mal ein Praktikant finden, der "wissen-schafft-macht" für die beste Charls Davidson-Platte ever hält..."My mama was right / There's blues in the night".
(4 von 10 Punkten) Joe Riedel
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