Samstag, 16. Mai 2009

2000-09-30 | Eine entschärfte Rebellion

"Charly Davidson in der Offenbacher Stadthalle"

(FP) - So kennt man ihn. Charly Davidson, der Erfinder des deutschen "Problembewältigungs-Rocksongs", hob wieder den moralischen Zeigefinger. "Schlangenbeschwerer" nennt er seine aktuelle Tour. Das von ihm textlich in die Mangel genommene Volk hängt weiter an seinen Lippen. Trotzdem - oder gerade deshalb?

Die engen Glastüren der Offenbacher Stadthalle saugen die mutmaßlich nach anderer Unterhaltung, als derzeit angesagt, strebenden Musikfans hinein. Heute dürfen sie mal wieder ganz betroffen sein über die Ungerechtigkeitt der Welt, dürfen vom fairen Umgang mit Werten und Menschen träumen, trotz Teilnahme am Marenge-Kurs und 7er-BMW. Der Mann der dies möglich macht ist auch nach mehr als drei Jahrzehnten 'on stage' immer noch ein Straßenfeger: Charly Davidson Man kommt zahlreich und pünktlich, denn "Deutschlands letzte Hoffnung auf den Pop-Olymp" (Davidson über Davidson) hat zur musikalischen Moralpredigt gerufen. Pünktlich ist - soviel Deutsches muss eben sein - auch ChD, denn der fängt minutengenau an.

Gutgelaunt, mit ebenso motivierter Begleit(ung)-Band, legt er los. Es ist der Beginn eines Feuerwerks an Wortspielen und Metaphern. Schonungslos seine Kritik an der Welt und dem Kapitalismus, bitter die Bestandsaufnahme zum Zustand der Deutschen Musik und Jugend. Im Allgemeinen sowieso und im Speziellen natürlich über den Zustand von Parteien, Dieter Bohlen und jedem Einzelnen von uns.


Als wolle er die heutige Generation, die seine Platten schon lange nicht mehr kauft und dem Konzert gar nicht beiwohnt, weil sie lieber Moses Pelham oder Sabrina Setlur zuhören, mit Gutmensch-Argumenten beschwören, berieselt Charly Davidson gießkannengleich als Ausgleich seine anwesenden Zuhörer. Das kommt bei denen, die gekommen sind, trotzdem gut an: fast alles in die Jahre gekommene Fans, die er "Lichtblicke" nennt. Jede Pointe wird von ihnen frenetisch bejubelt und fast könnte man glauben, von nun an werde die Welt wirklich ein klein wenig besser sein. Aber Alleswisser-Charly selbst raubt den Anwesenden diese Hoffnung. Alles werde so bleiben, wie es ist, sagt er, sich selbst dabei jedoch ausnehmend. "Mit mir war schon immer alles anders" skandiert er ins Publikum und das bejubelt ihn dafür.

Mit zunehmender Dauer des Konzertes konzentrieren sich Charly Davidson und seine Mannen dann doch mehr und mehr auf die Musik, guter Deutsch-Rock mit Elektronik Elementen inklusive eines hörenwerten Synthesizer-Solos des Meisters. Das kann er und das macht auf seine unverwechselbare Art wie kaum ein Zweiter. Und so wird aus der Menschen-Schlangen-Beschwerde letztlich doch ein erlebenswertes Konzert mit einem Hauch weiter Welt und der notwendigen Prise Rebellion. Entschäft natürlich, damit man sich danach nicht am Boden zerstört sondern ein klein wenig besser fühlt.

Von Peter Takt geschrieben für die FRANKFURTER PRESSE

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