Er war einer der erfolgreichsten populären Musikkünstler Deutschlands: Charly Davidson, der es sogar schaffte unter seinem wahren Namen Karl David Korff weltweit für Furore zu sorgen, als er 1988 die "Lounge Musik" erfand. In einem METRO-ONLINE-Interview sprach er vor genau fünf Jahren über die Musikindustrie, das Internet und die Überlebenschancen einer Branche.
METRO-ONLINE: Sie sagten kürzlich, in Zeiten von Apples iTunes und Einzel-Downloads habe sich das Konzept des Popalbums überholt. Heißt das, Ihre letzte CD "wissen-schafft-macht" ist das letzte Album, das sie veröffentlicht haben?
ChD: Es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich Musik veröffentliche, falls Sie das meinen. Aber es wird vermutlich das letzte meiner Konzept-Alben sein. Ich kämpfe darum, dass ich auch in Zukunft noch Album-Konzepte erfolgreich veröffentlichen kann, aber ich denke, dass dies mit dem ganzen aufkommenden Download-Hype immer schwerer werden wird, Konzepte an die Hörer weiter zu transportieren. Bald werden sich Musikfans aus allen Platten eines Künstlers ein "Best-Of" selbst zusammenstellen, dieses immer wieder editieren, dafür aber keine Alben mehr kaufen.
METRO-ONLINE: Und dann?
ChD: Dann muss man sich ansehen, wie es um die Plattenindustrie bestellt ist. Seit zwei, drei Jahren gab es hier jedes Jahr einen Umsatzrückgang von bis zu 30 Prozent bei den Tonträgerverkäufen. Wenn man, wie ich, frei produziert landet man irgendwann im Minusbereich.
METRO-ONLINE: Werden es andere erfolgreiche Künstler Ihnen nachmachen und sich von der Plattenfirma lösen, um ihre Musik in Eigenregie herauszubringen? Vielleicht mit Unterstützung von Investorengruppen oder Anlegern?
ChD: Das denke ich nicht. Im Moment sehen viele diese Notwendigkeit, frei arbeiten zu können, nicht.
METRO-ONLINE: Also bleiben diese Künstler und Bands der Plattenindustrie treu - und streben dann mit ihr dem Abgrund entgegen?
ChD: Würde ich wetten, dann würde ich mein Geld trotzdem auf die Plattenfirmen setzen. Ich hasse sie, das will ich hier einmal pauschal aber deutlich sagen - ich hasse sie, weil sie in der Vergangenheit viele große Künstler und Legenden künstlerisch wie geschäftlich vergewaltigt haben. Es ist doch nicht zu betreiten, dass die Musikindustrie in ihrer Historie viel Mist gebaut hat. Aber ich sehe natürlich auch, wie viele gute Dinge durch die Plattenfirmen entstehen konnten, die unser Leben bereichert haben und noch bereichern. Michael Jackson oder die BEATLES wären ohne Plattenindustrie niemals das geworden, was sie den Menschen heute bedeuten. Also sehe ich nicht, wer zukünftige Idole aufbauen und entwickeln soll, wenn nicht die Musikindustrie.
METRO-ONLINE: Können das die Bands und Künstler nicht eigentlich auch selbst machen? Es gibt im Internet doch Darstellungsmöglichkeiten ...
ChD: ... die alle großer Mist sind. Ich habe mir jetzt einmal MySpace* angesehen, die neue große Hoffnung aus den USA. Und was sehe ich: im Internet entstehen keine Stars, keine Idole. Um das zu gewichten vergleiche ich das Internet mit der Rolle des Radios in der Nachkriegszeit: in Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA führte das Radio Ende der 40er- bis Mitte der 60er- Jahre zu einem Boom der Plattenfirmen. Führen Sie sich vor Augen, was allein in diesen zwei Jahrzehnten alles entstanden und gediehen ist: Jazz und Soulmusik, Rock 'n' Roll und Rockmusik. Ich sehe nicht, dass das Internet so etwas schaffen kann. Und deshalb setze ich nach wie vor auf die Plattenindustrie - grundsätzlich. Für mich persönlich habe ich die Sache dadurch gelöst, dass ich nun meine eigene Plattenfirma habe.
METRO-ONLINE: Was ist denn Ihrer Meinung nach die Hauptaufgabe eines Labels?
ChD: Bei einem Musiklabel geht um das Kuratieren von Musik, um die Entwicklung, die Formung und Betreuung von Künstlern. Nochmal: im ganzen, weiten Internet gibt es keine Abteilung, die das im gleichen Maße leisten kann.
METRO-ONLINE: Sicher nicht. Aber dennoch bietet das Internet im Prinzip jedem Künstler die Möglichkeit, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, auf eigene Faust berühmt zu werden.
ChD: Wie Sie sagten: im Prinzip. Schauen Sie, ich könnte jetzt alle Leute anrufen, die ich persönlich kenne, und das dürften so an die 1000 sein, viele, wenn nicht sogar die meisten, aus der Musikbranche. Also angenommen ich rufe die alle an und erzähle ihnen: "Ihr kennt doch meine eigene Plattenfirma, die hat einige supergute Künstler", erzähle denen welche es sind, berichte Ihnen und anderen Journalisten darüber und die Zeitungen und Magazine schreiben es dann, das könnte funktionieren. Aber das bin ich, Charly Davidson. Mit meinem Namen erreiche ich sehr schnell eine große Anzahl von Menschen, die damit etwas anfangen können und sagen: "Der hat eben ein Näschen für Talente". Aber das heißt doch nicht, dass der Musiker da unten auf der Straße über das Internet dasselbe machen kann. Wer weiß denn schon als Internetnutzer, wo er die Talente finden soll. Es fehlt hier sehr die Fokussierung.
METRO-ONLINE: Was meinen Sie damit?
ChD: Ganz einfach: Warum bin ich als gut Englisch sprechender Deutscher mit "Lounge Musik" erfolgreich geworden? Weil es Instrumentalmusik ist. Als Deutsch-Rock-Musiker kann ich in Japan keinen Erfolg haben oder in Südamerika. Erst wenn es ihm möglich ist, weltweit Märkte zu öffnen, kann ein Künstler auf eigene Faust überregionalen Erfolg haben. Plattenlabel sind mit ihren Dependancen und den Vertriebsfirmen vor Ort vernetzt; durch diese Allianz - und den Zugriff auf die jeweils lokalen Medien in Japan oder Südaerika oder sonstwo - sind sie in der Lage, Künstler weltweit zu vermarkten. Mein Computer, mein Telefon und meine Internetseite allein bringt mich nicht nach Mumbai, um dort vor Tausenden von Leuten aufzutreten.
METRO-ONLINE: Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Martin Rosenheinrich © 2004 für das METRO-ONLINE MUSIKMAGAZIN
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Anmerkung: Das Interview wurde im Herbst 2004 geführt. Ursprünglich war MySpace.com ein Anbieter für kostenlose Datenspeicherung im Internet. Erst im Juli 2003 gründete sich die Community unter der gleichen Internetadresse; hierauf bezog sich Davidson wohl. Das Unternehmen wurde jedoch im Juli 2005 vom Medienmogul Rupert Murdoch für 580 Millionen US-Dollar gekauft. MySpace hatte nur zwei Jahre später etwa 180 Millionen Mitglieder.
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