CHARLY DAVIDSON als KARL DAVID KOFF im September 2006 zu Gast in der MDR TV-Talkshow „Riverboat“
Jan Hofer: (...) Nun lassen sie uns mal zu unserem nächsten Gast kommen, einem Sänger, Musiker und Produzenten, der seit bald anderthalb Jahrzehnten in Thüringen lebt und arbeitet: Karl David Korff, vielen Musikfans natürlich unter seinem Künstlernamen Charly Davidson bekannt. Seit bald drei Jahrzehnten aktiv und inzwischen eine Rocklegende. Guten Abend.
KDK: Guten Abend. (Der Einspieler ist zu sehen, u. a. mit Charly Davidson & Begleitung bei seinen DDR-Konzerten 1988 in Dresden und Magdeburg, aktuell in seinem Studio in Jena, beim Querflötenspiel mit der STURM-Philharmonie und während eines Rundgangs mit seiner zweiten Ehefrau Ursula bei den Dornburger Schlössern. Beide stehen am Schloßbalkon und sehen in die Ferne.)
Herr Korff, sie betreiben ihre Karriere ja seit langen Jahren zweigleisig. Einmal sind sie seit 1982 der Deutschrockstar Charly Davidson mit inzwischen acht Alben in den Top 10. Zum anderen machen Sie unter Ihrem richtigen Namen Elektromusik, wie Sie es nennen, und hin und wieder auch literarisch-musikalische Programme, zum Beispiel fordern Sie im nächsten Monat in der Jenaer Universität Ihren Deutschrock-Kollegen Heinz Rudolf Kunze zum Duell. Ist das nicht schwierig, für Sie, für Ihre Fans, die Dinge auseinander zu halten?
Nein. Ganz und gar nicht. Bei einem Charly Davidson-Programm oder -Album, wissen alle, was auf sie zukommt, und bei einem Abend mit Karl David Korff ebenso. Wenn Marius Müller-Westernhagen oder Herbert Grönemeyer schauspielern, geht ja auch niemand in Kino und erwartet ein Musik- oder Gesangsprogramm.
Wie entstand diese Zweigleisigkeit, die ja ungewöhnlich im Musikgeschäft ist. Von anderen Künstlern mit Künstlernamen, wie zum Beispiel Campino, kennen die Fans eher selten den wahren Namen. Sie haben es aber von Anfang an darauf angelegt. Schon Ende der Siebziger Jahre begann diese Zweigleisigkeit.
Das stimmt. Es hat etwas damit zu tun…ich hoffe meine Frau verzeiht mir diesen Ausdruck - sie sagt nämlich immer, ich solle das Wort „tun“ tunlichst vermeiden (Kamera schwenkt auf Charlys Ehefrau Uschi)…also, es begründet sich in der Zweigleisigkeit der Musik, die ich liebe und mache. Als Kind baute ich mir einen Synthesizer und machte so schon 1976 elektronische Klangexperimente, wenig später entdeckte ich Folkrockmusik für mich und machte das dann auch und ich spürte, dass dies zwei Welten sind, die man nur schwer unter einen Hut bekommen kann und so gibt es seit damals Charly Davidson, den Folkrockmusiker, der heute Deutschrock macht, und Karl David Korff, den anderen Teil meiner musikalischen Persönlichkeit.
Ach, jetzt verstehe ich auch die Namenswahl, weil Charly Davidson kann man zwar von Karl David ableiten, aber zu Folkmusik passt das schon eher als zu Deutschrock. Herr Korff, Sie wuchsen in Wales auf und kamen erst 1964 nach Deutschland. Wie war Ihre Kindheit? Vorhin, als Herr Siggelkow von seiner Kindheit in eher bescheidenen Verhältnissen erzählt hat, da haben sie genickt. Hatten Sie ähnliche Erlebnisse?
In vielem, was erzählt wurde, habe ich mich wiedererkennen können. Ich wurde ja, wie Sie schon sagten, in Wales geboren, 1957, und wuchs dort auf. Meine Eltern waren arm und es fehlte fast an allem, aber, für mich war das normal. Ich habe das als normal empfunden, weil ich in Wales damals nichts anderes gesehen habe, bei meinen Freunden, bei den Bekannten meiner Eltern, die bei einem Bauern auf einer Farm arbeiteten. Das war eben so. Erst als ich in Deutschland lebte und zur Schule ging, besserten sich die finanziellen Verhältnisse meiner Familie und dann sah ich zum ersten Mal, was eine Jugend auch ausmachen kann.
Sie sprachen ja schon gut Englisch, als sie nach Deutschland kamen. In wie weit hat Ihnen dies später weiter geholfen.
Englisch ist eine so wunderbare Sprache. Wir Deutschen sind da ein wenig überheblich und denken, als Nation von Dichtern und Denkern seien wir Sprachkünstler und ich sage Ihnen: der durchschnittliche Deutsche ist wahrlich kein Sprachkünstler. Erst, als ich mich wieder intensiver mit der englischen Sprache befasst habe, zunächst musste ich ja in Deutschland erst einmal richtig Deutsch sprechen lernen, konnte ich feststellen, dass es in ihr an die 700.000 Worte gibt, ich meine unterschiedliche Worte, und in der deutschen Sprache nur an die 60.000. Wir setzten viel zusammen, bilden aus zwei Worten ein neues. Im Englischen gibt es aber oft ein spezielles Wort für so eine deutsche Wortkombination. Als ich Shakespeare oder Dylan Thomas übersetzt habe, davor waren es Marc Bolan und Bob Dylan, habe ich gemerkt, dass man auch im Deutschen kreativ sein kann und einfach neue Wortschöpfungen erfunden, wenn es da nichts Besseres, Treffenderes gab.
Ihr letztes Album „Reizwolf“ ist ein Bespiel dafür…
…auch meine Wortkombinationen bei den Albentiteln: „Kontakt Aufnahme“, „InkarNation“, „Schlangen Beschwerer“, „ÜberFlieger“, „Massen Kampf“, „ElektroMusik“ - das zieht sich in der Tat durch mein Schaffen, wie ein roter Faden.
Und immer wenn dann bei Ihnen andere Albumtitel kommen, wie „Odysseus“ oder „Die letzte Ölung“, ahnt man automatisch schon: jetzt aber aufgepasst, jetzt kommt mal etwas anderes, als gewohnt.
Genau.
Jörg Kachelmann: Sehen Sie sich nun als Deutschen oder Waliser oder als Europäer? Was trifft da mehr zu?
Als Europäer, so wie es Alfred Grosser sieht. Ich traf ihn vor einigen Jahren und er hat mir Dinge erzählt, in denen ich mich wiederfand. Grosser ist ja überzeugter Europäer, obwohl er in Frankfurt am Main geboren wurde und bis heute ein Wanderer zwischen Deutschland und Frankreich ist
Jan Hofer: Wie hat Alfred Grosser Sie beeinflusst?
Das würde zu weit führen, das hier umfassend zu erzählen Aber ein Beispiel kann ich ja sagen. Wir haben uns damals fast eine Stunden lang über Goethes „Erlkönig“ unterhalten. Eine Ballade. Und er hat mir erklärt, dass es im Deutschen wie im Französischen den Begriff der Ballade gibt und ich wusste da schon, dass es sich vom lateinischen „balare“ ableitet, dem Umherlaufen. Aber es gibt, sagte mir Alfred Grosser, im Französischen auch noch den Begriff „balade“ mit nur einem „l“ und der heißt immer noch umherlaufen. Also ist aus französischer Sicht eine Ballade sowohl eine Balladengeschichte an sich, als auch eine Geschichte, die sozusagen „umherläuft“ von einem Ort, von einem Menschen zum anderen und es ist ja anknüpfend an das, was ich gerade über die englische Sprache gesagt hatte. Und deshalb muss man sich immer vergegenwärtigen, dass wir als Europäer nicht in Deutschland oder Großbritannien oder Frankreich leben, sondern in Europa sozusagen umherlaufen. Ich für meinen Teil bin gerne in Deutschland oder in Polen oder in Italien oder in Wales oder in Frankreich, wo ich gerade wieder Urlaub gemacht habe oder in Skandinavien oder in Spanien, auf La Gomera, wo ich ein Haus habe. Also bin ich ein Europäer, der allerdings überwiegend im Osten Deutschlands anzutreffen ist.
Jörg Kachelmann: Jetzt verbindet Sie mehr mit dem Osten Deutschlands, als man allgemein annimmt. Ende der Achtziger Jahre eine erste Tour durch die DDR, u. a. weil Sie ein Lied über Siegmund Jähn, den ersten Deutschen im Weltall gemacht hatten, dann 1992 die Übersiedelung nach Jena. Es heißt, Sie hätten mit Ihrem Lied „Bis die Tage“ 1989 die Wende mit angeschubst. Und es geht noch weiter, bis ins Private hinein.
Ich vermute, ich weiß, was Sie meinen. Meine Frau, die ja in Sachsen-Anhalt geboren ist…
…und für die Sie, ich sage das jetzt einmal, ohne es zu werten, Ihre erste Frau verlassen haben.
Ja.
Seit einem halben Jahr sind Sie beide verheiratet. Wie kam es dazu? War es Liebe auf den ersten Blick?
Da müssen Sie meine Frau fragen (lacht), aber ich denke nicht. Es war eher eine Vernunft-Ehe, oder, mein Schatz? (die Ehefrau winkt ab)
Da müssen Sie jetzt selber durch, ich hatte ja Sie gefragt.
Nein. Wir trafen uns zufällig, 2000, in Suhl bei einer Lesung und es war keine Liebe auf den ersten Blick. Meine Frau wurde bald meine Beraterin und das hat sich dann eben so entwickelt…
…also auf den zweiten Blick…
…oder den dritten, vierten. Aber nun sind wir seit diesem Jahr verheiratet und gut ist. Um Ihre Frage damit zu beantworten: Ja, auch meine Frau verbindet mich mit dem Osten Deutschlands. Haben Sie noch andere Fragen?
Jan Hofer: Wie war das mit ihrer Musik. Wie kamen Sie darauf. Was kann man als Ihre musikalischen Wurzeln bezeichnen?
Also, ich bin, wenn ich das einmal so sagen darf, froh, dass ich in den Sechziger Jahren aufgewachsen bin. Diese Viefalt, die es damals in der Musik gab, bei der Musik, bei den BEATLES, meinen Helden, die ich bedingungslos verehre, und vielen anderen, gibt es heute nicht mehr. Heute gibt es keine Vielfalt mehr sondern nur noch Masse. Masse ist nicht Vielfalt. Ich habe da ja schon mal ein ganzes Album zu dem Thema gemacht und bin wegen des Logos gescholten worden, das dem der FDJ ähnelte, Aber darum ging es. Ein Massenkampf ist niemals ein Kampf der Vielfalt. Also denke ich, dass es vor allem die Sechziger Jahre waren, die mich prägten, die meine Wurzeln sind.
Vor einigen Jahren haben Sie in Jena einen Rundfunksender etabliert...
...nicht allein sondern mit vielen Anderen zusammen.
Aber die STURM-Truppen, die STURM-Philharmonie, das 'Ständige Thüringer Unterhaltung- und RundfunkMusikorchester', haben fast alleine Sie ins Leben gerufen. Und heute findet es bundesweit Beachtung.
(FORTSETZUNG FOLGT IM ZWEITEN TEIL)
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