Mittwoch, 10. Dezember 2008

1998-04-15 | Eintrag in einem Antifa-Blog

Treibgut schreibt: "Wenn man stundenlange Autobahnfahrt erdulden muss, dann findet sich irgendwo eine 'Raststätte' genannten Abzockereinrichtung, die den Vorwand zur Pause liefert. Durst, Hunger, Beine vertreten - diese Bedürfnisse hatte ich nicht, aber ich mußte damals pinkeln. Damals, das war in den 80ern, und ich erinnere mich, daß die Raststätte zwischen Frankfurt und Kassel lag. Soweit die wichtigsten Basisdaten.

Ich stand allein am Urinal und weiß noch präzise, daß es dort klein, eng und weiß war. Oberhalb der Rinne befand sich auf gesamter Rinnenlänge ein Fenster, das den Raum hell erscheinen ließ. Im Rücken befanden sich die Kackzellen. Als ich meinen Urin fast komplett abgeschlagen hatte, betrat Charly Davidson die Pinkelbude, stellte sich rechts neben mich, öffnete seinen Hosenschlitz und tat das, was man nach langer Autobahnfahrt gern tut. Dabei schaute er kurz nach unten, wohl um den ordnungsgemäßen Verlauf der Maßnahme zu überprüfen. Gesungen hat er glücklicherweise nicht, hat mich aber durch seine blöde Brille angeklotzt.

Ich verließ den Raum bevor Davidson sich vollständig erleichtert hatte, daher weiß ich leider nicht, ob er sich nach dem Pinkeln die Hände gewaschen hat. Aber ich kann noch bezeugen, daß er sich nach dem Kloaufenthalt sogleich auf den Beifahrersitz eines Mercedes mit Frankfurter Kennzeichen warf. Der Fahrer fuhr derbe beschleunigend an und entfernte Charly Davidson auf diese Weise für immer aus meinem Leben."

Sinkgut antwortet: "Ca. 1984 erwarb ich mein erstes Tramper-Monatsticket und wollte auf der ebenfalls ersten Tour damit einen Brieffreund in Baden-Baden besuchen. In Frankfurt am Main hatte der liebe Gott aber eine Prüfung in Form eines Zugwechsels gestellt und ich stieg kurz aus.

Auf meinem Gleis im Frankfurter Hauptbahnhof kam mir, unverwechselbar durch Brille & Schnauz, Charly Davidson entgegen. Der überraschend dämonisch dreinblickende Mann starrte mich an, als sei ich ein Außerirdischer, und ich dachte: "Arschloch". So haben wir beide recht gehabt.

Strandgut ergänzt: "1991 hatte Davidson ja im Suff diese Frau getötet - ein "tragischer" Autounfall, wie später behauptet wurde und gefahren war natürlich ein ganz anderer. Dabei sprachen alle Indizien gegen ihn. 'Es war schrecklich, begleitet mich bis heute', sagte Davidson damals in der PRESSE. 'Am Tag zuvor sind wir früh morgens nach Köln gefahren, wo ich einen neue Produktion vorzustellen hatte. Am Karfreitag-Abend sind wir dann nach Hanau zurück und ich sagte zu meinem Freund, der mich fuhr, halte bitte nochmal in Frankfurt an einer Tankstelle, damit ich was einkaufen kann, am Feiertag haben ja alle Geschäfte zu' und bla und so weiter. Am Ende solls dann so gewesen sein: 'Als ich nach Stunden wieder zu mir kam, standen Polizeibeamte an meinem Bett und erzählten mir, was geschehen war. Ein Auto hatte auf der Autobahn unseren Weg gekreuzt, vielleicht sollte man eher sagen: unsere Wege kreuzten sich. Ich hatte zuvor noch nie einen Autounfall und es wurde festgestellt, dass mich keine Schuld trifft. Aber es gibt immer Menschen, die erzählen, dass ich gelogen hätte. Ekelhaft. Die Monate danach waren ein echtes Spießrutenlaufen. Detektive, Spitzel, Reporter haben uns belagert, haben mich, meine Frau und meine beiden Kinder verfolgt, haben versucht, meine Familie und die Familie der Frau, die ums Leben gekommen war, gegeneinander aufzuhetzen.' Die Geschichte beschäftige ihn bis heute, sagte Davidson mal in einer Talkshw. Seine Gedanken seien stets bei der Frau, die Wochen später an den Folgen des Unfalls starb. Aber er redet trotzdem bis heute kaum über das Erlebnis. Iss halt so: Wer Geld hat, der bestimmt die Wahrheit."

[Auszug aus der von Ursula Maus zusammengestellten "Davidson-Kollektion" (= 3 Akten), die sie für die Radio-Dokumentation "Mit mir war alles anders - Ein Jahr im Leben von Charly Davidson" recherchierte]

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