Erstmals nach dem Tode von Charly Davidson äußert sich Helmut Prosa in einem Interview zu seinem langjährigen künstlerischen Weggefährten. "Karli ein außergewöhnlicher Mensch, eigen, war gelegentlich Innovator der Musik, meist ein guter Texter und Lyriker, selten ein Arschloch. ", verrät der österreichische Musiker und Produzent in der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des STERN.
Sie waren beinahe zwanzig Jahre lang der musikalische Partner von Charly Davidson. Wie stark hat Sie sein Tod im letzten Jahr getroffen?
HP: Karli, wie ich ihn immer nannte, war ein Genie und ein Wahnsinniger zugleich. Wenn so jemand stirbt, mit dem Du beinahe dein halbes Leben zusammengearbeitet hast, dann trifft dich sein Tod doch sehr. Teilweise habe ich ihn ja öfter gesehen als er seine Frau. Seine erste Frau.
Kennen gelernt hatten sie sich ja im Sommer 1984. Wie kam es dazu?
HP: Im Sommer 1984 tourte Charly Davidson mit seiner ersten Band BEGLEITUNG und seinem damaligen Komponisten und Gitarristen Lukas Linde. Karli wollte zu einer größeren Plattenfirma wechseln, der GLOBA, und es gab da schon erste Kontakte. Da er sich dort wohl beklagt hatte, er bräuchte einen besseren Gitarristen und Komponisten, sprach mich damals John Gerland von der GLOBA an, ob ich mir nicht mal ein Konzert von ihm anschauen wolle. Ich lebte damals noch in Österreich, aber wenn John einem etwas riet, dann war da immer eine große Sache dahinter, also fuhr ich die mehr als 800 km von Klagenfurt nach Kassel und schaute mir Karli an.
War das Sympathie auf den ersten Blick?
HP: Das kann man so sagen. Mir gefiel seine Bühnenpräsenz, die Art, wie er zwischen den Songs kleine Geschichten erzählte - das hatte er übrigens von Peter Gabriel übernommen, wie er mir bei unserem ersten Treffen sagte -, und die Texte. Vor allem die Texte. Das musst Du dir vorstellen. 1984, noch lief die Neue Deutsche Welle, ich war gerade aus dem Falco-Clan ausgeschieden, weil mir das doch zu umfangreich wurde, das zweite Album von ihm sollte komplett verfilmt werden in den USA, na ja ... und dann sehe ich diesen Schlacks, damals war Karli noch recht dürr, und der singt Rocksongs über „Das letzte Tabu“ der Menschheit, darüber, wie ein Buschmann die Welt sieht, oder dass man nicht alles machen soll, was gut riecht. Das war für mich wie Andre Heller hoch zwei, intellektuell und witzig zugleich.
Natürlich habe ich auch zugleich die Schwächen im Programm gesehen und hatte schon ein paar Ideen, wie man das besser machen könnte. Darüber haben wir uns nach dem Konzert die ganze Nacht lang unterhalten und ein paar Wochen später habe ich ihn in Frankfurt Fechenheim besucht, er und seine erste Frau Sabine wohnten samt Tochter damals ja noch in einer Art WG neben einem früheren Tonstudio, und da spielte ich ihm am Küchentisch einen Song vor, den ich schon einige Zeit in der Schublade hatte und ursprünglich mal für Robert Ponger (Anm: der damalige Produzent von Falco) geschrieben hatte, den aber keiner haben wollte und Karli schrieb innerhalb von zehn Minuten den Text dazu: „Keiner liebt Dich, wieso ich?“. Also, um das hier noch einmal deutlich zu sagen, einen NDW-artigen Text zu einem meiner besten Rocksongs, aber es funktionierte und wurde ein Platz 3 in den Charts.
Karli hatte eines sofort erkannt: 1984 war die Zeit reif für Rockmusik plus lustigem Blödeltext. SPLIFF, mit Herwig Mitteregger war er ja seinerzeit stark befreundet, machten das schon vor, Heiner Pudelko und INTERZONE hatten denen den Weg aus der NDW geebnet (Anm: auch mit Heiner verband Charly eine intensive Brief-Freundschaft ), aber Karli war so konsequent das voll durchzuziehen. Er, der Intellektuelle, singt über Liebe und Sex und Beziehungen als großen Spaß. Das kam sicher auch aus der WG-Zeit. Aber es ist doch immer wieder amüsant, wenn man dran denkt, dass es Leute gab, die Zeit gebraucht haben um den Sinn eines Satzes wie „... sie liegt auf dem Boden, während sie sie kicken“ zu entschlüsseln. Da wurde sogar häusliche Gewalt vermutet, dabei musste Karli aus index-technischen Gründen einen Buchstaben auswechseln und so entstand das Wort „kicken“. Mehr war da nicht an Gewalt. Als Charly Davidson hat er dieses Song/Text-Prinzip später weiter perfektioniert. 'Über einen schönen Song gehört ein böser Text, über einen harten Song ein lustiger'; das war sein Prinzip.
Nach sechzehn gemeinsamen Alben gab es dann 2004 die Trennung des Erfolgsduos Davidson/Prosa.
HP: Wir wussten ja alle, wer oder was der Grund dafür war - zeitgleich gab es ja die Trennung von seiner ersten Frau. Charly hatte Ursula, seine spätere zweite Frau, kennen gelernt und die hatte einen gewissen Einfluss auf ihn. Ich wusste schon ziemlich von Anfang an darüber Bescheid. Uschi hatte ja mal an einer Radio-Reportage über uns mitgewirkt (Anm: mit Titel „Charlys Prosa“), was Charly aber komplett wieder vergessen hatte, als beide sich Jahre später zufällig trafen. Damals schrieb mir ein Mitarbeiter des Radiosenders mehrere E-Mails, in denen er bezüglich Uschi sensibilisierte. Ich dachte mir „muss ich diese Frau kennen?“, schaute mir das Ganze dann eine Zeit lang an und sagte gar nichts dazu. Aber es war doch ziemlich schnell zu erkennen, dass sie ihn veränderte, formte. Dazu muss man wissen, dass Charly meist nur auf sich selbst hörte, wenn er etwas planvoll machen wollte. Mit seiner zweiten Frau gab es wohl eine Seelenverwandschaft - ob echt oder von ihr gespielt lasse ich hier mal offen, ich weiß es nicht - und plötzlich tat Charly Davidson dies und das und jenes, von dem er früher und nüchterner betrachtet die Finger gelassen hätte. Er war überzeugt, sich mit ihrer Hilfe gegen das Schicksal eines jeden Musikers, nämlich den Weg bergab nach der Erstürmung des Gipfels, stemmen zu können. Am Ende ging dann auch diese Beziehung in die Brüche und Charly war, so sehe ich das, wie ein angeschlagener Boxer ohne Hilfe aus der Ecke, auf sich allein gestellt.
Was ging in Ihnen vor, als Sie das sahen?
HP: Ich war entsetzt, dass er in TV-Shows Enten jagte, dann wieder seinen eigenen Tod inszenierte, war irritiert über seine wechselnden politischen Ansichten, überzeugt, dass ihm künstlerisch nur ein erfolgreiches Musikproduzententeam weiterhelfen konnte. Aber dazu war es ab 2004 offensichtlich schon zu spät, Charlys Name hatte keinen Ruf mehr, war für die Plattenfirmen ein Verlustgeschäft. Zudem war er für die Intellektuellen erledigt, für die Charts-Musikkäufer zu alt, für seine Fans zu unübersichtlich und teilweise auch enttäuschend. Ich denke, dass muss man auch mal so klar sagen, bei allen Erfolgen der 80er- und 90er-Jahre. Ich hatte ja auch nach der Trennung noch Kontakt mit ihm, bereitete unter dem Titel „ALLES ZU SEINER ZEIT“ eine DVD-Box mit den TV-Konzert-Auftritten von 1984, 1993 und 2000 vor, die allerdings dann niemand veröffentlichen wollte. Selbst er nicht auf dem eigenen Label. Jetzt nach dem Tode, gab es schon einige Anfragen nach der Box.
Fühlten Sie sich bei der Trennung hintergangen oder übergangen?
HP: Für Eitelkeiten war bei Charly nie genug Platz neben ihm. Ich habe das schon so gesehen, als das was es war: eine Trennung, die ihm beigebracht wurde, die positiv sein sollte für seine weitere Entwicklung. Die Trennung an sich lief ab, wie man sich das bei Charly vorstellen kann, wenn man ihn kennt. Wir hatten eine Unterhaltung über sein diffuses Image, er hörte sich meine Vorschläge an und kündigte zwei Wochen später den Vertrag mit mir und den anderen Musikern seiner BEGLEITUNG fristlos. Das kostete ihn zwar eine Menge Geld, weil das dann doch nicht so einfach ging, aber er war, um es mit einem seiner Liedtitel zu sagen, „Endlich frei“.
Sie machten aber nicht den Fehler, den sein erster musikalischer Partner gemacht hatte, nämlich Jahre lang nicht ein Wort mit ihm zu reden.
HP: Das ist ja albern und ging zudem gar nicht, denn wir waren weiterhin geschäftlich miteinander verbunden, hatten ein Tonstudio in Hanau und ich hielt Anteile an seiner Plattenfirma. Zwar übernahm seine zweite Frau anfangs die Kommunikation mit mir, schaltete dann aber schnell Anwälte ein, weil sie da, selbst als Kommunikationstrainerin, zu unerfahren war. Charly und ich hatten zwischen 2004 und 2007 wenig persönlichen Kontakt. Im letzten Jahr habe ich ihn dann noch ein-, zweimal persönlich getroffen, unser Verhältnis wurde besser, aber sein plötzlicher Tod hat dem dann ein jähes Ende bereitet.
Was denken Sie heute über ihre gemeinsame Zeit im Musikbusiness?
HP: Die Marke Charly Davidson war - zurecht muss man sagen - eine Zeit lang die Lizenz zum Gelddrucken für mich, für ihn, für die Plattenfirmen. Wir hatten in den genannten zwanzig Jahren fünf Top 10 Alben, ettliche erfolgreiche Singles, was für die Qualität des Duos Davidson/Prosa spricht. Dabei hatten wir auch noch unendlichen Spaß beim Musikmachen und -aufnehmen, beim Streiten und Diskutieren von Erfolgen wie Misserfolgen. Karli war ein außergewöhnlicher Mensch, eigen, wie es auch Falco auf seine Art war - mehr große Künstler kenne ich leider nicht so nahe -, war gelegentlich Innovator der Musik, meist ein guter Texter und Lyriker, selten ein Arschloch. So fällt meine Bilanz kurz und schmerzlos aus: Karli Davidson-Korff war das Beste, was mir als Künstler und Musiker passieren konnte. Er sei "larger than life", schrieb mal eine englische Zeitung in bewunderndem Ton, "größer als das Leben". Aber womöglich war am Ende die Wirklichkeit größer. Es ist jedenfalls unendlich traurig, dass er nicht mehr ist. Ich hätte mir mit ihm gut Spaziergänge unter älteren Männern vorstellen können, bei denen wir über Gott und die Welt diskutiert hätten. Wer ihn kannte, vermisst ihn.
Interview © 30. April 2009 bei MEDIENKONTOR. Die Fragen stellte David Widder.
Mittwoch, 29. April 2009
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