Donnerstag, 4. Dezember 2008

2008-01-07 | Herr Davidson, sind Sie ein Prophet?

Seine Fans verehren Charly Davidson als Visionär, sein Buch „Coverband“ gilt inzwischen als Science-Fiction-Klassiker, sein neues Werk „Moonopolis“ soll vom Kampf um den Mond handeln, der zwischen China, den USA und anderen Mächten ausgefochten wird; es soll nächstes Jahr erscheinen.

Mit LITERATUR ONLINE sprach Davidson über prophetische Bücher, Ray Kurzweil und einen Internet-Doppelgänger.


ZUR PERSON
Charly Davidson (im wahren Leben: Karl David Korff, Jahrgang 1957) ist Sänger/Songwriter und Literat. Mahrere seiner Bücher, darunter „Coverband“, „Schweren Herzens“ und „Fanwärme“, sind Bestseller geworden. Davidson interessiert sich für Musik und Literatur ebenso wie für Technologie und Naturwissenschaften, wurde schon mal mit Thomas Pynchon verglichen und schrieb eine Zeitlang auch journalistische Texte für Zeitschriften und Zeitungen. Derzeit arbeitet er, neben seinen vielen anderen Projekten, an einem SF-Roman mit Titel „Moonopolis“, der etwa in einem Jahr erscheinen soll.


LiOn: Herr Davidson, sind Sie ein Prophet?

CHARLY DAVIDSON: Nein. Ich sitze alleine da und schreibe. Dann e-maile ich das Geschriebene und jemand druckt es. Alle paar Jahre tauche ich auf und mache eine Lesereise. Aber ich bin kein Prophet.

LiOn: 1993 haben Sie mit „Coverband“ ein Buch geschrieben, in dem Deutschland nicht von Politikern sondern einem industriell-militärischen Komplex gesteuert wird. Eine Vorhersage?

DAVIDSON: (lacht) Dieses Buch ist offenkundig Satire. Es geht darin unter anderem um Möglichkeiten, das Gehirn des Bundeskanzlers direkt mit Umfrageergebnissen zu koppeln. Dadurch passieren verrückte, komische Sachen. Mir ging es bei „Coverband“ aber vielmehr um dieses sozusagen detektivische Duo, das all das eher zufällig als planmäßig aufdeckt, bestehend aus Jesus Zimmermann und Gabriel Goettle. Detektivische Duos waren schon immer Sympathieträger, von Holmes und Dr. Watson bis zu Don Quichote und Sancho Pansa. Im Grunde sind ja auch Laurel und Hardy ein detektivisches Duo, das immer etwas zu entdecken hat. Und sei es nur das persönliche Scheitern. Im neuen Buch spielt übrigens Gabriel Goettle wieder mit.

LiOn: Besteht eine Verbindung zwischen der berliner Autorin Gabriele Goettle und Gabriel Goettle?

DAVIDSON: Außer, dass ich Gabriele Goettle und ihre Bücher sehr mag, gibt es keine Verbindung. Wir hatten mal kurz Kontakt, aber Frau Goettle, so habe ich den Eindruck, ist eher scheu.

LiOn: 1997 kam „Screbo“ heraus, ein Buch über ein elektronisches Buch, das ein kleines Mädchen erzieht, so erzieht wie Sophie in Sophies Welt. Jetzt reden alle über E-Bücher und das „One Laptop Per Child“-Projekt will Kinder in der Dritten Welt mit Hilfe billiger Laptops ausbilden.

DAVIDSON: Das Buch hat offenbar einige Leute inspiriert, was sehr schön ist. (lacht) Aber im Ernst: Es war kein großer Verkaufserfolg und die Grundidee, Technik für Bildung einzusetzen, ist eigentlich ziemlich offensichtlich. 1995 habe ich (Philo-)"Sophies Welt" gelesen und war beeindruckt. Zwei Jahre später habe ich mir dann meinen KURZWEIL 250 gekauft. Ich habe ihn übrigens Gershon Kingsley abgekauft, der einst den Song „Popcorn“ geschrieben hat. KURZWEIL Synthesizer mag ich, weil ich Ray Kurzweil mag, den Erfinder. Nicht nur der seines Synthesizers sondern auch von vielen anderen Dingen. Und eine Koryphäe auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Da muss man nur eins und eins zusammenzählen, dann hat man die Idee für das Buch. Ich finde: Bücher müssen eine Art Sammelpunkt sein: Die Leute lesen die Geschichte und verstehen die Idee. Deshalb ist wohl auch „Wenn ich nach der Wahrheit such', find' ich ein Buch in einem Buch“ das bekannteste Zitat aus „Screbo“.

LiOn: Man kennt Sie ja als Sänger, die seine Lieder betextet und meist sogar selbst komponiert. Wie wurden sie ein Literat?

DAVIDSON: Ich sehe mich noch nicht einmal als einen Literaten sondern ich sage oft 'Ich bin Literatender ohne feste Antwort'. - Wie ich dahin kam? Jeder kennt Leute, die an einem bestimmten Punkt ihrer Karriere ausgestiegen sind, wegen der Hyper-Spezialisierung in diesem Bereich. Ich bin nie weit genug gekommen, um diesen Punkt zu erreichen, bin wohl immer vorher abgezweigt. Vielleicht könnte man mich als ein Sonderfall sehen. Ich war auf dem besten Weg, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen, habe elektronische Musikinstrumente gebaut, aber dann wurde ich musikalisch erfolgreich und damit habe ich dann weitergemacht, wurde sogar Journalist. Zwei prosaische Bücher, die ich während dieser Zeit geschrieben hatte, wurden bis heute nie veröffentlicht. Das dritte dann eben doch, „Auto-Didakt“, aber das verkaufte sich kaum. Dann schrieb ich noch eins, das war mies, das gebe ich selber zu, und hier fand ich wieder keinen Verleger. Dann schrieb ich „Coverband“. Das hat alles verändert.

LiOn: Wie heißen die unveröffentlichten Bücher, können Sie uns das verraten?

CHARLY DAVIDSON: DAs ist kein Geheimnis, ich habe hin und wieder schon davon erzählt und auf meinen Lesereisen Texte aus ihnen vorgelesen. Das erste von 1979 heißt "Tausand Träume", das zweite von 1981 "Der Kollektor".

LiOn: 2003 kam mit den „Zitadellen“ ein aktuelles Buch, indem Sie Geschichten um Zitate aus Ihren Liedern und Vergängerbüchern erzählten. Erfundene Begebenheiten, die zu dem jeweiligen Zitat führten.

DAVIDSON: Ich liebe es, Dinge zu erzählen, die Erklärungen liefern. Selbst wenn ich einmal tot bin, was hoffentlich noch lange auf sich warten lässt, wird es irgendwo ein Dossier geben, das den Menschen, die daran interessiert sind, Hintergrundinformationen zu meinem Leben liefern wird.

DD: Anfang nächsten Jahres soll
„Moonopolis“ erscheinen, wie man hört ein Buch über den Kampf um den Mond, der zwischen China, den USA und anderen Mächten ausgefochten wird ...

DAVIDSON: ... in dieser kurzen Zusammenfassung steckt viel Wahren drin ...

LiOn: ... welche Ihrer unveröffentlichen Bücher würden Sie zukünftig auch noch veröffentlichen?


DAVIDSON: Ganz am Anfang habe ich mit „Tausand Träume“ ein Buch geschrieben in Fortsetzung und Tradition von Ballards „Vermilion Sands“. Ich wollte einfach eine Geschichtensammlung haben, so wie „Der illustrierte Mann“ von Bradbury oder eben „Vermilion Sands“. Meist handeln SF-Bücher ja von jemanden, der eine coole Maschine baut oder fliegt, sich in ein hübsches Mädchen verliebt, dann werden sie von fiesen Morlocks angegriffen und er muss für sie kämpfen. Fast jedes Science-Fiction-Buch ist so konstruiert. Geschichtensammlungen eröffnen einem Autor die Möglichkeit verschiedenste Aspekte eine Situation, einer Stadt, einer Gesellschaft aufzuzeigen. Das liegt mir nach wie vor am Herzen.

LiOn: Wir leben in einer Zeit rasanter technischer Veränderung, Mancher kommt längst nicht mehr mit. Gibt es eine Entwicklung bei der Sie selbst nicht mehr mitkommen?

DAVIDSON: Second Life. Ich verstehe Second Life, ich hätte kein Problem, mir ein Profil anzulegen und dieses Social Network zu benutzen. Aber ich habe entschieden, hier nicht mehr mitzukommen. Und das obwohl ich Szenarien wie „Welt am Draht“ liebe. Aber dieses Zweite Leben gehört nicht zu meinem Sozialleben, wie das bei vielen jüngeren Leuten der Fall ist.

LiOn: Sie haben keinen Second Live Avator?

DAVIDSON: Doch, aber ich habe keinen Zugriff darauf.

LiOn: Passwort vergessen?

DAVIDSON: Nein, jemand hat ihn in meinem Namen angelegt, ohne mein Wissen.

LiOn: Es ist also über Sie aber nicht von Ihnen?

DAVIDSON: Ich habe mir das mal über die Schulter von jemandem angeschaut, der davor saß. Da waren lauter Nachrichten für mich. Sogar von Leuten, die ich kenne: „Hi Charly, toll, dass du jetzt auch im Second Life bist, ich habe versucht, dich zu erreichen!" Aber ich hatte keine Ahnung, dass so ein Alter Ego Ding überhaupt existiert. Ich habe einen Doppelgänger im Second Life. Das ist einerseits beängstigend, andererseits aber für ein Zweites Leben in einem Pralleluniversum denkbar. Nur geht mich das im Hier und Heute nichts an.

Die LITERATUR ONLINE LIST von: CHARLY DAVIDSON


bis heute unveröffentlicht 1979 „Tausand Träume“
bis heute unveröffentlicht 1981 „Der Kollektor“
1984 „Auto-Didakt“
... danach Veröffentlichungspause ...
1993 „Coverband“
1995 „Schweren Herzens (Ein Gedichteband mit Prosaeinlagen)“
1997 „Screbo“
2000 „Fanwärme“
2003 „Zitadellen“

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