Montag, 27. April 2009

1992-12-08 | Tourneetheater

Charly Davidson äußert sich im Interview mit den LICHTBLICKEN zur neuen Tournee 1992/1993, die er unter den Oberbegriff „THEATER DEUTSCHLAND“ gestellt hat. Kurz bevor er zu den Proben im nördlichsten Deutschland auf der Ostseeinsel Usedom abreiste, haben wir sein Angebot genutzt, ihn eingehend zu befragen.

In der Presse war letzte Woche zu lesen, quasi als nachträgliches 'Geburtstagspräsent': „TORTOUR FÜR CHARLY DAVIDSON! Nachdem sein Album AUSBRECHER sich in den Chartplatzierungen als das am wenigsten erfolgreiche der letzten Jahren erwies, melden nun auch die Tour-Stationen weng Positives: Nur der Auftakt in Offenbach und das Konzert in Hamburg sind ausverkauft. Die Fans wollen Davidson nicht mehr so oft live sehen!"

ChD: Ich bin jetzt 35 Jahre alt und weiterhin sehr glücklich über die Akzeptanz meiner Musik und den Zuspruch der Fans. Eine „TORTOUR“ wird es erst geben, wenn mein Album „TOR“ erscheinen wird, und wann das ist, kann ich heute noch nicht sagen. Aber im Ernst: Solche Schlagzeilen sind immer falsch, abe wie schon Charles Foster Kane sagte: „Eine größere Schlagzeile macht auch die Nachricht größer“. Ich kann jedenfalls für unsere Tour den Zuschauern jede Menge Überraschungen versprechen, wenn es am 23. Dezember losgeht.

Zweiundzwanzig Konzerte kreuz und quer durch die Republik stehen Dir jetzt bevor, was sind die ersten Assoziationen, wenn Du an Deutschland denkst?

ChD: Ich denke an die Wiedervereinigung. Daß ich sie erleben durfte, ist wirklich unglaublich. Meine Eltern sind ja ausgewandert, bevor ich geboren wurde, kamen Anfang der 60er-Jahre zurück. Niemals hatte ich richtigen Kontakt zur DDR und zum dortigen Leben, bis ich vor fünf Jahren als einer der ersten Deutsch-Rocker Konzerte in der DDR geben durfte. Wohl auch dank meines anspruchsvollen Albums „SO! ZUSAGEN“, das den Oberen in der DDR Hierarchie wohl gefallen hat. Obwohl ich damals die Spannung und Unzufriedenheit mitbekommen habe, kam der Mauerfall für mich dann doch überraschend.

Hast Du Dich neben der DDR auch mit den Nachwirkungen der Nazi-Zeit und des Krieges auseinandergesetzt?

ChD: Mich hat die deutsche Vergangenheit sehr beschäftigt, das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Gesamtwerk. Mein Onkel war bei der SS und, nebenbei bemerkt, war und ist er ein unglaublich lieber Kerl. Schwierig für mich, damit umzugehen. Aufgrund der Geschichte meiner Familie ist mein Verhältnis zu Deutschland also nicht ohne Blessuren. Es bleibt weiterhin gespannt und wird wohl auch immer so bleiben. Zum Beispiel habe ich neulich geträumt, ich wache nicht in Frankfurt am Main auf sondern im Frankfurt/Oder der DDR-Zeit. Das war ein Traum, sage ich Dir.

Was vermisst Du an Deutschland, wenn Du im Ausland bist?

ChD: Wenn man länger im Ausland ist, hat an schnell das nicht-deutsche Weißbrot satt. Unser Schwarzbrot ist schon, so finde ich, eine große nationale Errungenschaft. Grundsätzlich kann ich als professioneller Querdenker natürlich nicht abstreiten: Wenn man nach wochenlanger Abstinenz ins neue Deutschland zurückkehrt, bemerkt man sofort, daß es bei uns gar nicht so schlecht ist. Ich sage da immer: „Der Neger lacht, wenn er von unseren Problemen hört“. Das ist nicht despektierlich sondern durchaus respektierlich gemeint. Wir dürfen hier in Deutschland eine Art persönlicher Freiheit genießen, die woanders nicht selbstverständlich ist. Vor allem nicht in Afrika, wenn einem dort von acht Kindern zwei an Krankheiten sterben, drei verhungern und womöglich die restlichen im Bürgerkrieg abgeschlachtet werden. Da lachst Du, wenn Du von Behindertenparkplatz-Benutzer-Als-Nicht-Behinderter-Problemen hörst - „Sie Lümmel. Fahren Sie da aber ganz schnell mal runter“ - oder von geregelter Mülltrennung. In Afrika machen die Ärmsten der Armen Müllbergrecycling um zu überleben, dort ist ein „Grüner Punkt“ eine Oase in der Wüste. Aber bei uns ist ja alles anders.

45 Jahre Bundesrepublik – Was sagt Dir das?

ChD: Es ist vor allen Dingen eine Friedensdemonstration. Es gibt in unserer deutschen Historie keine Zeit, in der so lange wirklicher Frieden herrschte. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen, wenn man ergründen will, weshalb es einigen Menschen in unserem Land zu gut geht.

Du hast ja nach Jahren den Konzertveranstalter gewechselt. Wie ist es wenn man mit einer völlig neuen Tourcrew arbeitet, neue Menschen, neue Mentalitäten?

ChD: Da sind erfahrende Profis am Werk, die wissen wie so eine Tournee funktioniert. Vielleicht muß man die Pressemeldungen auch im Zusammenhang mit unserem neuen Tourveranstalter sehen. Es gibt da viel Konkurrenzdenken.

Wer redet bei der Setliste mit?

ChD: Zunächst hatte ich gehofft, alle, aber es bleibt wohl, wie so oft, an mir und Helmut hängen.

Wie viel, und vor allem, wie lange wird geprobt?

ChD: Wie bei Gott: Sieben Tage. Länger hält die Konzentration nicht.

Wird, ähnlich wie beim Album „AUSBRECHER“, mehr Aufwand betrieben als früher?

ChD: Ja, aber die Bühnengröße, die Halle muß es zulassen. Die SCORPIONS können wir allerdings nicht mit auf Tour nehmen.

Zur Albumpromotion waren Du und Helmut ja mit Matthias Jabs, James Kottak und Francis Buchholz von den SCORPIONS beim ZDF und Thomas Gottschalk? Eine große TV-Samstagabendshow als Erlebnis - wie waren Deine Gefühle hierbei?

ChD: Oft und lange warten. Gottschalk war nett und mochte unseren Titel „Ausbrecher“ sehr.

Wie zufrieden bist Du persönlich mit Verkäufen und Chartplatzierungen des Albums?

ChD: Es ist OK, hätte aber noch besser sein können.

Hast Du die Ausbrecher-Stimmung aus dem Studio mit zum Tourstart herüber gerettet, oder bist Du schon beim nächsten Album?

ChD: Meine Rockermähne ist doch gut zu sehen, oder.

Was ist das für ein Chaos mit der zweiten Single? Erst sollte es „Immer wieder neu“ werden, dann „Schwarzfunkelde Sterne“, aber es gibt immer noch keine. Darunter leidet doch auch der Radioeinsatz des Albums.

ChD: Da ist kein Chaos, Helmut und ich hatten unterschiedliche Ansichten über den richtigen Titel. So etwas kann es geben. Wenn man gut miteinander befreundet ist, kann man damit gut umgehen. Also haben wir erst einmal gar nichts gemacht. Eine Doppel-Single wäre natürlich super gewesen, aber die wollte die Plattenfirma nicht. Jetzt kommt wahrscheinlich eine Livenummer aus dem Tourprogramm, die wir neu geschrieben haben.

Wie wird die heißen?

ChD: Das wird nicht verraten. Findet es bei der Tour heraus. Es wird auf jeden Fall um jemanden gehen, auf dem alle auf einmal herumhacken.

Hattest Du nicht sogar vor, die schwer politischen „Schwarzfunkelnden Sterne“ auf Englisch zu singen und auf die zweite Single zu packen. Hoffnung auf eine internationale Karriere als Rocksänger war das doch wohl nicht?

ChD: Natürlich nicht. Ich singe gern englisch, aber alle nationalen Kollegen, die das versucht haben, sind auf die Nase gefallen. In UK oder den USA wartet niemand auf deutsche Rocksänger, die haben selbst genug gute Bands. Da kann man nur mit musikalischen Alternativen punkten.

Ein Kommentar von Dir zu Helmuts Arbeit am Backkatalog. Der soll ja irgendwann einmal als „RÜCKSPIEGEL herauskommen. Wann wird das sein und wie ist es zu diesem Remasterprojekt gekommen?

ChD: Ein alter Fan, der mein Werk besser kennt als ich selbst und übrigens vor vielen Jahren meine Frau und mich zusammenführte, hat zusammen mit Helmut so lange gebohrt, bis ich ja gesagt habe. Ich bin niemand, der regelmäßig in seinen Erinnerungen wühlt und abgelegte Musikideen sind für mich abgelegte Musikideen. Leicht irritiert war ich aber gewesen, daß das alles so lange her ist, mit den Kneipenkonzerten oder so. Ob und wann das die GLOBA herausbringt, wird man noch sehen. Es steckt jedenfalls viel Arbeit von Helmut drin.

Ein neues Buch von Dir sollte im Herbst zur Frankfurter Buchmesse erscheinen? Kommt es noch und wie wird es heißen?

ChD: Erste Antwort: „Ja“, zweite Antwort „Fanwärme“. Aber das sage ich jetzt nicht, weil Ihr es seid, die mich interviewen.

Ein schönes Schlusswort! Wir bedanken uns im Namen aller Fans ganz besonders herzlich dafür, daß du dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten. Wir wünschen Dir gutes Gelingen bei den Bandproben und Toi, toi, toi !" - Wir sind alle natürlich gespannt und freuen uns riesig auf die kommenden Ausbrüche von Dir.

ChD: Viele Grüße und „Bis die Tage!“

Das Interview führte Gerald Hoffmann vom ChD-Fanclub LICHTBLICKE, veröffentlicht in deren gleichnamigen Fanmagazin © 1992

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