So schrieb er am 13. Juli 2000 folgende E-Mail ...
--------------------------------------------------------------------------
Von: charts@charlydavidson.com
An: ursula-maus@tkun.de
Betreff: Das hatte ich mir doch gedacht
„Ein guter Autor ist ein Minenleger: Er befindet sich schon in anderen Gewässern, wenn die Minen hochgehen.“ (Ernst Jünger)
U.,
um Deinen Gedanken zum Abschied weiterzuführen, denke ich: Abschied muss man können. Was nutzt es, wenn man etwas macht, was man nicht kann. Klar, manche Menschen würden jetzt sagen: Dann muss man halt üben, wenn man es nicht kann. - Dir brauche ich nicht zu sagen, wo hier der Denkfehler zu meinem Denkansatz liegt.
Du hast mir in einem Nebensatz mitgeteilt, daß Du mal studiert hast. Zeit für ein weiteres Outing meinerseits: Nein, ich habe kein Abitur. Durch diese unglücklichen Lebensumstände konnte ich folglicherweise auch nicht klassisch studieren ... meine größten Erfolge schaffte ich auch so. Trotzdem bedauere ich es, nicht studiert zu haben; was mann da so für Geschichten hört. - Aber zurück zum Thema ‘Mauern in den Köpfen’.
Manchmal passiert mir folgende Szene (Ausgangspunkte):
Ich habe eine tolle Platte gemacht / bekomme einen Preis verliehen / habe ein unglaubliches Interview geführt etc.. Mein Gegenüber (Intellektueller/Minister/Professor etc.) sagt: „...und wo, mein Lieber, haben sie denn studiert? Im Westen? Sie kommen doch nicht von hier?...“ Ich entgegne: „Leider habe ich nie studiert.“ Er/sie: „Aber irgendetwas haben sie doch gemacht? - Ich (bin geneigt mit Strelitz zu sagen, dass ich dicker geworden bin) erleichtere dem Gegenüber aber den Smal-Talk und sage: „Ich war einige Jahre auf einer Fachhochschule und bin Diplom...“; weiter komme ich nicht, da der Gegenüber erfreut sagt: „Ja dann. Sehn sie, das hatte ich mir doch gedacht.“ - Hier fehlt als Nachsatz nur noch Deine Radio-Entdeckung aus Berlin: „...einfache Leute müssen ja ooch ma loofen jehn!“
Lass uns eine Deiner Reh/Maus-Kenntnisse umdrehen, um zu prüfen, ob sie richtig ist oder latent ‘mauerbaufreundlich’:
Du behauptest „Die Umwertung der Werte wird durch Wessis von Ossis gefordert, wobei erstere nicht bedenken, daß ihnen ähnliches abverlangt wird - die Zeit hat sich für alle verändert! Ossis sind kaum dazu imstande, ihre Werte umzuwerten, weil sie sich ihrer und ihres eigenen Lebens nicht mehr als Wert bewußt sind!“
Ich stelle um: „Die Umwertung der Werte wird durch Ossis von Wessies gefordert, wobei erstere nicht bedenken, dass ihnen ähnliches abverlangt wird - die Zeit hat sich für alle verändert! Wessies sind kaum dazu imstande, ihre Werte umzuwerten, weil sie sich ihrer und ihres eigenen Lebens nicht mehr als Wert bewußt sind!“
Ich analysiere oft meine Gedanken auf diese Weise um sie einmal aus einer anderen Warte aus anzuschauen.
Meine ‘Einführung in das Leben JWGs für junge Leute’ hatte ich schon früher (für’s Radio) gemacht im Sinne von Benjamin Brittens „young persons guide to classical music“. Leider werde auch ich nicht jünger, obwohl ich neulich einen fatalen Fehler gemacht habe, als ich dachte, ich wäre jetzt schon älter als Tucholsky war, bei seinem Tod. Da ich jünger bin als J. K. und er noch nicht so alt ist, wie Kurt an seinem Todestag, bin ich doch eigentlich „...noch gar nicht so alt, wie ich immer gedacht habe...“ (heisse aber nach wie vor nicht Herr Wendriner).
Übrigens bin ich auch bald wieder im TV. Ende Juli gibt es in Leipzig die Sendung "DEUTSCH - DEUTSCHER - DIALOG" mit Manfred Geißler und Bernd Wagenbach und da gehen wir diesen Fragen "mit Gästen aus Ost und West" nach, wie es so schön heißt. Mit dabei ist mein Freund Lacky und Klaus Bergmann, der Sänger und Autor. Wenn Du willst, laß ich Dir den genauen Termin durchgeben.
M(ach Dir weiter) f(ortschreitende) G(edanken)
ChD
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen