Fortsetzung von:
CHARLY DAVIDSON als KARL DAVID KOFF im September 2006 zu Gast in der MDR TV-Talkshow „Riverboat“
Jan Hofer: (...) Aber die STURM-Truppen, die STURM-Philharmonie, das 'Ständige Thüringer Unterhaltung- und RundfunkMusikorchester', haben fast alleine Sie ins Leben gerufen. Und heute findet es bundesweit Beachtung.
Karl David Korff: Ja, aber das war eine Notwendigkeit. Es gibt so viele hervorragende Musiker in Thüringen und kein Geld für ein orchester. Weder das Land hatte etwas übrig, noch der MDR - ich haoffe, ich darf das hier mal sagen. Also haben wir, also Thomas Hübner und ich...
...Thomas Hübner, das darf ich hier ja einmal verraten, ist...
...lassen Sie mich das verraten, dann kriegen Sie keinen Ärger mit ihm. Thomas Hübner ist Clueso. Also, wir haben die STURM-Truppen ins Leben gerufen und das ist ein hervorragendes Orchester mit einem hervorragenden Dirigenten, Martin Lenz, denn manchmal muss ein Mensch eben tun, was ein Mensch tun muss. Letztlich ist das dann doch auch nur eine Geldfrage.
Jörg Kachelmann: Welche Rolle spielt Geld in Ihrem Leben? Macht es Sie unabhängig oder glücklich?
Auf jeden Fall macht es erst einmal Spaß, welches zu haben. Und es öffnet Türen, noch mehr davon geliehen zu bekommen. Was wiederum dazu führt, Dinge machen zu können, die noch sehr Spaß machen. Aber es ist selbst erarbeitetes Mittel zum Zweck. Und es ist eine adäquate Gegenleistung für Arbeit. Ich arbeite viel, also im Schnitt so zwölf Stunden am Tag. Das klingt viel und ist es auch, aber alles, was nach außen einfach und leicht aussieht hat immer auch etwas mit harter Arbeit zu tun, jedenalls wenn es keine Zufälligkeit oder Eintagsfliege ist.
Wie muss man sich diese zwölf Stunden Arbeit vorstellen? Am Stück oder über Phasen verteilt, im Tonstudio oder im stillen Kämmerlein?
Es ist ein Split zwischen Notwendigkeiten und Passion. Ich kontrolliere gerne Dinge und eine gewisse Führungsqualität kann man mir ja auch nicht absprechen. Ob das im Tonstudio ist, wo ich oft nächtelang an Liedern und Ideen feile oder feilen lasse, ob das in Besprechungen ist, über Bühnenshows oder Konzepte, das kann auch in meinem Zimmer sein, wenn ich an Büchern oder Theaterstücken arbeite oder im Internet recherchiere. Da ist alles möglich und das kostet eben Zeit, ist aber auch nötig um die Ergebnisse zu bekommen, die man anstrebt.
Jan Hofer: Sie haben da eben eine schöne Wortwahl benutzt: „Im Internet recherchieren“. Viele benutzen heute dafür das Wort „googeln“.
Schrecklich. Was aus unserer Sprache geworden ist. Wobei ja schon meine Wortwahl nicht mal ursprünglich Deutsch ist.
Wie wichtig ist diese Internetrecherche für Sie?
Das ist oft das A und O einer Sache. Angefangen bei der Frage: gab es die Idee, die ich gerade habe, schon mal vorher - da kann einem das Internet sehr helfen. Bis hin zu Informationen, die man sich früher mühsam besorgen musste und die heute schnell und frei verfügbar sind.
Ist das nicht schon wieder ein Zwiespalt? Einerseits hängen Sie alten DIngen nach, den Sechziger Jahren, der vergessenen Worten, andererseits sind Sie immer auf dem neuesten Stand, was Elektronik angeht oder das Internet?
Das sehen Sie schon richtiig. Ich teile das übrigens mit Erich von Däniken. Der ist auch so einer, der immer die neuesten Sachen macht, obwohl man von ihm denkt, dass der nur in Altertümern rumwühlt. Der ist nun schon über Siebzig und trotzdem ein Elektronikfreak. Sendet seine Botschaften und Nachrichten über Twitter in die Welt. (lacht) Ich habe nicht gesagt, dass er „twittert“... aber das macht doch das Leben aus: dieser ewige Gegensatz zwischen dem Alten und dem Neuen, Rock 'n' Roll und Elektromusik, Shakespeare und Wondratschek. Daraus schöpfe ich.
Und wir hoffen, dass Sie da noch lange weiter schöpfen. Wann duellieren Sie sich mit Heinz Rudolf Kunze?
Am 14. Oktober in der Universität Jena. Am 200. Jahrestag der Schlacht von Jena und Auerstedt.
Jan Hofer: Dann wünschen wir Ihnen beiden viel Glück und dass sie beide das überleben.
Naja, zumindest ich. (lacht) Danke schön!
Montag, 25. Oktober 2010
Sonntag, 24. Oktober 2010
2006-09-18 | RIVERBOAT SHUFFLE: Charly Davidson als Karl David Korff zu Gast beim MDR "Riverboat" (Teil 1)
CHARLY DAVIDSON als KARL DAVID KOFF im September 2006 zu Gast in der MDR TV-Talkshow „Riverboat“
Jan Hofer: (...) Nun lassen sie uns mal zu unserem nächsten Gast kommen, einem Sänger, Musiker und Produzenten, der seit bald anderthalb Jahrzehnten in Thüringen lebt und arbeitet: Karl David Korff, vielen Musikfans natürlich unter seinem Künstlernamen Charly Davidson bekannt. Seit bald drei Jahrzehnten aktiv und inzwischen eine Rocklegende. Guten Abend.
KDK: Guten Abend. (Der Einspieler ist zu sehen, u. a. mit Charly Davidson & Begleitung bei seinen DDR-Konzerten 1988 in Dresden und Magdeburg, aktuell in seinem Studio in Jena, beim Querflötenspiel mit der STURM-Philharmonie und während eines Rundgangs mit seiner zweiten Ehefrau Ursula bei den Dornburger Schlössern. Beide stehen am Schloßbalkon und sehen in die Ferne.)
Herr Korff, sie betreiben ihre Karriere ja seit langen Jahren zweigleisig. Einmal sind sie seit 1982 der Deutschrockstar Charly Davidson mit inzwischen acht Alben in den Top 10. Zum anderen machen Sie unter Ihrem richtigen Namen Elektromusik, wie Sie es nennen, und hin und wieder auch literarisch-musikalische Programme, zum Beispiel fordern Sie im nächsten Monat in der Jenaer Universität Ihren Deutschrock-Kollegen Heinz Rudolf Kunze zum Duell. Ist das nicht schwierig, für Sie, für Ihre Fans, die Dinge auseinander zu halten?
Nein. Ganz und gar nicht. Bei einem Charly Davidson-Programm oder -Album, wissen alle, was auf sie zukommt, und bei einem Abend mit Karl David Korff ebenso. Wenn Marius Müller-Westernhagen oder Herbert Grönemeyer schauspielern, geht ja auch niemand in Kino und erwartet ein Musik- oder Gesangsprogramm.
Wie entstand diese Zweigleisigkeit, die ja ungewöhnlich im Musikgeschäft ist. Von anderen Künstlern mit Künstlernamen, wie zum Beispiel Campino, kennen die Fans eher selten den wahren Namen. Sie haben es aber von Anfang an darauf angelegt. Schon Ende der Siebziger Jahre begann diese Zweigleisigkeit.
Das stimmt. Es hat etwas damit zu tun…ich hoffe meine Frau verzeiht mir diesen Ausdruck - sie sagt nämlich immer, ich solle das Wort „tun“ tunlichst vermeiden (Kamera schwenkt auf Charlys Ehefrau Uschi)…also, es begründet sich in der Zweigleisigkeit der Musik, die ich liebe und mache. Als Kind baute ich mir einen Synthesizer und machte so schon 1976 elektronische Klangexperimente, wenig später entdeckte ich Folkrockmusik für mich und machte das dann auch und ich spürte, dass dies zwei Welten sind, die man nur schwer unter einen Hut bekommen kann und so gibt es seit damals Charly Davidson, den Folkrockmusiker, der heute Deutschrock macht, und Karl David Korff, den anderen Teil meiner musikalischen Persönlichkeit.
Ach, jetzt verstehe ich auch die Namenswahl, weil Charly Davidson kann man zwar von Karl David ableiten, aber zu Folkmusik passt das schon eher als zu Deutschrock. Herr Korff, Sie wuchsen in Wales auf und kamen erst 1964 nach Deutschland. Wie war Ihre Kindheit? Vorhin, als Herr Siggelkow von seiner Kindheit in eher bescheidenen Verhältnissen erzählt hat, da haben sie genickt. Hatten Sie ähnliche Erlebnisse?
In vielem, was erzählt wurde, habe ich mich wiedererkennen können. Ich wurde ja, wie Sie schon sagten, in Wales geboren, 1957, und wuchs dort auf. Meine Eltern waren arm und es fehlte fast an allem, aber, für mich war das normal. Ich habe das als normal empfunden, weil ich in Wales damals nichts anderes gesehen habe, bei meinen Freunden, bei den Bekannten meiner Eltern, die bei einem Bauern auf einer Farm arbeiteten. Das war eben so. Erst als ich in Deutschland lebte und zur Schule ging, besserten sich die finanziellen Verhältnisse meiner Familie und dann sah ich zum ersten Mal, was eine Jugend auch ausmachen kann.
Sie sprachen ja schon gut Englisch, als sie nach Deutschland kamen. In wie weit hat Ihnen dies später weiter geholfen.
Englisch ist eine so wunderbare Sprache. Wir Deutschen sind da ein wenig überheblich und denken, als Nation von Dichtern und Denkern seien wir Sprachkünstler und ich sage Ihnen: der durchschnittliche Deutsche ist wahrlich kein Sprachkünstler. Erst, als ich mich wieder intensiver mit der englischen Sprache befasst habe, zunächst musste ich ja in Deutschland erst einmal richtig Deutsch sprechen lernen, konnte ich feststellen, dass es in ihr an die 700.000 Worte gibt, ich meine unterschiedliche Worte, und in der deutschen Sprache nur an die 60.000. Wir setzten viel zusammen, bilden aus zwei Worten ein neues. Im Englischen gibt es aber oft ein spezielles Wort für so eine deutsche Wortkombination. Als ich Shakespeare oder Dylan Thomas übersetzt habe, davor waren es Marc Bolan und Bob Dylan, habe ich gemerkt, dass man auch im Deutschen kreativ sein kann und einfach neue Wortschöpfungen erfunden, wenn es da nichts Besseres, Treffenderes gab.
Ihr letztes Album „Reizwolf“ ist ein Bespiel dafür…
…auch meine Wortkombinationen bei den Albentiteln: „Kontakt Aufnahme“, „InkarNation“, „Schlangen Beschwerer“, „ÜberFlieger“, „Massen Kampf“, „ElektroMusik“ - das zieht sich in der Tat durch mein Schaffen, wie ein roter Faden.
Und immer wenn dann bei Ihnen andere Albumtitel kommen, wie „Odysseus“ oder „Die letzte Ölung“, ahnt man automatisch schon: jetzt aber aufgepasst, jetzt kommt mal etwas anderes, als gewohnt.
Genau.
Jörg Kachelmann: Sehen Sie sich nun als Deutschen oder Waliser oder als Europäer? Was trifft da mehr zu?
Als Europäer, so wie es Alfred Grosser sieht. Ich traf ihn vor einigen Jahren und er hat mir Dinge erzählt, in denen ich mich wiederfand. Grosser ist ja überzeugter Europäer, obwohl er in Frankfurt am Main geboren wurde und bis heute ein Wanderer zwischen Deutschland und Frankreich ist
Jan Hofer: Wie hat Alfred Grosser Sie beeinflusst?
Das würde zu weit führen, das hier umfassend zu erzählen Aber ein Beispiel kann ich ja sagen. Wir haben uns damals fast eine Stunden lang über Goethes „Erlkönig“ unterhalten. Eine Ballade. Und er hat mir erklärt, dass es im Deutschen wie im Französischen den Begriff der Ballade gibt und ich wusste da schon, dass es sich vom lateinischen „balare“ ableitet, dem Umherlaufen. Aber es gibt, sagte mir Alfred Grosser, im Französischen auch noch den Begriff „balade“ mit nur einem „l“ und der heißt immer noch umherlaufen. Also ist aus französischer Sicht eine Ballade sowohl eine Balladengeschichte an sich, als auch eine Geschichte, die sozusagen „umherläuft“ von einem Ort, von einem Menschen zum anderen und es ist ja anknüpfend an das, was ich gerade über die englische Sprache gesagt hatte. Und deshalb muss man sich immer vergegenwärtigen, dass wir als Europäer nicht in Deutschland oder Großbritannien oder Frankreich leben, sondern in Europa sozusagen umherlaufen. Ich für meinen Teil bin gerne in Deutschland oder in Polen oder in Italien oder in Wales oder in Frankreich, wo ich gerade wieder Urlaub gemacht habe oder in Skandinavien oder in Spanien, auf La Gomera, wo ich ein Haus habe. Also bin ich ein Europäer, der allerdings überwiegend im Osten Deutschlands anzutreffen ist.
Jörg Kachelmann: Jetzt verbindet Sie mehr mit dem Osten Deutschlands, als man allgemein annimmt. Ende der Achtziger Jahre eine erste Tour durch die DDR, u. a. weil Sie ein Lied über Siegmund Jähn, den ersten Deutschen im Weltall gemacht hatten, dann 1992 die Übersiedelung nach Jena. Es heißt, Sie hätten mit Ihrem Lied „Bis die Tage“ 1989 die Wende mit angeschubst. Und es geht noch weiter, bis ins Private hinein.
Ich vermute, ich weiß, was Sie meinen. Meine Frau, die ja in Sachsen-Anhalt geboren ist…
…und für die Sie, ich sage das jetzt einmal, ohne es zu werten, Ihre erste Frau verlassen haben.
Ja.
Seit einem halben Jahr sind Sie beide verheiratet. Wie kam es dazu? War es Liebe auf den ersten Blick?
Da müssen Sie meine Frau fragen (lacht), aber ich denke nicht. Es war eher eine Vernunft-Ehe, oder, mein Schatz? (die Ehefrau winkt ab)
Da müssen Sie jetzt selber durch, ich hatte ja Sie gefragt.
Nein. Wir trafen uns zufällig, 2000, in Suhl bei einer Lesung und es war keine Liebe auf den ersten Blick. Meine Frau wurde bald meine Beraterin und das hat sich dann eben so entwickelt…
…also auf den zweiten Blick…
…oder den dritten, vierten. Aber nun sind wir seit diesem Jahr verheiratet und gut ist. Um Ihre Frage damit zu beantworten: Ja, auch meine Frau verbindet mich mit dem Osten Deutschlands. Haben Sie noch andere Fragen?
Jan Hofer: Wie war das mit ihrer Musik. Wie kamen Sie darauf. Was kann man als Ihre musikalischen Wurzeln bezeichnen?
Also, ich bin, wenn ich das einmal so sagen darf, froh, dass ich in den Sechziger Jahren aufgewachsen bin. Diese Viefalt, die es damals in der Musik gab, bei der Musik, bei den BEATLES, meinen Helden, die ich bedingungslos verehre, und vielen anderen, gibt es heute nicht mehr. Heute gibt es keine Vielfalt mehr sondern nur noch Masse. Masse ist nicht Vielfalt. Ich habe da ja schon mal ein ganzes Album zu dem Thema gemacht und bin wegen des Logos gescholten worden, das dem der FDJ ähnelte, Aber darum ging es. Ein Massenkampf ist niemals ein Kampf der Vielfalt. Also denke ich, dass es vor allem die Sechziger Jahre waren, die mich prägten, die meine Wurzeln sind.
Vor einigen Jahren haben Sie in Jena einen Rundfunksender etabliert...
...nicht allein sondern mit vielen Anderen zusammen.
Aber die STURM-Truppen, die STURM-Philharmonie, das 'Ständige Thüringer Unterhaltung- und RundfunkMusikorchester', haben fast alleine Sie ins Leben gerufen. Und heute findet es bundesweit Beachtung.
(FORTSETZUNG FOLGT IM ZWEITEN TEIL)
Jan Hofer: (...) Nun lassen sie uns mal zu unserem nächsten Gast kommen, einem Sänger, Musiker und Produzenten, der seit bald anderthalb Jahrzehnten in Thüringen lebt und arbeitet: Karl David Korff, vielen Musikfans natürlich unter seinem Künstlernamen Charly Davidson bekannt. Seit bald drei Jahrzehnten aktiv und inzwischen eine Rocklegende. Guten Abend.
KDK: Guten Abend. (Der Einspieler ist zu sehen, u. a. mit Charly Davidson & Begleitung bei seinen DDR-Konzerten 1988 in Dresden und Magdeburg, aktuell in seinem Studio in Jena, beim Querflötenspiel mit der STURM-Philharmonie und während eines Rundgangs mit seiner zweiten Ehefrau Ursula bei den Dornburger Schlössern. Beide stehen am Schloßbalkon und sehen in die Ferne.)
Herr Korff, sie betreiben ihre Karriere ja seit langen Jahren zweigleisig. Einmal sind sie seit 1982 der Deutschrockstar Charly Davidson mit inzwischen acht Alben in den Top 10. Zum anderen machen Sie unter Ihrem richtigen Namen Elektromusik, wie Sie es nennen, und hin und wieder auch literarisch-musikalische Programme, zum Beispiel fordern Sie im nächsten Monat in der Jenaer Universität Ihren Deutschrock-Kollegen Heinz Rudolf Kunze zum Duell. Ist das nicht schwierig, für Sie, für Ihre Fans, die Dinge auseinander zu halten?
Nein. Ganz und gar nicht. Bei einem Charly Davidson-Programm oder -Album, wissen alle, was auf sie zukommt, und bei einem Abend mit Karl David Korff ebenso. Wenn Marius Müller-Westernhagen oder Herbert Grönemeyer schauspielern, geht ja auch niemand in Kino und erwartet ein Musik- oder Gesangsprogramm.
Wie entstand diese Zweigleisigkeit, die ja ungewöhnlich im Musikgeschäft ist. Von anderen Künstlern mit Künstlernamen, wie zum Beispiel Campino, kennen die Fans eher selten den wahren Namen. Sie haben es aber von Anfang an darauf angelegt. Schon Ende der Siebziger Jahre begann diese Zweigleisigkeit.
Das stimmt. Es hat etwas damit zu tun…ich hoffe meine Frau verzeiht mir diesen Ausdruck - sie sagt nämlich immer, ich solle das Wort „tun“ tunlichst vermeiden (Kamera schwenkt auf Charlys Ehefrau Uschi)…also, es begründet sich in der Zweigleisigkeit der Musik, die ich liebe und mache. Als Kind baute ich mir einen Synthesizer und machte so schon 1976 elektronische Klangexperimente, wenig später entdeckte ich Folkrockmusik für mich und machte das dann auch und ich spürte, dass dies zwei Welten sind, die man nur schwer unter einen Hut bekommen kann und so gibt es seit damals Charly Davidson, den Folkrockmusiker, der heute Deutschrock macht, und Karl David Korff, den anderen Teil meiner musikalischen Persönlichkeit.
Ach, jetzt verstehe ich auch die Namenswahl, weil Charly Davidson kann man zwar von Karl David ableiten, aber zu Folkmusik passt das schon eher als zu Deutschrock. Herr Korff, Sie wuchsen in Wales auf und kamen erst 1964 nach Deutschland. Wie war Ihre Kindheit? Vorhin, als Herr Siggelkow von seiner Kindheit in eher bescheidenen Verhältnissen erzählt hat, da haben sie genickt. Hatten Sie ähnliche Erlebnisse?
In vielem, was erzählt wurde, habe ich mich wiedererkennen können. Ich wurde ja, wie Sie schon sagten, in Wales geboren, 1957, und wuchs dort auf. Meine Eltern waren arm und es fehlte fast an allem, aber, für mich war das normal. Ich habe das als normal empfunden, weil ich in Wales damals nichts anderes gesehen habe, bei meinen Freunden, bei den Bekannten meiner Eltern, die bei einem Bauern auf einer Farm arbeiteten. Das war eben so. Erst als ich in Deutschland lebte und zur Schule ging, besserten sich die finanziellen Verhältnisse meiner Familie und dann sah ich zum ersten Mal, was eine Jugend auch ausmachen kann.
Sie sprachen ja schon gut Englisch, als sie nach Deutschland kamen. In wie weit hat Ihnen dies später weiter geholfen.
Englisch ist eine so wunderbare Sprache. Wir Deutschen sind da ein wenig überheblich und denken, als Nation von Dichtern und Denkern seien wir Sprachkünstler und ich sage Ihnen: der durchschnittliche Deutsche ist wahrlich kein Sprachkünstler. Erst, als ich mich wieder intensiver mit der englischen Sprache befasst habe, zunächst musste ich ja in Deutschland erst einmal richtig Deutsch sprechen lernen, konnte ich feststellen, dass es in ihr an die 700.000 Worte gibt, ich meine unterschiedliche Worte, und in der deutschen Sprache nur an die 60.000. Wir setzten viel zusammen, bilden aus zwei Worten ein neues. Im Englischen gibt es aber oft ein spezielles Wort für so eine deutsche Wortkombination. Als ich Shakespeare oder Dylan Thomas übersetzt habe, davor waren es Marc Bolan und Bob Dylan, habe ich gemerkt, dass man auch im Deutschen kreativ sein kann und einfach neue Wortschöpfungen erfunden, wenn es da nichts Besseres, Treffenderes gab.
Ihr letztes Album „Reizwolf“ ist ein Bespiel dafür…
…auch meine Wortkombinationen bei den Albentiteln: „Kontakt Aufnahme“, „InkarNation“, „Schlangen Beschwerer“, „ÜberFlieger“, „Massen Kampf“, „ElektroMusik“ - das zieht sich in der Tat durch mein Schaffen, wie ein roter Faden.
Und immer wenn dann bei Ihnen andere Albumtitel kommen, wie „Odysseus“ oder „Die letzte Ölung“, ahnt man automatisch schon: jetzt aber aufgepasst, jetzt kommt mal etwas anderes, als gewohnt.
Genau.
Jörg Kachelmann: Sehen Sie sich nun als Deutschen oder Waliser oder als Europäer? Was trifft da mehr zu?
Als Europäer, so wie es Alfred Grosser sieht. Ich traf ihn vor einigen Jahren und er hat mir Dinge erzählt, in denen ich mich wiederfand. Grosser ist ja überzeugter Europäer, obwohl er in Frankfurt am Main geboren wurde und bis heute ein Wanderer zwischen Deutschland und Frankreich ist
Jan Hofer: Wie hat Alfred Grosser Sie beeinflusst?
Das würde zu weit führen, das hier umfassend zu erzählen Aber ein Beispiel kann ich ja sagen. Wir haben uns damals fast eine Stunden lang über Goethes „Erlkönig“ unterhalten. Eine Ballade. Und er hat mir erklärt, dass es im Deutschen wie im Französischen den Begriff der Ballade gibt und ich wusste da schon, dass es sich vom lateinischen „balare“ ableitet, dem Umherlaufen. Aber es gibt, sagte mir Alfred Grosser, im Französischen auch noch den Begriff „balade“ mit nur einem „l“ und der heißt immer noch umherlaufen. Also ist aus französischer Sicht eine Ballade sowohl eine Balladengeschichte an sich, als auch eine Geschichte, die sozusagen „umherläuft“ von einem Ort, von einem Menschen zum anderen und es ist ja anknüpfend an das, was ich gerade über die englische Sprache gesagt hatte. Und deshalb muss man sich immer vergegenwärtigen, dass wir als Europäer nicht in Deutschland oder Großbritannien oder Frankreich leben, sondern in Europa sozusagen umherlaufen. Ich für meinen Teil bin gerne in Deutschland oder in Polen oder in Italien oder in Wales oder in Frankreich, wo ich gerade wieder Urlaub gemacht habe oder in Skandinavien oder in Spanien, auf La Gomera, wo ich ein Haus habe. Also bin ich ein Europäer, der allerdings überwiegend im Osten Deutschlands anzutreffen ist.
Jörg Kachelmann: Jetzt verbindet Sie mehr mit dem Osten Deutschlands, als man allgemein annimmt. Ende der Achtziger Jahre eine erste Tour durch die DDR, u. a. weil Sie ein Lied über Siegmund Jähn, den ersten Deutschen im Weltall gemacht hatten, dann 1992 die Übersiedelung nach Jena. Es heißt, Sie hätten mit Ihrem Lied „Bis die Tage“ 1989 die Wende mit angeschubst. Und es geht noch weiter, bis ins Private hinein.
Ich vermute, ich weiß, was Sie meinen. Meine Frau, die ja in Sachsen-Anhalt geboren ist…
…und für die Sie, ich sage das jetzt einmal, ohne es zu werten, Ihre erste Frau verlassen haben.
Ja.
Seit einem halben Jahr sind Sie beide verheiratet. Wie kam es dazu? War es Liebe auf den ersten Blick?
Da müssen Sie meine Frau fragen (lacht), aber ich denke nicht. Es war eher eine Vernunft-Ehe, oder, mein Schatz? (die Ehefrau winkt ab)
Da müssen Sie jetzt selber durch, ich hatte ja Sie gefragt.
Nein. Wir trafen uns zufällig, 2000, in Suhl bei einer Lesung und es war keine Liebe auf den ersten Blick. Meine Frau wurde bald meine Beraterin und das hat sich dann eben so entwickelt…
…also auf den zweiten Blick…
…oder den dritten, vierten. Aber nun sind wir seit diesem Jahr verheiratet und gut ist. Um Ihre Frage damit zu beantworten: Ja, auch meine Frau verbindet mich mit dem Osten Deutschlands. Haben Sie noch andere Fragen?
Jan Hofer: Wie war das mit ihrer Musik. Wie kamen Sie darauf. Was kann man als Ihre musikalischen Wurzeln bezeichnen?
Also, ich bin, wenn ich das einmal so sagen darf, froh, dass ich in den Sechziger Jahren aufgewachsen bin. Diese Viefalt, die es damals in der Musik gab, bei der Musik, bei den BEATLES, meinen Helden, die ich bedingungslos verehre, und vielen anderen, gibt es heute nicht mehr. Heute gibt es keine Vielfalt mehr sondern nur noch Masse. Masse ist nicht Vielfalt. Ich habe da ja schon mal ein ganzes Album zu dem Thema gemacht und bin wegen des Logos gescholten worden, das dem der FDJ ähnelte, Aber darum ging es. Ein Massenkampf ist niemals ein Kampf der Vielfalt. Also denke ich, dass es vor allem die Sechziger Jahre waren, die mich prägten, die meine Wurzeln sind.
Vor einigen Jahren haben Sie in Jena einen Rundfunksender etabliert...
...nicht allein sondern mit vielen Anderen zusammen.
Aber die STURM-Truppen, die STURM-Philharmonie, das 'Ständige Thüringer Unterhaltung- und RundfunkMusikorchester', haben fast alleine Sie ins Leben gerufen. Und heute findet es bundesweit Beachtung.
(FORTSETZUNG FOLGT IM ZWEITEN TEIL)
Freitag, 22. Oktober 2010
2007-10-22 | Charly Davidson feiert 30. Bühnenjubiläum: "Mich kotzt heute noch diese Wichtigtuerei der NDW an"
Anlässlich von Charly Davidsons 30-jährigem Bühnenjubiläum und seines bevorstehenden 50. Geburtstages gab es am 22. Oktober 2007 ein großes Interview im GEMA-Musikmagazin SONO mit der Rocklegende, welches wir hier noch einmal wiedergeben. Das Interview führte Ramona Stark:
SONO: Herr Davidson, Ihr Comeback-Album "Reizwolf" sei der schwerste Teil ihrer Karriere gewesen, das sagten Sie vor kurzem. War Ihr Karrierebeginn einfacher?
Davidson: Nein, bei meinen ersten Alben, die seinerzeit ja noch auf Cassette erschienen sind, war es ähnlich. Damals, vor bald dreißig Jahren, galt es ja, die deutsche Sprache für den Sound der Musik neu zu erfinden. Es gab wenig Vorgaben und an jeder Ecke hörte man: Das geht nicht, denn die Sprache des Rock ist Englisch. Aber ich wusste: Es muss irgendwie gehen. Und ich dachte: Wortwitz, Slang und Sprüche, das muss in deutsche Texte rein. Also habe ich damals, ich wr da 14, 15, 16 Jahre alt, fleißig übersetzt. Dylan, CSN&Y, Marc Bolan. das war schwer, aber es hat mir danach sehr geholfen.
SONO: Was war das Problem bei Ihrem letzten Album "Reizwolf", mit dem Sie sich Ende 2005 nach mehreren, eher weniger erfolgreichen Alben, zurückmeldeten?
Davidson: Es fehlten erst mal neue Motive, neue Themen. Ich hatte bis dahin in meiner Karriere viele Songs gemacht, ein paar hunder. Und danach wurde es ein bisschen knapp mit wirklich neuen Storys. Vor dreißig Jahren konnte ich noch aus dem Vollen schöpfen: meine Kindheitserlebnisse, Jugendlieben, Schulstorys, das Ablösen vom Elternhaus, die ersten Banderlebnisse, nach Frankfurt zu gehen, es allen zu zeigen, et cetera. Dazu kam Politisches dazu, die Studentenunruhen, die Anti-Strauß-Bewegung und so. Ich hab' dann viel mit weitläufigen Freunden und Bekannten wie Annette Humpe, Lukas Linde, Ulla Meinecke waren darunter, debattiert und diskutiert, wie denn eine neue Platte von mir auszusehen hat, also zu klingen hat, besser noch: was ich der Welt zu sagen habe.
SONO: Was kam dabei raus?
Davidson: Franz Wasa, der Produzent des Albums, sagte mir, er wolle die Platte wie eine Art Fan angehen. Nach dem Motto: Was interessiert mich jetzt an Charly? Wie steht mein Charly jetzt so in der Welt und wie sieht Charly das echte Leben? Und musikalisch: Wie kann man den lässigen Esprit meiner frühen Platten aus den Achtzigern wieder hinkriegen? Ich musste Storys und Feelings finden, die mit meinen Leben jetzt wirklich richtig was zu tun haben. Vor allem: "keine Besserwisserei", das hat Ulla mir eingebleut. Dann habe ich hineingehorcht, in meinen Schädel, tief runter in meine Seele.
SONO: Entsprach das Bild, das Produzent Franz Wasa von Ihnen hatte, Ihrem eigenen Verständnis von sich?
Davidson: Mit der Zeit immer mehr. Es ist ja so: ich habe alle Platten, mit Ausnahme der beiden von Ronny Punk produzierten Scheiben - Gott habe ihn selig- produktionstechnisch nur entweder selbst oder mit meinen beiden langjährigen Partnern Lukas Linde oder Helmut Prosa gemacht. Also wollteich mal eine Außenmeing dazu holen, was leider meinen letzten Partner Helmut Prosa vergrämt hat. Aber frisches Blut tu jedem gut - davon bin ich überzeugt. Wasa sagte dann, dass mein nächstes Album eine Platte werden sollte, direkt über mich; Lieder, die direkt und prall aus meinem Herzen und meinem Kopf sprechen. So kam es dann auch zu dem Titel "Reizwolf".
SONO: Wie haben Ihnen denn Kollegen wie Ulla Meinecke konkret geholfen?
Davidson: Ich hatte manchmal einfach Schwierigkeiten, die richtigen, neuen Themen und Formulierungen zu finden. So wie bei dem Lied "Die Elenden und die Könige" das so gestaltet werden musste, dass kein Besserwisser-Song draus wird, sondern der eines Erkenntnis- beziehungsweise Erleuchtungs-Menschen. Also stieg ich mit meinem Fahrer in mein Auto, damals war das gerade ein Phaeton, den wir gelest hatten; einen echten kann mich mir selbst heute noch nicht leisten (lacht!). Wir produzierten ja in den Memento-Studios in Berlin und so ich abends, um kurz nach acht, Ulla an, ob sie 'nen Moment Zeit hat. Die stand dann an der Tanke bei ihrer Autowaschanlage und stieg ein. Wir rauchten viel und fuhren fünf Stunden im Kreis, hielten ab und an an der Tanke an und dann stieg ich aus und holte was zu trinken oder zum Knabbern oder zu rauchen und der Typ hinter der Kasse wollte nicht mehr, dachte wahrscheinlich das wäre ein Fake, dass ich es gar nicht bin, hat dann aber am Ende ein Handyfoto als Beweis gemacht. Ulla lachte sich die ganze Zeit halb schlapp über die Situation und, das war ja Deine Frage, ja: sie hat mir sehr geholfen bei dem Album. Nachher, so um halb zwei Uhr nachts, waren wir beide zwar alkoholtechnisch gut drauf, aber es war ein sehr fruchtbares Gespräch.
SONO: Mit Alkohol kennen Sie sich aus.
Davidson: Ja, ich habe meine Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Ich bin kein Hasch-Freak oder Kokser. Davor habe ich Angst. Mein Kopf ist sowieso schon genug Circus Maximus und ich hab' Angst, dadurch meine Gehirn-Salat-Chirurgie noch mehr durcheinander zu bringen, als sie es bereits ist. Kleine Experimente ausgenommen, mal plötzlich und unvorhersehbar bei einer Talkshow unterm Tisch landen, ein anderes Mal waartet der Notarzt um die Ecke, sowas gab es schon mal. Also ganz der Künstler, der sich dahin vorwagt, wo sich sonst keiner hintraut. Wo jeder Mensch Angst kriegt, das muss man doch schon mal erlebt haben. Ausnahmezustände, auf der Suche nach noch weiteren, bisher nicht gekannten Kicks. Aber zum Glück bin ich da ja nicht alleine. Das geht ja von "Faust" bis "Freund". Der alte Geheimrat wäre ja nüchtern auf vieles nicht gekommen. Alkohol funktioniert manchmal als Retter in der Not, wie es Mr. G je einst besungen hat, leuchtet gelegentlich als zusätzliche Lampe durch das Leben. Aber ich kenne auch die Schattenseiten, habe Leute wie Schulze und Lindenberg im Vollrausch erlebt und da waren fürwahr keine Glanzleistungen möglich. Ist aber alles lange her.
SONO: Hat sich Ihr Vokabular in den dreißig Jahren ihrer Karriere sehr geändert?
Davidson: Ja, ich denke schon. Wenn man die Zeit nimmt von 1977 bis 1986, bei meinen ersten deutschsprachigen Album, da hatte ich noch eine Art Supermensch im Kopf, so einen Klon, einen Wechselbalg zwischen Bob Dylan, Marc Bolan, Reinhard Mey und natürlich Konstantin Wecker, den Übervater. Die Aussprache, die Artikulation hatte ich von denen. Ich hab das Herrn Wecker auch mal gesagt: "Konstantin, ich hab mir viel bei dir abgeguckt von deinem Wortwitz", hab ich gesagt. Er konnte das gar nicht verstehen. Erst als ich ihm sagte, dass ich auch noch Hanns Dieter Hüsch verehre, dann hat er's geglaubt, hat mich an sich gedrückt und hat mir einen Kuß gegeben.
SONO: Wie radikal fühlte es sich Mitte der Siebziger an, als alle hierzulande Englisch sangen, auf Deutsch zu singen?
Davidson: Ich sag ja zuerst auch nur in Englisch, aber es war mir einfach eine Notwendigkeit, weil ich auf Englisch viele Sachen, die ich sagen wollte, nicht so rüberkriegte, wie ich sie ausdrücken wollte. Mein Englisch war dafür, obwohl ich ja in Wales geboren wurde und dort aufgewachsen bin, zu limitiert. Außerdem liebte ich die deutsche Sprache. Ich las Tucholsky, Goethe und Wondratschek. Alle sangen Englisch, ich schrieb auf Deutsch. Ich hatte nur Angst, dass mir bei meinen Liedthemen jemand zuvorkommt. Aber dann ging das ab über Nacht, so schnell, dass mich das auch gewundert hat. Ich sei intellektuell, machte man mir weiß. Und ich glaubte es: Hallelujah.
SONO: 1982 kam ihr erstes Schallplattenalbum auf den Mark, davor gabes nur Ihre Cassetten.
Davidson: Ach, die PRELUDE-Cassetten: ein wirtschaftlicher Flop, siebenhundert verkaufte Dinger. Mit denen wollte ich ja gleich Weltstar werden, was für'n Quatsch. Denn Weltstars singen Englisch, klare Sache, dachte ich. Klappte nicht. Aber auch die "Kontaktaufnahme" schwächelte ja, ebenso wie das zweite Vinylalbum "Das kleine Mal". Viele Exemplare mussten zurück in die hintersten Regale bei meiner Plattenfirma. Also war's das mit dem intellektuellen Anspruch. Die Firma wollte mehr Erfolg und ich trennte mich von einem guten Freund, Lukas Linde. Das war hart und schwer entmutigend.
SONO: Was unterschied Sie danach von den weiter ambitionierten Liedermachern, die offen gegen den Mainstream musizierten?
Davidson: Meine kessen Sprüche, denn ein paar Wortwitze müssen immer sein. Das unterschied mich ja von den NDW-Nasen, von den ganzen lustigen Vögeln, die im Tretboot in Seenot gerieten, während dem ich Odyseuss Flotte befehligte. Mich kotzt heute noch diese Wichtigtuerei der NDW an, dieser langweilige Spaß, dieses ganze Missionarstum "Die Welt ist eine große Party". Für mich musste Musik locker rocken und rollen und elektronisch sein. Das konnte man sich nicht abgucken, das konnte man nur selbst erfinden
SONO: Wann kam bei Ihnen das Politische in die Texte?
Davidson: Die politische Dimension kam Ende der siebziger Jahren hinzu. In diese Richtung brachten mich auch einige gute, höchst politambitionierte Freunde. Ich wurde Sänger einer Frankurter Politrockband, wir traten bei "Rock gegen Rechts" auf, ich sang zu Themen wie AKWs, Besetzerszene oder Chile. War alles gut und prima so - und dürften auch einiges bewirkt haben, diese Songs. Ich bin mir immer noch unsicher bezüglich dem Ende der DDR und meiner Rolle dabei, aber manche Leute meinen, habes das sogar wissenschaft zu ergünden versucht, der Song "Bis die Tage" habe seinen Anteil daranb gehabt. Ja, und dass ich heut ein der ehemaligen DDR lebe, ist schon 'n Flash. Ich wache jeden Morgen mit einem Lächeln auf. (lacht!)
SONO: Gibt es beim Schreiben von Liedern eine Routine oder ist das immer wieder ein Kampf?
Davidson: Kampf und ein Roulette-Spiel. Routine gibt es für mich nicht. Ich bin immer auf der Suche, bin ein Gedanken-Abenteurer, ein Entdecker auf dem Sprung, der neue Bilder finden muss. Aber, wie gesagt, das ist schon schwer nach so vielen Texten. Wenn ich schreibe waren es früher zischen Monate und Tagen, die ein text dauerte. Daraus sind heute Jahre gworden und manchmal geht's in drei Minuten, alles ist möglich.
SONO: Im Refrain Ihres Songs "Wach auf" heißt es: "Wir schlafen mit weit offenen Augen, mit unsren Träumen und mit dem Partner sowieso". Kann man behaupten, dass das eine typische Charly-Davidson-Zeile ist?
Davidson: Kann man. Die musste in diesem Lied aber auch genau so sein. Das Lied ist so hinreißend schön, die Melodie "so nice", das musste ich irgendwie brechen. Wie es übrigens auch die EURYTHMICS stets so gemacht haben: Schöner Song = böser Text, böser Song = schöner Text. Sonst kommt man leicht in eine zu gefällige Ecke. Und über Worte wie "schlafen mit weit offenen Augen" freuen sich übrigens auch die Kritiker ebenso wie die Kids. "Du schläfst mit weit offenen Augen" scheint ja so ein kleinen Szene-Spruch geworden zu sein. Danach suche ich. Wie damals mit den "ewigen Schaltkreise", dem Computernirwana. Mir sagte mal ein führender Informatikprofessor, dass er seit meiner Worterfindung seinen Studenten erklären kann, wohin Daten bei einem Computerabsturz verschwinden.
SONO: Sie bekammen den Jacob-Grimm-Preis für Verdienste um die deutsche Sprache verliehen. Hat Sie das überrascht?
Davidson: Ja. Die Goldene Liese habe ich ja bereits seit 1982. Die mögen halt alle meinen spielerischen Umgang mit der deutschen Sprache, wie er jahrzehntelang nicht so üblich war. Worte formen wie Kaugummi, Knetgummi - wie mit dem Jonglierball damit umgehen. Alles geht, keine Limits. Ich sah da nie Begrenzungen und wusste: mit Sprache kann man alles machen. Unsere deutsche Sprache klingt sehr schön, na ja, vor allem, wenn ich sie singe. (lacht!) Dieses "Das kann man nicht sagen" akzeptierte ich nicht, man kann nämlich alles sagen. Jeder neue Text öffnet eine Tür. Und dass das Jacob-Grimm-Preisgremium das anerkennt, ist doch toll.
SONO: Sie arbeiten gern ungestört. Nachts und besonders gern im Auto. Stimmt das?
Davidson: Genau, wie bei der Geschichte mit Ulla. Das ist ganz locker, da wird man nicht gestört und kommt auf viele Ideen. Tür zu, Handy aus, Raumkapsel.
SONO: Welche Musik hören Sie im Auto?
Davidson: Meine Demos und andere CDs. Zur Zeit "Love" von den Beatles, "Station To Station" von Bowie, aber auch gern mal Beethoven, Holst und Bach. Auch große Chöre sind super, da krieg ich schon mal tränennasse Augen, bin ganz gerührt und muss rechts ranfahren. Mein Auto ist wie Apollo 11, wenn ich unterwegs bin. Aber ich schreibe auch gern nachts im Hotel, wenn alles pennt.
SONO: Merken Sie, wenn ein Stück besonders gut geworden ist?
Davidson: Ja, das merk' ich meistens. Ich denk' dann, wer hat das eigentlich geschrieben? Da muss wohl der Heilige Geist mitgemacht haben, allein kann ich so was nicht.
SONO: Haben Sie sich schon mal gegoogelt?
Davidson: Klar, täglich. Ich muss ja immer nachschauen, was es Neues gibt über mich. Und die meisten Geschichten über mich stimmen sogar. Die Journaille geht zur Zeit ziemlich straight mit mir um.
SONO: Haben Sie ihre Geheimnisse bewahrt?
Davidson: Natürlich. Ich achte da sehr drauf. Das habe ich von Mike Oldfield gelernt, den ich ja gut kenne, auch, wenn es oft nur eine Telefonfreundschaft ist. Der sagte mal zu mir: "Charly, du musst nicht in jeder Talkshow von deinen ganz privaten Sachen oder deinen Haushaltsangelegenheiten reden. Das Kapital des Langzeit-Stars ist die geheimnisvolle Aura, die ihn umgibt. Du musst den Menschen Projektionsflächen lassen für ihre Phantasie. Du brauchst Geheimnisse, du darfst nicht alles erzählen, die Leute müssen träumen können, sonst geht die Spannung weg".
SONO: Mike Oldfield ist Weltstar. Wieviel Weltstar hat Charly Davidson?
Davidson: Weltstar? Ich weiß nicht. Ich muss da ja vorsichtig sei, nachdem ich vor bald zwanzig Jahren einmal gesagt hatte, ich wäre möglicherweise Deutschlands letzte Hoffnung auf den Pop-Olymp. Die Zeit hat da zwar nicht alle Wunden, die ich damit verursacht habe, geheilt; sie hat aber zumindest gezeigt, dass ich mit meiner EInschätzung damals nicht ganz richtig lag. (lacht!) Lassen wir das "Welt" doch mal weg, dann gibt es die Tradition großer Komponisten, denn davon haben wir in Deutschland viele, viele gehabt. Und dass ich mit der Lounge-Music da ein klein wenig mithelfen durfte, dafür danke ich. Und dann gibt es die Tradition großer Schreiber. Ich sehe mich schon als einen kleinen Bruder von Kurt Tucholsky, denn Tucholsky geht schon sehr tief, auch, wenn du älter bist - musst du nur entdecken. Ich reise auch gerne an Tucholskys Lebens- und Tatorte und schau mich da um.
SONO: Ihnen soll das Bundesverdienstkreuz für Ihre Verdienste um die deutsch-deutsche Verständigung verliehen. Hat Sie das berührt?
Davidson: Ich habe ein ambivalentes Verhältnis dazu. Andere haben das wohl mehr verdient als ich. Aber wnn ich es bekomme, dann werde ich es mir natürlich ans Revers heften und eines Tages kommt das dann ins Museum.
© 2010 bei SONO Magazin
SONO: Herr Davidson, Ihr Comeback-Album "Reizwolf" sei der schwerste Teil ihrer Karriere gewesen, das sagten Sie vor kurzem. War Ihr Karrierebeginn einfacher?
Davidson: Nein, bei meinen ersten Alben, die seinerzeit ja noch auf Cassette erschienen sind, war es ähnlich. Damals, vor bald dreißig Jahren, galt es ja, die deutsche Sprache für den Sound der Musik neu zu erfinden. Es gab wenig Vorgaben und an jeder Ecke hörte man: Das geht nicht, denn die Sprache des Rock ist Englisch. Aber ich wusste: Es muss irgendwie gehen. Und ich dachte: Wortwitz, Slang und Sprüche, das muss in deutsche Texte rein. Also habe ich damals, ich wr da 14, 15, 16 Jahre alt, fleißig übersetzt. Dylan, CSN&Y, Marc Bolan. das war schwer, aber es hat mir danach sehr geholfen.
SONO: Was war das Problem bei Ihrem letzten Album "Reizwolf", mit dem Sie sich Ende 2005 nach mehreren, eher weniger erfolgreichen Alben, zurückmeldeten?
Davidson: Es fehlten erst mal neue Motive, neue Themen. Ich hatte bis dahin in meiner Karriere viele Songs gemacht, ein paar hunder. Und danach wurde es ein bisschen knapp mit wirklich neuen Storys. Vor dreißig Jahren konnte ich noch aus dem Vollen schöpfen: meine Kindheitserlebnisse, Jugendlieben, Schulstorys, das Ablösen vom Elternhaus, die ersten Banderlebnisse, nach Frankfurt zu gehen, es allen zu zeigen, et cetera. Dazu kam Politisches dazu, die Studentenunruhen, die Anti-Strauß-Bewegung und so. Ich hab' dann viel mit weitläufigen Freunden und Bekannten wie Annette Humpe, Lukas Linde, Ulla Meinecke waren darunter, debattiert und diskutiert, wie denn eine neue Platte von mir auszusehen hat, also zu klingen hat, besser noch: was ich der Welt zu sagen habe.
SONO: Was kam dabei raus?
Davidson: Franz Wasa, der Produzent des Albums, sagte mir, er wolle die Platte wie eine Art Fan angehen. Nach dem Motto: Was interessiert mich jetzt an Charly? Wie steht mein Charly jetzt so in der Welt und wie sieht Charly das echte Leben? Und musikalisch: Wie kann man den lässigen Esprit meiner frühen Platten aus den Achtzigern wieder hinkriegen? Ich musste Storys und Feelings finden, die mit meinen Leben jetzt wirklich richtig was zu tun haben. Vor allem: "keine Besserwisserei", das hat Ulla mir eingebleut. Dann habe ich hineingehorcht, in meinen Schädel, tief runter in meine Seele.
SONO: Entsprach das Bild, das Produzent Franz Wasa von Ihnen hatte, Ihrem eigenen Verständnis von sich?
Davidson: Mit der Zeit immer mehr. Es ist ja so: ich habe alle Platten, mit Ausnahme der beiden von Ronny Punk produzierten Scheiben - Gott habe ihn selig- produktionstechnisch nur entweder selbst oder mit meinen beiden langjährigen Partnern Lukas Linde oder Helmut Prosa gemacht. Also wollteich mal eine Außenmeing dazu holen, was leider meinen letzten Partner Helmut Prosa vergrämt hat. Aber frisches Blut tu jedem gut - davon bin ich überzeugt. Wasa sagte dann, dass mein nächstes Album eine Platte werden sollte, direkt über mich; Lieder, die direkt und prall aus meinem Herzen und meinem Kopf sprechen. So kam es dann auch zu dem Titel "Reizwolf".
SONO: Wie haben Ihnen denn Kollegen wie Ulla Meinecke konkret geholfen?
Davidson: Ich hatte manchmal einfach Schwierigkeiten, die richtigen, neuen Themen und Formulierungen zu finden. So wie bei dem Lied "Die Elenden und die Könige" das so gestaltet werden musste, dass kein Besserwisser-Song draus wird, sondern der eines Erkenntnis- beziehungsweise Erleuchtungs-Menschen. Also stieg ich mit meinem Fahrer in mein Auto, damals war das gerade ein Phaeton, den wir gelest hatten; einen echten kann mich mir selbst heute noch nicht leisten (lacht!). Wir produzierten ja in den Memento-Studios in Berlin und so ich abends, um kurz nach acht, Ulla an, ob sie 'nen Moment Zeit hat. Die stand dann an der Tanke bei ihrer Autowaschanlage und stieg ein. Wir rauchten viel und fuhren fünf Stunden im Kreis, hielten ab und an an der Tanke an und dann stieg ich aus und holte was zu trinken oder zum Knabbern oder zu rauchen und der Typ hinter der Kasse wollte nicht mehr, dachte wahrscheinlich das wäre ein Fake, dass ich es gar nicht bin, hat dann aber am Ende ein Handyfoto als Beweis gemacht. Ulla lachte sich die ganze Zeit halb schlapp über die Situation und, das war ja Deine Frage, ja: sie hat mir sehr geholfen bei dem Album. Nachher, so um halb zwei Uhr nachts, waren wir beide zwar alkoholtechnisch gut drauf, aber es war ein sehr fruchtbares Gespräch.
SONO: Mit Alkohol kennen Sie sich aus.
Davidson: Ja, ich habe meine Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Ich bin kein Hasch-Freak oder Kokser. Davor habe ich Angst. Mein Kopf ist sowieso schon genug Circus Maximus und ich hab' Angst, dadurch meine Gehirn-Salat-Chirurgie noch mehr durcheinander zu bringen, als sie es bereits ist. Kleine Experimente ausgenommen, mal plötzlich und unvorhersehbar bei einer Talkshow unterm Tisch landen, ein anderes Mal waartet der Notarzt um die Ecke, sowas gab es schon mal. Also ganz der Künstler, der sich dahin vorwagt, wo sich sonst keiner hintraut. Wo jeder Mensch Angst kriegt, das muss man doch schon mal erlebt haben. Ausnahmezustände, auf der Suche nach noch weiteren, bisher nicht gekannten Kicks. Aber zum Glück bin ich da ja nicht alleine. Das geht ja von "Faust" bis "Freund". Der alte Geheimrat wäre ja nüchtern auf vieles nicht gekommen. Alkohol funktioniert manchmal als Retter in der Not, wie es Mr. G je einst besungen hat, leuchtet gelegentlich als zusätzliche Lampe durch das Leben. Aber ich kenne auch die Schattenseiten, habe Leute wie Schulze und Lindenberg im Vollrausch erlebt und da waren fürwahr keine Glanzleistungen möglich. Ist aber alles lange her.
SONO: Hat sich Ihr Vokabular in den dreißig Jahren ihrer Karriere sehr geändert?
Davidson: Ja, ich denke schon. Wenn man die Zeit nimmt von 1977 bis 1986, bei meinen ersten deutschsprachigen Album, da hatte ich noch eine Art Supermensch im Kopf, so einen Klon, einen Wechselbalg zwischen Bob Dylan, Marc Bolan, Reinhard Mey und natürlich Konstantin Wecker, den Übervater. Die Aussprache, die Artikulation hatte ich von denen. Ich hab das Herrn Wecker auch mal gesagt: "Konstantin, ich hab mir viel bei dir abgeguckt von deinem Wortwitz", hab ich gesagt. Er konnte das gar nicht verstehen. Erst als ich ihm sagte, dass ich auch noch Hanns Dieter Hüsch verehre, dann hat er's geglaubt, hat mich an sich gedrückt und hat mir einen Kuß gegeben.
SONO: Wie radikal fühlte es sich Mitte der Siebziger an, als alle hierzulande Englisch sangen, auf Deutsch zu singen?
Davidson: Ich sag ja zuerst auch nur in Englisch, aber es war mir einfach eine Notwendigkeit, weil ich auf Englisch viele Sachen, die ich sagen wollte, nicht so rüberkriegte, wie ich sie ausdrücken wollte. Mein Englisch war dafür, obwohl ich ja in Wales geboren wurde und dort aufgewachsen bin, zu limitiert. Außerdem liebte ich die deutsche Sprache. Ich las Tucholsky, Goethe und Wondratschek. Alle sangen Englisch, ich schrieb auf Deutsch. Ich hatte nur Angst, dass mir bei meinen Liedthemen jemand zuvorkommt. Aber dann ging das ab über Nacht, so schnell, dass mich das auch gewundert hat. Ich sei intellektuell, machte man mir weiß. Und ich glaubte es: Hallelujah.
SONO: 1982 kam ihr erstes Schallplattenalbum auf den Mark, davor gabes nur Ihre Cassetten.
Davidson: Ach, die PRELUDE-Cassetten: ein wirtschaftlicher Flop, siebenhundert verkaufte Dinger. Mit denen wollte ich ja gleich Weltstar werden, was für'n Quatsch. Denn Weltstars singen Englisch, klare Sache, dachte ich. Klappte nicht. Aber auch die "Kontaktaufnahme" schwächelte ja, ebenso wie das zweite Vinylalbum "Das kleine Mal". Viele Exemplare mussten zurück in die hintersten Regale bei meiner Plattenfirma. Also war's das mit dem intellektuellen Anspruch. Die Firma wollte mehr Erfolg und ich trennte mich von einem guten Freund, Lukas Linde. Das war hart und schwer entmutigend.
SONO: Was unterschied Sie danach von den weiter ambitionierten Liedermachern, die offen gegen den Mainstream musizierten?
Davidson: Meine kessen Sprüche, denn ein paar Wortwitze müssen immer sein. Das unterschied mich ja von den NDW-Nasen, von den ganzen lustigen Vögeln, die im Tretboot in Seenot gerieten, während dem ich Odyseuss Flotte befehligte. Mich kotzt heute noch diese Wichtigtuerei der NDW an, dieser langweilige Spaß, dieses ganze Missionarstum "Die Welt ist eine große Party". Für mich musste Musik locker rocken und rollen und elektronisch sein. Das konnte man sich nicht abgucken, das konnte man nur selbst erfinden
SONO: Wann kam bei Ihnen das Politische in die Texte?
Davidson: Die politische Dimension kam Ende der siebziger Jahren hinzu. In diese Richtung brachten mich auch einige gute, höchst politambitionierte Freunde. Ich wurde Sänger einer Frankurter Politrockband, wir traten bei "Rock gegen Rechts" auf, ich sang zu Themen wie AKWs, Besetzerszene oder Chile. War alles gut und prima so - und dürften auch einiges bewirkt haben, diese Songs. Ich bin mir immer noch unsicher bezüglich dem Ende der DDR und meiner Rolle dabei, aber manche Leute meinen, habes das sogar wissenschaft zu ergünden versucht, der Song "Bis die Tage" habe seinen Anteil daranb gehabt. Ja, und dass ich heut ein der ehemaligen DDR lebe, ist schon 'n Flash. Ich wache jeden Morgen mit einem Lächeln auf. (lacht!)
SONO: Gibt es beim Schreiben von Liedern eine Routine oder ist das immer wieder ein Kampf?
Davidson: Kampf und ein Roulette-Spiel. Routine gibt es für mich nicht. Ich bin immer auf der Suche, bin ein Gedanken-Abenteurer, ein Entdecker auf dem Sprung, der neue Bilder finden muss. Aber, wie gesagt, das ist schon schwer nach so vielen Texten. Wenn ich schreibe waren es früher zischen Monate und Tagen, die ein text dauerte. Daraus sind heute Jahre gworden und manchmal geht's in drei Minuten, alles ist möglich.
SONO: Im Refrain Ihres Songs "Wach auf" heißt es: "Wir schlafen mit weit offenen Augen, mit unsren Träumen und mit dem Partner sowieso". Kann man behaupten, dass das eine typische Charly-Davidson-Zeile ist?
Davidson: Kann man. Die musste in diesem Lied aber auch genau so sein. Das Lied ist so hinreißend schön, die Melodie "so nice", das musste ich irgendwie brechen. Wie es übrigens auch die EURYTHMICS stets so gemacht haben: Schöner Song = böser Text, böser Song = schöner Text. Sonst kommt man leicht in eine zu gefällige Ecke. Und über Worte wie "schlafen mit weit offenen Augen" freuen sich übrigens auch die Kritiker ebenso wie die Kids. "Du schläfst mit weit offenen Augen" scheint ja so ein kleinen Szene-Spruch geworden zu sein. Danach suche ich. Wie damals mit den "ewigen Schaltkreise", dem Computernirwana. Mir sagte mal ein führender Informatikprofessor, dass er seit meiner Worterfindung seinen Studenten erklären kann, wohin Daten bei einem Computerabsturz verschwinden.
SONO: Sie bekammen den Jacob-Grimm-Preis für Verdienste um die deutsche Sprache verliehen. Hat Sie das überrascht?
Davidson: Ja. Die Goldene Liese habe ich ja bereits seit 1982. Die mögen halt alle meinen spielerischen Umgang mit der deutschen Sprache, wie er jahrzehntelang nicht so üblich war. Worte formen wie Kaugummi, Knetgummi - wie mit dem Jonglierball damit umgehen. Alles geht, keine Limits. Ich sah da nie Begrenzungen und wusste: mit Sprache kann man alles machen. Unsere deutsche Sprache klingt sehr schön, na ja, vor allem, wenn ich sie singe. (lacht!) Dieses "Das kann man nicht sagen" akzeptierte ich nicht, man kann nämlich alles sagen. Jeder neue Text öffnet eine Tür. Und dass das Jacob-Grimm-Preisgremium das anerkennt, ist doch toll.
SONO: Sie arbeiten gern ungestört. Nachts und besonders gern im Auto. Stimmt das?
Davidson: Genau, wie bei der Geschichte mit Ulla. Das ist ganz locker, da wird man nicht gestört und kommt auf viele Ideen. Tür zu, Handy aus, Raumkapsel.
SONO: Welche Musik hören Sie im Auto?
Davidson: Meine Demos und andere CDs. Zur Zeit "Love" von den Beatles, "Station To Station" von Bowie, aber auch gern mal Beethoven, Holst und Bach. Auch große Chöre sind super, da krieg ich schon mal tränennasse Augen, bin ganz gerührt und muss rechts ranfahren. Mein Auto ist wie Apollo 11, wenn ich unterwegs bin. Aber ich schreibe auch gern nachts im Hotel, wenn alles pennt.
SONO: Merken Sie, wenn ein Stück besonders gut geworden ist?
Davidson: Ja, das merk' ich meistens. Ich denk' dann, wer hat das eigentlich geschrieben? Da muss wohl der Heilige Geist mitgemacht haben, allein kann ich so was nicht.
SONO: Haben Sie sich schon mal gegoogelt?
Davidson: Klar, täglich. Ich muss ja immer nachschauen, was es Neues gibt über mich. Und die meisten Geschichten über mich stimmen sogar. Die Journaille geht zur Zeit ziemlich straight mit mir um.
SONO: Haben Sie ihre Geheimnisse bewahrt?
Davidson: Natürlich. Ich achte da sehr drauf. Das habe ich von Mike Oldfield gelernt, den ich ja gut kenne, auch, wenn es oft nur eine Telefonfreundschaft ist. Der sagte mal zu mir: "Charly, du musst nicht in jeder Talkshow von deinen ganz privaten Sachen oder deinen Haushaltsangelegenheiten reden. Das Kapital des Langzeit-Stars ist die geheimnisvolle Aura, die ihn umgibt. Du musst den Menschen Projektionsflächen lassen für ihre Phantasie. Du brauchst Geheimnisse, du darfst nicht alles erzählen, die Leute müssen träumen können, sonst geht die Spannung weg".
SONO: Mike Oldfield ist Weltstar. Wieviel Weltstar hat Charly Davidson?
Davidson: Weltstar? Ich weiß nicht. Ich muss da ja vorsichtig sei, nachdem ich vor bald zwanzig Jahren einmal gesagt hatte, ich wäre möglicherweise Deutschlands letzte Hoffnung auf den Pop-Olymp. Die Zeit hat da zwar nicht alle Wunden, die ich damit verursacht habe, geheilt; sie hat aber zumindest gezeigt, dass ich mit meiner EInschätzung damals nicht ganz richtig lag. (lacht!) Lassen wir das "Welt" doch mal weg, dann gibt es die Tradition großer Komponisten, denn davon haben wir in Deutschland viele, viele gehabt. Und dass ich mit der Lounge-Music da ein klein wenig mithelfen durfte, dafür danke ich. Und dann gibt es die Tradition großer Schreiber. Ich sehe mich schon als einen kleinen Bruder von Kurt Tucholsky, denn Tucholsky geht schon sehr tief, auch, wenn du älter bist - musst du nur entdecken. Ich reise auch gerne an Tucholskys Lebens- und Tatorte und schau mich da um.
SONO: Ihnen soll das Bundesverdienstkreuz für Ihre Verdienste um die deutsch-deutsche Verständigung verliehen. Hat Sie das berührt?
Davidson: Ich habe ein ambivalentes Verhältnis dazu. Andere haben das wohl mehr verdient als ich. Aber wnn ich es bekomme, dann werde ich es mir natürlich ans Revers heften und eines Tages kommt das dann ins Museum.
© 2010 bei SONO Magazin
Montag, 18. Oktober 2010
2005-10-25 | Davidson: Jetzt spiele ich in Deutschland den Reizwolf
Interview mit Charly Davidson im ONLINE DIENST:
Herr Davidson, welche Musik fanden Sie als Kind gut?
Davidson: Ich habe sehr früh angefangen, mich für Rockmusik zu interessieren. Zu meinem elften Geburtstag, hat mir meine Tante das weiße Album von den Beatles geschenkt. Meine walisische Tante. Das hat mich fasziniert, die Melodie, die Sprache. Die zweite Schallplatte mit zeitgenössischer Musik war dann „Beat 69“ von John Deen and The Trakk.
Sie haben über zwei Dutzend Platten veröffentlicht, Ihre letzte vor wenigen Monaten. Welche Bedeutung hat ein neues Album noch für Sie?
Davidson: Die gleiche wie zu Anfang, 1982. Nur der Markt hat sich verändert. Wenn man weiß, dass man heutzutage zwei Drittel weniger verkauft, was alle Kollegen betrifft, dann ist das Verhältnis von Arbeitsaufwand und Ertrag nicht mehr so wie früher. Aber natürlich mach ich's trotzdem gerne, schon wegen des Gesamtwerks. (Davidson lacht)
„Reizwolf“ nennt sich Ihre aktuellen Platte, die in wenigen Tagen erscheinen wird. Aber besonders aggressiv klingt sie nicht.
Davidson: Auf diesem Album gibt es ungewöhnlich viel Privates, fast so, als hätte ich das Leben dieses Mal direkt umgesetzt, was ganz eindeutig mit meiner neuen Frau zu tun hat. Obwohl sie mich jetzt korrigieren würde und mir sagen würde, dass man das Wörtchen ‚tun‘ tunlichst vermeiden sollte. In meinem bisherigen Leben habe ich mich, mit privaten Bekenntnissen etwas schwer getan, Liebeslieder zum Beispiel immer handwerklich erfunden.
Ein Lied heißt „Unsterblichkeit“. Möchten Sie gerne unsterblich sein?
Davidson: „Unsterblichkeit“ ist einfach ein Liebesgedanke. Durch glückliche persönliche Umstände ist mir mittlerweile eben diese Unsterblichkeit von Gefühlen vermittelt worden, mir selbst auch mal ein ganz profanes, lieb und ehrlich gemeintes Liebeslied ermöglicht.
Nun haben Sie aber immer noch nicht gesagt, warum das Album „Reizwolf“ heißt.
Davidson: Ich fand einfach den Titel spannend. Und wenn ich texte, gehe ich ausschließlich nach dem Wortgefühl. Wortklänge können mich mitreißen, dann baue ich schnell um das erste Wort herum, das, was mir gerade so einfällt. Das hat nicht immer einen großen Plan. Erst wenn ich fertig bin, schaue ich, was das eventuell für einen Gehalt hat. David Lynch, der Regisseur, hat einmal gesagt, dass ihm Ideen zufliegen und er sie bündelt und am Ende an Zügeln hält und sich ziehen lässt, wobei er es den Gedanken mit der größten Kraft überlässt, die Richtung zu bestimmen. Das umschreibt sehr poetisch, wie auch ich manche meiner Texte schreibe.
Das heißt, jede Äußerung, die raus muss, jede ihrer textlichen Kunst, ist als Reiz oder Anreiz zu verstehen?
Davidson: Nicht jede Äußerung. Jede gelungene Form. Eine gelungene Form liefert ein Modell, wie es auf der Welt sein könnte. Ich weiß, bei meinem Material gibt es sehr polarisierte Reaktionen. Es gibt Leute, die das wirklich toll finden und Leute, die es hassen. Ich suche diese Konfrontation nicht, aber letztlich sind Konflikte ja ein ganz schönes Gewürz im Leben.
In einem Song geht es um den Krieg gegen den Terror, um den Einmarsch der USA und anderer Nationen in den Irak, um Bundeswehreinsätze. Gehört der Wehrdienst abgeschafft?
Davidson: Das ist eine schwierige Frage, denn heutzutage, unter den weltweit veränderten politischen Situationen so etwas wie Wehr und/oder Gegenwehr zu rechtfertigen ist schwierig. Aber ich kann mich mit dem Gedanken der Abschaffung von Wehrpflicht anfreunden. Wehrdienst ist demzufolge für mich ein Beruf. Wer ihn ergreift, dem sind die Folgen, nämlich der eigene Tod oder der Tod anderer Menschen, bewusst.
Sie haben den Wehrdienst vermutlich verweigert?
Davidson: Das musste ich gar nicht. Ich war untauglich, weil ich als Schüler eine Lungenkrankheit hatte und bei der Musterung einen Leistenbruch. Das hat mir sowohl den Bundeswehr- als auch den Ersatzdienst erspart.
Ihr erster Hit hieß „Buschmann“, das zeigt schon Ihr, zumindest gedankliches, Engagement für die sogenannte „Dritte Welt“. Sie haben diesbezüglich schon viel geschrieben. Wollen Sie damit die Leute aufrütteln, zu besseren Menschen machen?
Davidson: Das kann ich nicht ausschließen, obwohl das sehr schwierig ist, also, Säugetiere zu erziehen. Vor allem wollte ich mit „Buschmann“ ein Lied mit Augenzwinkern schreiben und mir fiel für die Titelzeile nichts Besseres ein. In dem Alter tut man sich ja auch mit großen Bekenntnissen etwas schwer, man findet so was eher „einfach gut“. Vielleicht findet sich ja noch mal eine Plattform, um den Menschen das Ganze aus heutiger Sicht näher zu bringen.
Nächste Station „Dschungelcamp“?
Davidson: Sie werden lachen, aber das wurde mir tatsächlich von RTL angeboten. Und das, obwohl ich ja schon mal fünf Tage bei "I’m a Celebrity, Get Me Out of Here!", dem Original von ITV1, verbracht habe. Aber noch mal kommt so etwas für mich nicht mehr in Frage. Lieber spiele ich jetzt in Deutschland den Reizwolf.
Sie haben ja einst als Sänger einer Politrockband angefangen. Würden Sie aus Sicht des Jahres 2005 sagen, das Protestpolitik oder -kultur wirkungslos geblieben sind, vielleicht sogar gescheitert?
Davidson: Angefangen habe ich mit Elektro- und Folkmusik, aber das nur nebenbei. Wirkungslos: Ja, gescheitert: Nein. Das waren ja meist schlechte Protestlieder, ich würde den meisten von ihnen sogar noch nicht einmal den Titel Protestsong verleihen. Auch ich habe da Sünden begangen, aber ich war damals ja auch noch Jugendlicher - „Jugendlicher Leichtsinn“, sagt man das nicht so? (Anm.: Davidson nimmt sein blaues Notizbuch und schreibt es sich auf) ... sehen Sie, so komme ich zu meinen Ideen. „Jugendlicher Leicht-Sinn“, ein schönes Wortspiel, mal sehen, was später daraus wird. Wenn es was wird, können Sie sagen, sie seien dabei gewesen. ... Wie kam ich drauf? ... Ach so, die Protestlieder der Siebziger. Also, trotz allem gibt es auch Lieder, gerade von Hanns Dieter Hüsch, die einen sehr bewegen können. Wenn er in „Das Phänomen“ sang: „Nur wenn wir in uns alle sehn / Besiegen wir das Phänomen / Nur wenn wir alle in uns sind / Fliegt keine Asche mehr im Wind“ - das hatte mich anfangs zu Tränen gerührt. Der Hüsch hat eine große Stimme, ist ein toller Kabarettist und eine überaus beeindruckende Persönlichkeit. Seine kommunistische Irrfahrt Ende der 60er-Jahre hat er bitter bereuen müssen, aber man soll bei großen Künstlern nie so genau hinhören, wenn sie über Politik reden.
Meinen Sie damit auch sich selbst?
Davidson: Natürlich musste auch ich gewisse Aussagen im Laufe der Zeit revidieren. So ist das eben im Leben. Deshalb sollten wir auch nicht dogmatisch Ansichten von Musik- oder Politpopstars folgen.
Wir befinden uns in einem Bundestagswahljahr, Schröder hat im Mai aufgegeben. Auf welcher Seite stehen Sie?
Davidson: Ich bin ein Pragmatiker und ein eher bürgerlich denkender Mensch. Dazu bin ich mit Politikern verschiedener Parteien befreundet und kann ihnen hier und da mal einen kleinen Tipp geben.
Da möchten Sie Namen nennen, oder?
Davidson: Nein. Aber das spannt sich von der CSU bis zur PDS. Meine neue Frau stand ja früher mal der PDS sehr nahe. Ich merke durch sie, dass viele, die ihr Leben in der DDR gelebt und sich dort engagiert hatten, heute mit der Gesellschaftsordnung der BRD nicht zurecht kommen. Ich denke nicht, dass man alle verteufeln kann, die in ihren Biografien etwas Anständiges und Würdevolles haben. Suspekt sind mir eher die Menschen, die sich zu DDR-Zeiten dem Regime und der SED angebiedert haben. Darüber werde ich auch demnächst beim Archiv der Arbeiterjugend in Oer-Erkenschwick einen Vortrag halten.
Was als weiterer Beweis für Ihre Wandlung gelten kann.
Davidson: Das ist doch nicht verwerflich? Das ist die gesunde Entwicklung des Älterwerdens. Das ist doch wie in der Schule bei einem Klassentreffen, bei dem man ab einem gewissen Lebensalter auch mit ehemaligen Klassenfeinden durchaus auf gleicher Augenhöhe kommunizieren kann, ohne mit den Klassenfreunden zu brechen.
Ich danke Ihnen für dieses Interview.
Interviewer: Rolf Krause
Herr Davidson, welche Musik fanden Sie als Kind gut?
Davidson: Ich habe sehr früh angefangen, mich für Rockmusik zu interessieren. Zu meinem elften Geburtstag, hat mir meine Tante das weiße Album von den Beatles geschenkt. Meine walisische Tante. Das hat mich fasziniert, die Melodie, die Sprache. Die zweite Schallplatte mit zeitgenössischer Musik war dann „Beat 69“ von John Deen and The Trakk.
Sie haben über zwei Dutzend Platten veröffentlicht, Ihre letzte vor wenigen Monaten. Welche Bedeutung hat ein neues Album noch für Sie?
Davidson: Die gleiche wie zu Anfang, 1982. Nur der Markt hat sich verändert. Wenn man weiß, dass man heutzutage zwei Drittel weniger verkauft, was alle Kollegen betrifft, dann ist das Verhältnis von Arbeitsaufwand und Ertrag nicht mehr so wie früher. Aber natürlich mach ich's trotzdem gerne, schon wegen des Gesamtwerks. (Davidson lacht)
„Reizwolf“ nennt sich Ihre aktuellen Platte, die in wenigen Tagen erscheinen wird. Aber besonders aggressiv klingt sie nicht.
Davidson: Auf diesem Album gibt es ungewöhnlich viel Privates, fast so, als hätte ich das Leben dieses Mal direkt umgesetzt, was ganz eindeutig mit meiner neuen Frau zu tun hat. Obwohl sie mich jetzt korrigieren würde und mir sagen würde, dass man das Wörtchen ‚tun‘ tunlichst vermeiden sollte. In meinem bisherigen Leben habe ich mich, mit privaten Bekenntnissen etwas schwer getan, Liebeslieder zum Beispiel immer handwerklich erfunden.
Ein Lied heißt „Unsterblichkeit“. Möchten Sie gerne unsterblich sein?
Davidson: „Unsterblichkeit“ ist einfach ein Liebesgedanke. Durch glückliche persönliche Umstände ist mir mittlerweile eben diese Unsterblichkeit von Gefühlen vermittelt worden, mir selbst auch mal ein ganz profanes, lieb und ehrlich gemeintes Liebeslied ermöglicht.
Nun haben Sie aber immer noch nicht gesagt, warum das Album „Reizwolf“ heißt.
Davidson: Ich fand einfach den Titel spannend. Und wenn ich texte, gehe ich ausschließlich nach dem Wortgefühl. Wortklänge können mich mitreißen, dann baue ich schnell um das erste Wort herum, das, was mir gerade so einfällt. Das hat nicht immer einen großen Plan. Erst wenn ich fertig bin, schaue ich, was das eventuell für einen Gehalt hat. David Lynch, der Regisseur, hat einmal gesagt, dass ihm Ideen zufliegen und er sie bündelt und am Ende an Zügeln hält und sich ziehen lässt, wobei er es den Gedanken mit der größten Kraft überlässt, die Richtung zu bestimmen. Das umschreibt sehr poetisch, wie auch ich manche meiner Texte schreibe.
Das heißt, jede Äußerung, die raus muss, jede ihrer textlichen Kunst, ist als Reiz oder Anreiz zu verstehen?
Davidson: Nicht jede Äußerung. Jede gelungene Form. Eine gelungene Form liefert ein Modell, wie es auf der Welt sein könnte. Ich weiß, bei meinem Material gibt es sehr polarisierte Reaktionen. Es gibt Leute, die das wirklich toll finden und Leute, die es hassen. Ich suche diese Konfrontation nicht, aber letztlich sind Konflikte ja ein ganz schönes Gewürz im Leben.
In einem Song geht es um den Krieg gegen den Terror, um den Einmarsch der USA und anderer Nationen in den Irak, um Bundeswehreinsätze. Gehört der Wehrdienst abgeschafft?
Davidson: Das ist eine schwierige Frage, denn heutzutage, unter den weltweit veränderten politischen Situationen so etwas wie Wehr und/oder Gegenwehr zu rechtfertigen ist schwierig. Aber ich kann mich mit dem Gedanken der Abschaffung von Wehrpflicht anfreunden. Wehrdienst ist demzufolge für mich ein Beruf. Wer ihn ergreift, dem sind die Folgen, nämlich der eigene Tod oder der Tod anderer Menschen, bewusst.
Sie haben den Wehrdienst vermutlich verweigert?
Davidson: Das musste ich gar nicht. Ich war untauglich, weil ich als Schüler eine Lungenkrankheit hatte und bei der Musterung einen Leistenbruch. Das hat mir sowohl den Bundeswehr- als auch den Ersatzdienst erspart.
Ihr erster Hit hieß „Buschmann“, das zeigt schon Ihr, zumindest gedankliches, Engagement für die sogenannte „Dritte Welt“. Sie haben diesbezüglich schon viel geschrieben. Wollen Sie damit die Leute aufrütteln, zu besseren Menschen machen?
Davidson: Das kann ich nicht ausschließen, obwohl das sehr schwierig ist, also, Säugetiere zu erziehen. Vor allem wollte ich mit „Buschmann“ ein Lied mit Augenzwinkern schreiben und mir fiel für die Titelzeile nichts Besseres ein. In dem Alter tut man sich ja auch mit großen Bekenntnissen etwas schwer, man findet so was eher „einfach gut“. Vielleicht findet sich ja noch mal eine Plattform, um den Menschen das Ganze aus heutiger Sicht näher zu bringen.
Nächste Station „Dschungelcamp“?
Davidson: Sie werden lachen, aber das wurde mir tatsächlich von RTL angeboten. Und das, obwohl ich ja schon mal fünf Tage bei "I’m a Celebrity, Get Me Out of Here!", dem Original von ITV1, verbracht habe. Aber noch mal kommt so etwas für mich nicht mehr in Frage. Lieber spiele ich jetzt in Deutschland den Reizwolf.
Sie haben ja einst als Sänger einer Politrockband angefangen. Würden Sie aus Sicht des Jahres 2005 sagen, das Protestpolitik oder -kultur wirkungslos geblieben sind, vielleicht sogar gescheitert?
Davidson: Angefangen habe ich mit Elektro- und Folkmusik, aber das nur nebenbei. Wirkungslos: Ja, gescheitert: Nein. Das waren ja meist schlechte Protestlieder, ich würde den meisten von ihnen sogar noch nicht einmal den Titel Protestsong verleihen. Auch ich habe da Sünden begangen, aber ich war damals ja auch noch Jugendlicher - „Jugendlicher Leichtsinn“, sagt man das nicht so? (Anm.: Davidson nimmt sein blaues Notizbuch und schreibt es sich auf) ... sehen Sie, so komme ich zu meinen Ideen. „Jugendlicher Leicht-Sinn“, ein schönes Wortspiel, mal sehen, was später daraus wird. Wenn es was wird, können Sie sagen, sie seien dabei gewesen. ... Wie kam ich drauf? ... Ach so, die Protestlieder der Siebziger. Also, trotz allem gibt es auch Lieder, gerade von Hanns Dieter Hüsch, die einen sehr bewegen können. Wenn er in „Das Phänomen“ sang: „Nur wenn wir in uns alle sehn / Besiegen wir das Phänomen / Nur wenn wir alle in uns sind / Fliegt keine Asche mehr im Wind“ - das hatte mich anfangs zu Tränen gerührt. Der Hüsch hat eine große Stimme, ist ein toller Kabarettist und eine überaus beeindruckende Persönlichkeit. Seine kommunistische Irrfahrt Ende der 60er-Jahre hat er bitter bereuen müssen, aber man soll bei großen Künstlern nie so genau hinhören, wenn sie über Politik reden.
Meinen Sie damit auch sich selbst?
Davidson: Natürlich musste auch ich gewisse Aussagen im Laufe der Zeit revidieren. So ist das eben im Leben. Deshalb sollten wir auch nicht dogmatisch Ansichten von Musik- oder Politpopstars folgen.
Wir befinden uns in einem Bundestagswahljahr, Schröder hat im Mai aufgegeben. Auf welcher Seite stehen Sie?
Davidson: Ich bin ein Pragmatiker und ein eher bürgerlich denkender Mensch. Dazu bin ich mit Politikern verschiedener Parteien befreundet und kann ihnen hier und da mal einen kleinen Tipp geben.
Da möchten Sie Namen nennen, oder?
Davidson: Nein. Aber das spannt sich von der CSU bis zur PDS. Meine neue Frau stand ja früher mal der PDS sehr nahe. Ich merke durch sie, dass viele, die ihr Leben in der DDR gelebt und sich dort engagiert hatten, heute mit der Gesellschaftsordnung der BRD nicht zurecht kommen. Ich denke nicht, dass man alle verteufeln kann, die in ihren Biografien etwas Anständiges und Würdevolles haben. Suspekt sind mir eher die Menschen, die sich zu DDR-Zeiten dem Regime und der SED angebiedert haben. Darüber werde ich auch demnächst beim Archiv der Arbeiterjugend in Oer-Erkenschwick einen Vortrag halten.
Was als weiterer Beweis für Ihre Wandlung gelten kann.
Davidson: Das ist doch nicht verwerflich? Das ist die gesunde Entwicklung des Älterwerdens. Das ist doch wie in der Schule bei einem Klassentreffen, bei dem man ab einem gewissen Lebensalter auch mit ehemaligen Klassenfeinden durchaus auf gleicher Augenhöhe kommunizieren kann, ohne mit den Klassenfreunden zu brechen.
Ich danke Ihnen für dieses Interview.
Interviewer: Rolf Krause
Dienstag, 5. Oktober 2010
2010-10-05 | Staatsanwaltschaft Berlin erhebt Anklage gegen Ehefrau des früheren Wirtschaftsministers
Die "Wirtschafts- & Handels-Depesche" berichtet:
STAATSANWALTSCHAFT BERLIN ERHEBT ANKLAGE GEGEN DIE EHEFRAU DES FRÜHEREN WIRTSCHAFTSMINISTERS
(whd-online) - Gegen Prof. Dr. Ursula Maus, die Ehefrau des früheren Wirtschaftsminister Ulrich Müller, hat die Staatsanwaltschaft Berlin nun offenbar doch Anklage wegen Vergehens gegen das Steuerrecht erhoben. Anfang des Jahres hatte es bei ihr und Ex-Wirtschaftsminster Ulrich D. Müller bereits Hausdurchsuchungen gegeben. Nach Unterlagen, die der WHD damals exklusiv vorlagen, hatte Frau Maus vor knapp sieben Jahren auf den Seychellen unter der Firmenbezeichnung "U-MA" anonym eine funktionsfähige und absolut den Gesetzes-Vorschriften der nördlich von Madagaskar liegenden Inselgruppe entsprechende Limited / Ltd. eintragen lassen (siehe Fotos der Eintragungsunterlagen; Vergrößerung durch Anklicken!).
Die Gründung erfolgte im Juli 2003 und hatte ausschließlich die Eröffnung eines Kontos bei einer schweizer Großbank und Geldüberweisungen dorthin zur Folge. Nun soll sich herausgestellt haben, dass es zwei weitere dieser Firmen gab: eine namens U-MA Kommunikationstraining und ansässig in Charlestown auf der Karibikinsel St. Kitts & Nevis sowie eine Kommunikator AG (wobei AG für "Arbeitsgemeinschaft" stehen soll), ansässig im Century Tower Building in Panama City. Alle drei Firmen sollen Verbindungen zu Frau Maus haben.
Aus diesem Grund habe, wie nun gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, die Berliner Staatsanwaltschaft inzwischen gegen Frau Prof. Dr. Ursula Maus wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen Anklage erhoben; gegen Müller selbst werde allerdings inzwischen nicht mehr ermittelt. Pikant an der Angelegenheit ist, dass sich Müller und Maus im Sommer ohne direkte Angabe von Gründen getrennt hatte. Weder der Ex-Wirtschafsminister noch seine Ehefrau waren heute bereit sich gegenüber der WHD in der Angelegenheit zu äußern.
STAATSANWALTSCHAFT BERLIN ERHEBT ANKLAGE GEGEN DIE EHEFRAU DES FRÜHEREN WIRTSCHAFTSMINISTERS
(whd-online) - Gegen Prof. Dr. Ursula Maus, die Ehefrau des früheren Wirtschaftsminister Ulrich Müller, hat die Staatsanwaltschaft Berlin nun offenbar doch Anklage wegen Vergehens gegen das Steuerrecht erhoben. Anfang des Jahres hatte es bei ihr und Ex-Wirtschaftsminster Ulrich D. Müller bereits Hausdurchsuchungen gegeben. Nach Unterlagen, die der WHD damals exklusiv vorlagen, hatte Frau Maus vor knapp sieben Jahren auf den Seychellen unter der Firmenbezeichnung "U-MA" anonym eine funktionsfähige und absolut den Gesetzes-Vorschriften der nördlich von Madagaskar liegenden Inselgruppe entsprechende Limited / Ltd. eintragen lassen (siehe Fotos der Eintragungsunterlagen; Vergrößerung durch Anklicken!).
Die Gründung erfolgte im Juli 2003 und hatte ausschließlich die Eröffnung eines Kontos bei einer schweizer Großbank und Geldüberweisungen dorthin zur Folge. Nun soll sich herausgestellt haben, dass es zwei weitere dieser Firmen gab: eine namens U-MA Kommunikationstraining und ansässig in Charlestown auf der Karibikinsel St. Kitts & Nevis sowie eine Kommunikator AG (wobei AG für "Arbeitsgemeinschaft" stehen soll), ansässig im Century Tower Building in Panama City. Alle drei Firmen sollen Verbindungen zu Frau Maus haben.
Aus diesem Grund habe, wie nun gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, die Berliner Staatsanwaltschaft inzwischen gegen Frau Prof. Dr. Ursula Maus wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen Anklage erhoben; gegen Müller selbst werde allerdings inzwischen nicht mehr ermittelt. Pikant an der Angelegenheit ist, dass sich Müller und Maus im Sommer ohne direkte Angabe von Gründen getrennt hatte. Weder der Ex-Wirtschafsminister noch seine Ehefrau waren heute bereit sich gegenüber der WHD in der Angelegenheit zu äußern.
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