Dienstag, 8. Februar 2011

2004-02-08 | "wissen-schafft-macht": Wohl wahr, Herr Davidson - aber eben nicht immer

Aus MUSIK ONLINE vom 8. Februar 2004:

Nun ist es vorbei mit Charly Davidson. Zumindest mit seiner "Todes-Trilogie", wie sie das Magazin SPIEGEL vor einiger Ziet taufte. Schmückte bei deren Teil 1 ("Dieletzte Ölung") noch eine Art Autopsie nebst Menschen das Albumcover, so folgte bei Teil 2 ("Begräbnis") eine Zigarettenschachtel mit dem obligatorischen Warnhinweis der EU-Gesundheitsminister als Grabstein. Nun beschließt ein schlichtes Fernsehtestbild die Trilogie und der Albumtitel "wissen-schafft-macht" erweist sich schon damit als gewollte Farce.

Gut, die Ideen gehen dem Kreativmeister der Deutschen Musikszene, der 1982 mit seinem phänomenalen Album-Debüt "Kontaktaufnahme" wie auch dem Nichts auftauchte und sich danach mit Hits wie anspruchsvollen literarischen Songs ("Die Nacht der Gewohnheit") sowie der Erfindung der Lounge-Musik Jahr um Jahr einen Namen machte, auch nach 22 Jahren nicht aus - jedenfalls, was Konzepte und Coverinnovationen angeht. Doch die Enttäuschung darüber, dass wir nie so intellektuell werden konnten wie es sich der schlaue "Odysseus" gewünscht hätte, ist diesem Album durchaus anzumerken.

Nachdem ihn die Vorspiegelung seines eigenen Todes beim letzten Album um seinen Ewig-Plattenvertrag mit der GLOBA gebracht hatte, versucht sich Davidson diesmal sogar als Entrepreneur und veröffentlicht dieses Album auf seinem eigenen Label CBQ. Aber die vielen Steine, die er - der weiblichen Wesen einst Texte wie "Niemand weint so schön wie Du" auf den nackten Leib schreiben konnte - bald 1000 Wochenenden lang bei diesen im Brett hatte (und sich für die Machos unter seinen Fans auch schon mal die SCORPIONS ins Bett holte), scheinen langsam abgewetzt, wenn nicht sogar schon gar nicht mehr vorhanden.

Mit "Ein Blitzen auf dem Schirm" und "Omnipotent" sind auch gute Tracks vorhanden, aber im Großen und Ganzen nimmt Charly Davidson mit diesem Album, als wohl schwächsten seiner Karriere, die falsche Ausfahrt. Tatsächlich ist dies hier die erste ChD-Veröffentlichung, die einem so richtig zur Last fällt, inklusive Möchtegern-Soul ("Soularium"), Billig-Rap ("Rapungsanker") und möglicherweise von der Insel eingeschleustem Zeitraffer-R&B ("Die, die nicht wissen"). So etwas ist von einem Künstler, der sich schon im Pop-Olymp wähnte, indiskutabel. Doch da oben, über den Wolken, in den letzten Nachtstunden, hätte man Davidson zu etwas ganz anderem raten sollen. Zum Beispiel sich "Sings For Only The Lonely" von Frank Sinatra anzuhören: "Now the rain's a-fallin', hear the train a-callin, 'Whooee!'". Da hätte er sich einigen abschauen können, denn er hat ja im Grunde recht: "wissen-schafft-macht".

So wird das jedenfalls nichts in der Verbesserung der angespannten Beziehung zwischen Fan und Künstler und der Eindruck bleibt, dass Davidson nun genau das tut, was man ihm bei "Die letzte Ölung" noch unrechtmäßig vorwarf: Sich selbst verwirklichen auf Kosten seines Rufs. Aber es wird sich wohl auch dieses Mal ein Praktikant finden, der "wissen-schafft-macht" für die beste Charls Davidson-Platte ever hält..."My mama was right / There's blues in the night".


(4 von 10 Punkten) Joe Riedel

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