Freitag, 23. Juli 2010

1994-11-18 | Davidson: Alles nur ein Bluff

Die BILD-Zeitung schreibt am 18. November 1994:

Wer hätte das gedacht? Charly Davidson hat uns alle monatelang an der Nase herumgeführt. Weder wird er nun ernsthafter Schriftsteller, noch wird er für alle Ewigkeiten diese naturgeistige Bartpracht in seinem Gesicht tragen - und er wird auch weiterhin Musik machen. Sämtliche Skandale, Ausraster und Peinlichkeiten der letzten Monate waren sozusagen ein Bluff.

Vor rund einem Jahr hatte Filmemacher Peter Stern, dass er einen Dokumentarfilm über die Wandlung seines Schwagers von einer Rocklegende zum Schriftseller drehen wolle. Charly Davidson hatte angekündigt, nie wieder einen Ton aufnehmen zu wollen und der Musikbranche den Rücken zuzukehren. Es folgte ein fragwürdiger Auftritt nach dem anderen, die an Peinlichkeit teilweise kaum noch zu unterbieten waren. So torkelte er betrunken durch eine TV-Talkshow, nuschelte bei Radiosuftritten, so dass kaum etwas zu verstehen war. Nach und nach verdichteten sich die Gerüchte, dass der Schauspieler, dem man immer Drogenkonsum andichtete, im Drogensumpf unterzugehen drohe.

Jetzt wurde bekannt, dass es sich bei seinem seltsamen Verhalten um den Dreh einer Mockumentary handelt, die nun im Privatfernsehen ausgestrahlt werden soll. Laut Medieninformationen führen Davidson und Stern momentan Verhandlungen mit diversen TV-Sendern. Letzte Woche wurden in Jena Ausschnitte unter strenger Geheimhaltung potenziellen Interessenten, unter ihnen RTL2 und VOX, präsentiert und schon in den nächsten Tagen könnte ein Vertrag zustande kommen.

Nun werden wir also erfahren, was wirklich hinter den Aktionen der letzten Zeit steckt – warum Charly Davidson sich einen Bart wachsen ließ, weshalb er bei einer seiner Lesungen von der Bühne stürzte, was mit ihm in der Late-Night-Show von Thomas Gottschalk los war und ob er wirklich in die Fußstapfen von Kurt Tucholsky treten will oder ob er der Welt die ganze Zeit nur eine Rolle vorgespielt hat. Vor allem haben zukünftig seine Fans die Frage zu beantworten, was sein Verhalten be iihnen bewirkt hat und ob sie ihm einen Schabernack übel nehmen, weil sie sich möglicherweise ernsthafte Sorgen um ihn und seinen gesundheitlichen Zustand gemacht haben?

Dienstag, 13. Juli 2010

2000-07-13 | Charly mitten im "Cuckoo Cocoon"

Aus aktuellem Anlass - Charly Davidsons Ex-Ehefrau Sabine hatte in der gestrigen Ausgabe des Magazins FAUCOULT erstmals nach der im Jahre 2005 erfolgen Scheidung von ihm ihr Schweigen gebrochen - soll hier noch einmal auf die Zeit vor genau zehn JAhren hingewiesen werden, als Charly seine spätere zweite Ehefrau Dr. Ursula Maus kennenlernte, erinnert werden. Alle E-Mails dieser Zeit kann man ja HIER nachlesen.

So schrieb er am 13. Juli 2000 folgende E-Mail ...


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Von: charts@charlydavidson.com
An: ursula-maus@tkun.de
Betreff: Das hatte ich mir doch gedacht

„Ein guter Autor ist ein Minenleger: Er befindet sich schon in anderen Gewässern, wenn die Minen hochgehen.“ (Ernst Jünger)

U.,

um Deinen Gedanken zum Abschied weiterzuführen, denke ich: Abschied muss man können. Was nutzt es, wenn man etwas macht, was man nicht kann. Klar, manche Menschen würden jetzt sagen: Dann muss man halt üben, wenn man es nicht kann. - Dir brauche ich nicht zu sagen, wo hier der Denkfehler zu meinem Denkansatz liegt.

Du hast mir in einem Nebensatz mitgeteilt, daß Du mal studiert hast. Zeit für ein weiteres Outing meinerseits: Nein, ich habe kein Abitur. Durch diese unglücklichen Lebensumstände konnte ich folglicherweise auch nicht klassisch studieren ... meine größten Erfolge schaffte ich auch so. Trotzdem bedauere ich es, nicht studiert zu haben; was mann da so für Geschichten hört. - Aber zurück zum Thema ‘Mauern in den Köpfen’.

Manchmal passiert mir folgende Szene (Ausgangspunkte):

Ich habe eine tolle Platte gemacht / bekomme einen Preis verliehen / habe ein unglaubliches Interview geführt etc.. Mein Gegenüber (Intellektueller/Minister/Professor etc.) sagt: „...und wo, mein Lieber, haben sie denn studiert? Im Westen? Sie kommen doch nicht von hier?...“ Ich entgegne: „Leider habe ich nie studiert.“ Er/sie: „Aber irgendetwas haben sie doch gemacht? - Ich (bin geneigt mit Strelitz zu sagen, dass ich dicker geworden bin) erleichtere dem Gegenüber aber den Smal-Talk und sage: „Ich war einige Jahre auf einer Fachhochschule und bin Diplom...“; weiter komme ich nicht, da der Gegenüber erfreut sagt: „Ja dann. Sehn sie, das hatte ich mir doch gedacht.“ - Hier fehlt als Nachsatz nur noch Deine Radio-Entdeckung aus Berlin: „...einfache Leute müssen ja ooch ma loofen jehn!“

Lass uns eine Deiner Reh/Maus-Kenntnisse umdrehen, um zu prüfen, ob sie richtig ist oder latent ‘mauerbaufreundlich’:

Du behauptest „Die Umwertung der Werte wird durch Wessis von Ossis gefordert, wobei erstere nicht bedenken, daß ihnen ähnliches abverlangt wird - die Zeit hat sich für alle verändert! Ossis sind kaum dazu imstande, ihre Werte umzuwerten, weil sie sich ihrer und ihres eigenen Lebens nicht mehr als Wert bewußt sind!“

Ich stelle um: „Die Umwertung der Werte wird durch Ossis von Wessies gefordert, wobei erstere nicht bedenken, dass ihnen ähnliches abverlangt wird - die Zeit hat sich für alle verändert! Wessies sind kaum dazu imstande, ihre Werte umzuwerten, weil sie sich ihrer und ihres eigenen Lebens nicht mehr als Wert bewußt sind!“

Ich analysiere oft meine Gedanken auf diese Weise um sie einmal aus einer anderen Warte aus anzuschauen.

Meine ‘Einführung in das Leben JWGs für junge Leute’ hatte ich schon früher (für’s Radio) gemacht im Sinne von Benjamin Brittens „young persons guide to classical music“. Leider werde auch ich nicht jünger, obwohl ich neulich einen fatalen Fehler gemacht habe, als ich dachte, ich wäre jetzt schon älter als Tucholsky war, bei seinem Tod. Da ich jünger bin als J. K. und er noch nicht so alt ist, wie Kurt an seinem Todestag, bin ich doch eigentlich „...noch gar nicht so alt, wie ich immer gedacht habe...“ (heisse aber nach wie vor nicht Herr Wendriner).

Übrigens bin ich auch bald wieder im TV. Ende Juli gibt es in Leipzig die Sendung "DEUTSCH - DEUTSCHER - DIALOG" mit Manfred Geißler und Bernd Wagenbach und da gehen wir diesen Fragen "mit Gästen aus Ost und West" nach, wie es so schön heißt. Mit dabei ist mein Freund Lacky und Klaus Bergmann, der Sänger und Autor. Wenn Du willst, laß ich Dir den genauen Termin durchgeben.

M(ach Dir weiter) f(ortschreitende) G(edanken)

ChD

Montag, 12. Juli 2010

2010-07-12 | Sabine Korff: CHARLY LEBT WEITER

Im Magazin FOUCAULT spricht Charly Davidsons Ex-Ehefrau Sabine Korff erstmals nach seinem Tod über ihnd, die Ehe, seine Kinder und was von seinem Erbe bleiben wird. Das Interview führte Petra Neumann.

FOUCAULT: Frau Korff...oder soll ich Davidson sagen?

Sabine Korff: Ach nein, Quatsch, Sie brauchen mich nicht so zu nennen. Charly und alle nannten mich immer Sabine. Offiziell bin ich natürlich Frau Korff.

F: Wann sind Sie und ihr Mann sich zum ersten Mal begegnet?

Korff: 1979 trafen wir uns durch Zufall in einem Jugendzentrum in Frankfurt Fechenheim.

F: Da waren Sie aber schon keine Jugendliche mehr und Charly Davidson auch nicht.

K: Das stimmt, wir waren beide schon über Zwanzig. Ich kellnerte dort und Charly hatte gerade ein Konzert mit seiner damaligen Band FLIESSBAND gegeben.

F: Es heißt immer, Charly Davidson habe viele Menschen vereinnahmt. Wie erging es Ihnen?

Korff: Ich studierte damals und hatte versucht, mir über die paar Probleme, die ich hatte, klar zu werden. Ich war da nicht so in Gefahr, unter seinen Einfluss zu geraten. Vielleicht war das ja genau der Punkt, der ihn interessiert hat. Ich merkte, dass er mich so komisch konzentriert beobachtete. Ich glaube, Charly hat sich die Leute einfach ausgesucht. Aber zunächst mal war er ja auch nur mein bester Freund. Erst mit der Zeit habe ich festgestellt, dass er anderen gegenüber so stumm war und so wenig ehrliches von sich erzählt hat.

F: : Wie kamen Sie in der »Davidson-Gruppe« zurecht?

Korff: Sie meinen den »Davidson Clan«?

F: Ja.

Korff: Vor allem Charly, mein Bekannter und späterer Produzent von Charly, Lukas Linde, mein Bruder Peter, ein Filmemacher, und ich haben viel diskutiert und uns mit allem auseinandergesetzt. Aber dieser "Clan" war ja nie eine Gruppe im eigentlichen Sinn.

F: Sondern?

Korff: Ich denke, mankann sagen, es war eher eine verschworene Gemeinschaft. Seine Gruppenphase hatte Charly ja in seiner Band.

F: Worum ging es damals in ihren Diskussionen?

Korff: Um Musik und um die Bücher, die wir in dieser Zeit fast immer gemeinsam lasen. Peter brachte Charly und ich zum Beispiel in Kontakt mit der ganzen Freud-Literatur, auch mit Hans Kilians "Das enteignete Bewusstsein". Dieses Buch wurde sehr wichtig für Charly. Kilian gehörte zur Bürgerrechtsbewegung, die für den "Clan" politisch sehr interessant war. Dieses Buch spielte für uns eine recht große Rolle damals, weil es die gemeinsame Basis einer ähnlichen Sehnsucht nach Utopie war. Später nahm Neil Postmans Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" eine ähnliche Rolle ein.

F: Charly war ja in den 70ern durchaus politisch aktiv, war Politrocksänger. Mit dem Beginn seiner Plattenkarriere veränderte, verschob sich das zur Musik hin. Weniger Politik, mehr Musik ...

Korff: ... das ist sehr gut beobachtet von Ihnen, wobei seine Texte trotzdem meist intensiv durchdacht waren ...

F: ... im Jahr 1989 sagte ihr Mann dann, dass von all den vielen Interpreten und Bands, die zwei Dekaden zuvor angetreten seien mit »Krautrock die Welt zu verändern«, wie er es ausdrückte, nur er selbst, KW und CAN übrig geblieben seien. Wie sahen und sehen Sie das?

Korff: Es ging ihm um die grundsätzlichen Strukturänderungen im Fühlen und Denken der Fans. Auch wenn er das vielleicht nicht so geschafft hat, wie die erwähnten KW oder CAN. Wissen Sie, er litt oft darunter, dass er dachte, es verpasst zu haben, den folgenden Generationen etwas wirklich Wichtiges zu vermitteln. Aber, was er vermittelt e war trotzdem besonders: Es gab ja damals, in den Siebzigern, dieses vehemente Bedürfnis, sich als Musikkünstler mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen und eben auch in die alltägliche Geschichte einzugreifen. Das führte bei ihm zu einer großen Aufmerksamkeit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen gegenüber. Und zu einer Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen in der Liebe und im Leben. Vielleicht kennt ja der eine oder andere noch das Buch "Fangt an zu lieben und zu leben" mit Fotos aus dieser Zeit, als Charly und ich uns kennen lernten, 1978 bis 1980. Das gibt den damaligen Zeitgeist in Offenbach und Frankufurt wieder: Rebellion gegen alles. Davon ist in seiner Arbeit viel verblieben. Ja, wir waren in gewisser Art heftig, waren, Mann oder Frau, irgendwie Rock 'n' Roll. Und Charly wurde zu dem, was er wurde, weil er diese enorme, fast schon aggressive Kraft in sich hatte, die sich über seine Songs veräußert hat. In Stil wie in Form. Stil und Form - das war überhaupt seine künstlerische Grundlage. Ohne Stil keine Moral, und ohne Moral kein Stil.

F: Das greift auch über in eine Lebenshaltung ...

Korff: Natürlich. Das ist doch klar, dass man die künstlerische Arbeit und das Leben nicht trennen kann. Und er legte sich ja niemals auf irgendetwas fest. So konnte er als erfolgreicher Deutsch-Rock-Künstler die Lounge Musik erfinden, etwas 180 Grad anderes, also im Grunde ein völliges Paradoxum. So etwas konnte nur er vollbringen. Dafür wurde er bewundert und das nicht nur von mir, als seiner Frau. Natürlich hat er polarisiert. Man kann über Charlys Art, die Dinge übertrieben und zugespitzt darzustellen sicher geteilter Meinung sein. Doch wenn man gelernt hatte, damit umzugehen und das offensichtlich Überflüssige aus seinen Worten und Gedanken herauszufiltern, blieb fast immer eine tiefe Wahrheit übrig.

F: Sie sprachen von seinem Stil anders zu sein, unerwartet. Wie entstand denn dieser Stil?

Korff: Das war schon immer in ihm drin. Aber es gab ja auch stetes bei ihm. Obwohl alle seine Alben immer auch deutsche Stimmungsbilder sind, obwohl sie immer auch die Alltagsgeschichten enthalten, sind sie ja extrem konstruiert. Nicht nur auf der musikalischen Ebene. Denken Sie doch nur daran, wie er manchmal spricht oder wie er sich auf der Bühne bewegte. Charly setzte alles immer ganz bewusst so ein, dass es nicht realistisch wirkt. Er verwendete zum Beispiel viele Alltagsphrasen aus Zeitungen und setzte sie in völlig andere Zusammenhänge um diese Absurdität zu erzielen, mit der sie auf den Hörer eine fast schon psychologisch zu nennende Wirkung und Durchdringung erzielten.

F: Konnten Sie inhaltlich bei seinen Alben mitreden?

Korff: Manchmal. Darüber gesprochen haben wir immer.

F: Bis zur Trennung...

Korff: Ja.

F: Was bedeutet diese Trennung, die Scheidung für Sie, aus heutiger Sicht betrachtet? Und wie verwaltet man dann sein Erbe?

Korff: Ich und viele andere auch halten die andere Seite für moralisch ungeeignet, sein Erbe zu verwalten, nicht nur weil sie ihre Beziehung mit ihm auf einer Riesenlüge aufgebaut hat. Sie hat zu seiner Lebzeit fast alle engen Mitarbeiter und Freunde ausgeschlossen, die um dieses Lügengespinst wussten. Und es ging ja auch nach dem Tode weiter. Sie hatte ja in einer einfältigen Weise versucht, Kompositionen und Texte von Charly als gemeinsame Werke bei der GEMA anzumelden. Ein Versuch, der kläglich scheiterte und ihren Ruf erheblich ramponierte. So gibt es unzählige weitere Verfälschungen und Halbwahrheiten, die aber längst nicht alle justiziabel sind. Es war der Versuch der Zensur eines Lebens. Es tröstet nur, dass Charly sich sofort scheiden ließ, als er schmerzhaft bemerken musste, was sie für ein infames Spiel von Anfang an mit ihm getrieben hatte.

F: Auch mit Ihrem Leben?

Korff: Natürlich. Am Anfang haben wir alle noch gelacht über die andere Seite. Aber nach und nach hat sie sich in sein Leben geschlichen, dort eingenistet und ihm eingeflüstert, was er zu tun und zu lassen habe. Laut diesen Behauptungen bin ich nach unserer Scheidung aus Charlys Leben verschwunden, was nicht stimmte, denn allein schon wegen unserer Töchter hatten wir immer weiter engen Kontakt. Zum Beispiel saßen wir ja Seite an Seite bei Carolines Hochzeit.

F: Warum haben Sie sich nie gegen diese Bedrohung Ihrer Ehe gewehrt?

Korff: Ich fand das alles zu schmuddelig. Letztlich konnte man Charly nicht stoppen, wenn er etwas wollte. Und ich denke, die andere Seite sowieso nicht. Im besten Fall konnte man ihre Pläne entschleunigen. Wirklich dagagen wehren konnte ich mich nicht.

F: Weshalb sprechen Sie jetzt darüber? Sie haben doch lange geschwiegen.

Korff: Ich werde immer öfter, auch von Journalisten, auf diese Halb- und Unwahrheiten angesprochen, die verstärkt nach Charlys Tod in die Presse kolportiert wurden.

F: Jetzt sind Ihre Töchter die Alleinerben. Sagen Sie sich: "Hauptsache, die Kinder kümmern sich um seinen den Nachlass" oder können Sie da schon mitreden?

Korff: Klar, das ist ein riesiger international operierender Apparat, der sich um die Rechteverwertung kümmert. Brian Barquin hilt uns dabei, was ein wirkliches Glück für alle ist. Das können keine zwei Menschen allein erledigen, auch wenn es sich dabei um meine Kinder handelt, Charlys Töchter, auf die ich im übrigen sehr stolz bin, genau so wie er es zu seinen Lebzeiten war. Es handelt sich ja um ein vielschichtiges Werk, das dank der ungeheuren künstlerischen Produktivität von Charly Davidson-Korff existiert. Und ohne die vielen Mitstreiter und Weggefährten wäre es nicht zu verwirklichen gewesen. Die versuche ich immer wieder in die Nachverwertung einzubinden, soweit das natürlich geht. Aber ich habe immer noch meine Kontakte zu vielen Menschen im Business.

F: Obwohl man versuchte, Sie als stille Hausfrau am Herd zu stilisieren.

Korff: Ich würde sogar sagen: zu inszenieren. Und die Richtung, aus der dies kam, ist ja eindeutig. Ein stillen Heimchen, eine Hausfrau, war ich nie. Charly schätzte immer meinen Intellekt und meine Ratschläge. Dass ich jetzt den Mund aufmache, bringt mir nichts ein, finanziell wie persönlich. Aber ich leiste es mir, auch einmal reden zu können. Ich musste dafür nur einmal die richtige Zeit finden.

F: Wann sahen Sie Ihren Ex-Mann zum letzten Mal?

Korff: Ich freue mich, dass Sie nicht sagen "ihren verstorbenen Mann". Es gibt ja Menschen, die Priscilla Presley immer noch als die "Elvis-Witwe" bezeichnen, obwohl beide, als Elvis starb, schon fast vier Jahre geschieden waren. Auch mich erreichen immer wieder Anfragen von Magazinen und Zeitungen zu "meinem verstorbenen Mann" - schrecklich. Er war und ist mein Ex-Mann, schon weil er dies so wollte. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ein paar Tage vor Charlys Tod bin ich noch einmal nach Steinheim gefahren. Charlys Zimmer neben seinem Tonstudio war ganz unaufgeräumt. Das war wirklich schlimm anzusehen für mich. Überall waren übervolle Aschenbecher, Teller und alte Zeitungen. Und er hat sich mit mir nur über seinem Flug unterhalten, obwohl wir eigentlich über andere Dinge sprechen wollten. Einmal La Gomera umrunden wolle er, erzählte er mir und ich sagte ihm, wenn er nicht fit sei, dann könne er den Flug auch nicht machen. Doch er sagte mir, es wäre alles in Ordnung, sein Arzt habe ihm gerade grünes Licht gegeben und ich solle mir keine Gedanken machen.

F: War er da krank? Es gab ja Gerüchte über eine Hepatitis-C-Erkrankung.

Korff: Davon weiß ich nichts. Charly war hauptsächlich Diabetiker und musste sich am Ende vier Mal täglich zwei Sorten Insulin spritzen. Er hatte wohl auch noch einige andere Gebrechen oder Krankheiten, aber darüber weiß ich kaum etwas Konkretes und er selbst sprach davon auch nicht gerne freiwillig. Aber dass er einsam war, das konnte man unschwer bemerken. Aus heutiger Sicht denke ich, es muss eine ähnliche Einsamkeit gewesen sein, wie sie viele große Geister oft gespürt haben. Einsam im Erfolg, dabei auch enttäuscht von Menschen und doch selbst unfähig den Schritt auf die Welt zuzugehen, der notwendig ist, um wieder fest in sie einzutauchen.

F: Wie hat Sie selbst das Leben mit Charly verändert? Sie waren ja ein Vierteljahrhundert miteinander verheiratet.

Korff: Ich habe ziemlich profitiert, von diesen Energien, dieser Kraft, die er hatte. Ja, auch von seiner Menschensicht, die grundmoralisch war. Und natürlich von dem Geld, dass er für uns verdient hat. Seinen Töchtern und mir hat er stets das Gefühl gegeben, nein, den Glauben gegeben, dass jeder Mensch eine poetische Möglichkeit hat, sich auszudrücken. Ganz egal, ob diese Möglichkeit zu verwirklichen ist.

F: Was, glauben Sie, würde Charly Davidson heute machen, wenn er noch lebte?

Korff: Für mich, für seine Töchter, für viele Menschen, lebt Charly weiter. In seinem Werk. Und es gibt ja auch ganz aktuell Leute, wie Das gezeichnete Ich, den wir von Anfang an und über viele Jahre begleitet haben und der nun endlich seine erste Platte herausbringen konnte, die führen seine Arbeit weiter. Wäre Charly noch da, auf dieser Welt, dann wäre er sicher weiter seinen Weg gegangen. Unkonventionell genial. Ich weiß nicht, ob er heute immer noch Musik machen würde. Aber er hätte sicher versucht, etwas zu machen, was mit seinem Spaß am Denken, Fühlen, Analysieren zu tun hat. Ein Leben ohne künstlerisches Arbeiten hätte ihn bestimmt nicht interessiert.


Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Magazins FOUCAULT © 2010. Private Fotos der Hochzeit von Roberte Soares und Caroline Korff veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Frau Caroline Soares-Korff © 2007